Verkopft & verklopft | Eisvertropft | Kalter Hund | Warmes Herz 4 x neue Musik aus Berlin: Keinemusik, Tripnaha, Luciano, Amy Macdonald

Was hat der Dezember musikalisch im Plattenkoffer? Friedrich Reips Überlick der spannendsten Musiken aus Berlin gegen Ende des Jahres!

Was hat der Dezember musikalisch im Plattenkoffer? Friedrich Reips Überlick der spannendsten Musiken aus Berlin gegen Ende des Jahres!  

Keinemusik: You are safe

© Lukas Korschan
Wer zwischen drei Minimal-Partys kurz mal den Eindruck gewonnen haben sollte, der Berliner Club-Sound tanze auf der Stelle, steigt bitte unbedingt in dieses verkopfte, verklopfte, kollektive Zauberstück von Keinemusik (fb-Link) ein! Rampa, &ME, Adam Port und Reznik haben ein an den Rändern ohnehin fasriges, gerade umso tollkühner in alle Richtungen strebendes Panoptikum geschaffen, das nicht nur die geräumige Vielfalt in der Beat-Fantasie der Hauptstadt illustriert (unbedingt auschecken: „MBH“!) , sondern mit Schattierungen von Soul und R&B seine Hochaktualität beweist und mit dem Titel „You Are Safe“ seinen eigenen Mut konterkariert. Was für ein Trip!

Tripnaha: 1A

© Label
Kristallgläserne Vocals und zwarte, eistropfenklare Klirrbeats in tief weißen Soundscapes – ist das noch Synth-Pop oder doch schon ein bisschen „Utopia“, das neue, meisterhafte Album von Björk? Klar, ganz so visionär wie das Werk der Isländerin sind die fünf Tracks auf „1A“, der Debüt-EP der schwedischen Wahlberliner Tripnaha (fb-Link) aus Göteborg, nicht geraten, dennoch gibt es hier einiges zu entdecken, vom polierten Hit „If Life“ über die spleenige Spielerei „Kan Du Inte Bara Säga Nåt“ bis zum triphoppenden Production-Values-Protzer „Days Fly“.

Luciano: Eiskalt 

 

© Label
Von Humor keine Spur, aber muss ja nicht alles immer selbstironisch sein, wa? „Die Seele gefriert | Eiskalt | Zu viel im Kopf | ich fühl’ eiskalt“, so geht es los auf, na klar, „Eiskalt“, dem Solo-Debüt von Locosquad-Lude Luciano (fb-Link), und so geht es auch weiter: bewaffnete Taschen und dicke Bündel, Jean-Claude van Damme und Steven Seagal, „fick die Seele“ und „universal Major-Deal“ (ha!), alles über denkbar dickprolligen Beats und einer Polizeisirene, die aus der Ferne in die „Berlin Favela“ herüber weht. Alles klar, hier ist der Rap noch Gangsta, der Kiez längst Hood. Spaß haben kann man allemal mit diesem Testosteron-Überschuss, der beim Tour-Abschluss kommenden Februar das Astra fluten dürfte. Kann ja trotzdem zum Schießen sein, was gar nicht witzig sein soll, wa? (Gibt’s übrigens auch als extrafette Deluxe-Box.)

 

Amy Macdonald: Under Stars – Live in Berlin

© Presse Media Science International
Mit jeder Platte dasselbe Spiel: Amy Macdonald (fb-link) benötigt höchstens einen kompletten Song, um zu zeigen, dass sie ein weiteres Mal ganz die Alte geblieben ist: Beständig pflegt die charmante Schottin aus Bishopbriggs ihre so wunderbar mühelose Kombination aus fluffiger Melodik und aufwühlend emotionalen, reich ausstaffierten Harmonien, die sie schließlich mit ihrer warmen Stimme in wehmütigen Tönen färbt.

Auch dass das Ganze live genau so gut funktioniert, darf man seit Jahren bestaunen und sich nun auch bei Bedarf jederzeit vor Augen führen: Mit „Under Stars – Live in Berlin“ veröffentlicht MacDonald ihr erstes Live-Album, mitgeschnitten beim warmherzigen Konzert im Tempodrom im Frühling diesen Jahres. Auf der Tracklist finden sich neben Evergreens wie „Mr Rock And Roll“ oder „This Is The Life“ stolze sieben Songs der aktuellen Platte, darunter die Zugaben „Down By The Water“ (mit tollen Gospel-Vocals) und das raue „Prepare To Fall“, das MacDonald solo interpretiert. Auf einer Bonus-DVD sind je drei Live-Clips und Musik-Videos untergebracht.