Herzensbrecher | Kopfkino | Identifikationsgrenzen April 2017: 3x neue Musik aus Berlin

Wir haben wieder Release-Listen und Blogs durchforstet, um die spannendsten, aktuellen Platten aus und zu Berlin zusammenzustellen …

Wir haben wieder Release-Listen und Blogs durchforstet, um die spannendsten, aktuellen Platten aus und zu Berlin zusammenzustellen …

Tom Schilling: Vilnius

© Stefan Klüter
Das Schmuckstück vornweg: Dem bislang vor allem als Schauspieler bekannten Berliner Tom Schilling ist mit „Vilnius“ ein kleines Meisterwerk gelungen. Das Album entstand gemeinsam mit der Band The Jazz Kids (auch bekannt als Major Minors), auf die Schilling im Rahmen der Dreharbeiten zu Jan-Ole Gersters „Oh Boy“ getroffen war. Schilling spielt in dem Film die Hauptrolle, der Score stammt von der Band. Klangbezüge zu dieser Vergangenheit wird man auf „Vilnius“ allerdings kaum herstellen können, die Platte ist weder Jazz noch Mimen-Vehikel. Stattdessen hat Schilling über mehr als zehn Jahre hinweg Inspirationen von Brecht bis Cave, von Weill bis (Hank) Williams reflektiert und aus seinen Eindrücken und Ideen neun Songs (und das Bettina- Wegner-Cover „Kinder“) herausgearbeitet, die klarer und wahrer, feiner und reiner, wunder und runder nicht sein könnten, allen voran das leise „Ja oder Nein“ und das fatalistische „Schwer dich zu vergessen“, die einem mit aller stiller Macht das Herz aufbrechen.

Konzert: Tom Schilling & The Jazz Kids, 12.05. im Columbiatheater

 

Tale Of Us: Endless

© Tale Of Us
Gleich über zwei Umwege hat sich „Endless“, das neue Album von Tale Of Us, in diese Ausgabe unserer Tipps geschlichen. Zum einen ist der am 31.3. veröffentlichte Longplayer streng genommen gar kein April-Release, zum anderen stammen Matteo Milleri und Carmine Conte, die Namen lassen es bald ahnen, eigentlich aus Italien, haben aber zumindest ihr Lager in der deutschen Hauptstadt aufgeschlagen. Aber Schluss mit der Erbsenzählerei: „Endless“ ist ein Phänomen, hat sich das Duo seinen Namen doch vor allem in der Deep House- Szene gemacht – mit schwer atmosphärischen Tracks, die aber letztlich doch auf den Dancefloor gucken. Auf ihrer jüngsten Veröffentlichung aber, die nicht von ungefähr bei der Deutschen Grammophon erscheint, hallt der Club höchstens noch als fernes Echo nach (ein Bild übrigens, das sich im zweiten Stück „Alla sera“ aufs Vortrefflichste realisiert findet), während der Kopf längst im Kino angekommen ist: weiträumige, mit versprengten Streicher und Piano-Arpeggien bestreuselte Soundscapes schaffen hier den Stoff, aus dem die Träume sind.

Sarah P.: Who Am I

Ebenfalls Wahlberlinerin ist Sarah Anna Psalti alias Sarah P. Die gebürtige Griechin lebt in Kreuzberg und hat schon Anfang März mit ihrer „Berlin During Winter“-Playlist (u.a. mit Karen O, Nine Inch Nails, Moderat und ANOHNI) von sich hören gemacht. Nun ist mit „Who Am I“ der Vorbote und Titeltrack ihres für Mitte Mai angekündigten, in den Athener Artracks-Studios produzierten Debüt-Albums erschienen, dessen Veröffentlichung auf Psaltis eigenen Label EraseRestart erfolgen wird. Der so eingängige wie spannungsgeladene Song behandelt Potenzial und Grenzen der Identifikation mittels des Heimatlands und setzt musikalisch auf einen Mix aus Pop und Electronica, folkloristisch inspirierte Percussion-Elemente inklusive. Düster, trippig, modern.