Über neue Regelungen, das Geschäft und sozialen Aufgaben in Spätis 7 Fragen an die Spätibetreiber Alper Baba und Ahmet Razi

Zwei Spätbesitzer sprechen über die neuen Öffnungszeiten für Spätis, was es bedeutet, wenn sie nicht mehr sonntags verkaufen können und dass sie gelegentlich auch Jugendarbeit betreiben.

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Alper Baba und Ahmet Razi (vlnr.) sind Spätibetreiber und gehören zum Vorstand vom Berliner Späti e. V. Der Berliner Späti e.V. setzt sich dafür ein, dass Spätis als Sonderverkaufsstellen eingestuft werden und damit gesetzlich auf sicherem Boden stehen, wenn sie auch sonntags geöffnet haben. Bisher wurde der Sonntagsverkauf in Berlin geduldet, seit neuestem aber greifen aber vor allem in Neukölln zwei Polizisten rigide durch und verhängen hohe Bußgelder. Viele Spätibereiber sind durch den Verlust des umsatzstärksten Wochentags in ihrer Existenz bedroht.

 

1. Das Thema Öffnungszeiten für Spätis wird schon eine Weile diskutiert. Hat sich die Politik schon irgendwie geregt?

Ahmet Razi: Wir versuchen, mit der Politik in Kontakt zu kommen, bisher haben wir mit zwei Abgeordneten der Piratenpartei gesprochen, würden unser Problem aber gern auch mit den anderen Parteien erläutern und eine politische Lösung zu finden. Vor kurzem gab es wohl eine Abstimmung innerhalb der SPD, ob die das Thema ins Wahlprogramm nehmen, wurde dann aber nicht gemacht, war ihnen wohl nicht relevant genug. Die haben einfach noch nicht mitbekommen, wie wichtig Spätis für die Kiezgemeinschaft sind.

 

2. Warum wird das eigentlich gerade jetzt zum Problem? Das war es jahrelang nicht, die Spätis hatten immer auch sonntags offen.

Alper Baba: Für viele Spätis ist das auch immer noch kein Problem. Schlimm ist es bisher nur in Neukölln geworden. Wir haben hier zwei neue Sheriffs, die haben sich wohl gesucht und gefunden, und die hier Macht ausüben wollen. Also zwei Polizisten von Abschnitt 54, die hier im Bezirk den Gewerbetreibenden, meistens migrantischer Herkunft, Angst einjagen wollen. Ich kann mir leider keinen anderen Grund als Ausländerfeindlichkeit vorstellen. Dem einen musste ich neulich dreimal erklären, dass ich Deutscher bin, was er einfach nicht verstehen wollte und mich immer wieder gefragt hat, woher ich denn komme. Und ich solle mal so mit der Polizei in der Türkei sprechen, meinte er. Warum sollte ich, habe ich ihn gefragt. Ich habe einen deutschen Pass und er kommt mir mit der Polizei in der Türkei. Warum machen die das?

 

3. Der Frage schließen wir uns an: Warum machen die das?

Ahmet Razi: Ich glaube, die zwei haben es sich einfach zur Lebensaufgabe gemacht, uns Probleme zu machen. Die handeln sehr gezielt und fahren absichtlich von Späti zu Späti, um die dann sonntags dichtzumachen. Bei mir stand der eine Samstag Nacht um 0:10 Uhr, um mir dann eine Anzeige schreiben zu können, weil ich am Sonntag auf hatte. Sie sagen auch, sie hätten keine Lust, immer Ärger mit Besoffenen zu haben und wollen nicht, dass die sich sonntags Bier holen können. Aber das ist doch kein Argument, zwei Kästen Bier kann man sich auch am Samstag kaufen.

 

4. Warum ist es so schlimm für euch, wenn ihr am Sonntag zumachen müsst?

Ahmet Razi: Weil der Sonntag für viele Spätis der einzige Tag ist, an dem sie richtig gut Umsatz machen. Erstens weil die größeren Läden wie Lidl oder Aldi zu haben. Und außerdem ist der Sonntag Familientag. Viele gehen mit ihren Kindern raus, gehen spazieren und kaufen sich Kleinigkeiten. Wir haben übrigens auch schon mit Kirchenvertretern gesprochen, das war ein informelles Treffen, deswegen möchte ich nicht sagen, wer genau das war. Die Kirche hatte ja 2006 erfolgreich dagegen geklagt, als Berlin die Öffnungszeiten generell abschaffen wollte, sodass alle Geschäfte 24/7 öffnen könnten. Die haben uns erklärt, warum es ihnen wichtig ist, dass der Sonntag ein freier Tag bleibt, ein Familientag. Das ist ja auch völlig in Ordnung, finden wir ja auch gut. Aber Spätis sind doch auch soziale Treffpunkte. Hier ist Kiezgemeinschaft, hier reden die Leute miteinander, nicht wie im Supermarkt. Die von der Kirche haben uns Recht gegeben und gesagt, dass sie nicht dagegen klagen würden, wenn Spätis Sonderverkaufststellen würden. Mit uns haben die kein Problem, die wollen nur nicht, dass am Sonntag die ganzen großen Läden aufhaben.

5. Was bedeuten Spätis für den Kiez?

Alper Baba: Die Bürger vertrauen uns, und das ist sehr wichtig für einen Kiez. Ich zum Beispiel, auch viele andere Spätibetreiber, ich helfe den Bürgern, die der deutschen Sprache nicht so mächtig sind. Ich übersetze vielen die Briefe vom Amt, oder helfe Leuten, wenn sie selber Briefe schreiben müssen. Viele kommen zu mir, um hier Dokumente zu kopieren, viele haben zuhause keinen Drucker und kein Internet. Und wir machen eigentlich auch Jugendarbeit. Wir versuchen, den Jungen dabei zu helfen, sich an Regeln zu halten und keinen Blödsinn zu machen. Wir reden mit unseren Jugendlichen, und integrieren sie eigentlich in unseren Staat. Wenn sie mal Mist machen, kennen wir die sozialen Vereine, die ihnen helfen können. Oder wenn eine Frau zuhause Probleme hat mit ihrem Mann, sagen wir, wo sie Hilfe bekommt. So etwas kommt oft vor. Die Leuten wissen, dass ich Ahnung hab, und deswegen fragen sie mich. Das ist Integrationsarbeit, die ich umsonst für den Staat machen. Ich denke das ist sehr wichtig. Wir haben hier viele Flüchtlinge, und auch denen helfe ich viel.

6. Wenn ihr eure Läden verliert, wäre das auch für euch persönlich schlimm, oder?

Ahmet Razi: Bei den Spätis haben wir viele Leute, die, ich sag mal so: schwer vermittelbar sind auf dem Arbeitsmarkt. Das beste Beispiel bin ich selber. Ich hab keine abgeschlossene Ausbildung und hab den Späti von meinem Vater übernommmen. Und wir haben viele Jugendliche, die in den Spätis arbeiten, die so sind, wie ich mal war. Die dann aber lernen, wie Einzelhandel funktioniert, wie man einen Laden leitet. Und die eröffnen eventuell später selbst mal einen Späti, sind dann nicht nur auf der Straße, wo sie vielleicht kriminell werden, weil sie sonst keine Perspektive haben. Ich selber war auch schon so ein bisschen auf der falschen Schiene, aber der Späti hat das enorm gehemmt und geblockt. Wenn ich diese Perspektive nicht gehabt hätte, was hätte ich gemacht? Wahrscheinlich gammeln, rumstreunern und mit Idioten abhängen.

 

7. Was ist also eure Forderung?

Ahmet Razi: Wir möchten, dass auch Spätis zu besonderen Verkaufsstellen erklärt werden, die dann sonntags aufhaben können. Alper Baba: Spätis sind doch besondere Läden und gehören zur Kiezkultur. Diese Kiezkultur, die haben wir geschaffen und die muss erhalten bleiben.

 

INFO:

Wenn ihr helfen wollt: Auf www.change.org findet ihr die Petition „Rettet unsere Spätis und Berlins einmalige Kiez-Kultur“, die schon über 36.000 Unterzeichner gefunden hat.