Afrob im Interview Afrob über Autotunes und Angela Merkel

Wir haben uns mit Afrob getroffen und mit ihm über die Vielseitigkeit seines neuen Albums und über das für ihn ärgerliche Thema „Politik“ gesprochen.

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„Ich half Rap aus dem Brutkasten. Ich gab ihm die Flasche, hinterließ dabei riesige Fußstapfen“, heißt es im Auftaktsong des Ende 2016 erschienenen Albums „Mutterschiff“. Ob Afrob Rap aus dem Brutkasten half, sei dahin gestellt, doch zumindest war er dabei und hat sich über die letzten Jahrzehnte sein eigenes Standing in der Deutschen Hip Hop-Szenerie geschaffen. Wir sprachen mit Afrob über die Vielseitigkeit des neuen Albums und für ihn ein ärgerliches Thema: Politik. 

Vom ersten Soloalbum 1999 bis zum neuen Album „Mutterschiff“ – Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Ich finde, ich habe mich in dieser Zeit textmäßig sehr verbessert. Man kann mir viel besser folgen als früher – da war alles ein bisschen chaotisch in meinem Kopf. Allein die Technik ist besser geworden, wäre auch komisch, wenn es nicht so wäre. Und klar, wie bei jedem anderen auch, habe ich mich natürlich auch menschlich verändert. Das spiegelt sich auch auf den Platten wider. Ich glaube, wer meine Alben einmal alle durchhört, weiß alles über mich (lacht).

Ein offenes Buch …

Jaja, man merkt gar nicht, was man in der Summe alles preisgegeben hat.

Gibt es einen Song, den du bereust?

(Überlegt) Nö, ich bereue keine Songs. Doch mit der Zeit denkt man sich dann manchmal: ‚Das hätte ich hier und da besser machen können‘. Ich habe ein bis zwei Beats, die ich verhunzt habe. Um die tut es mir leid – das ist alles.

„Mutterschiff“ ist soundtechnisch sehr bunt und bedient sich vieler Rap-Subgenres – von oldschooligen Beats bis hin zu Cloudrap à la Lgoony … Ist das zu willkürlich?

Das zeigt einfach nur, dass ich ein vielseitiger Mensch bin und den Rap von heute mit dem von früher verbinden kann. Ich bin ja nicht festgefahren und finde nur das Zeug vor ’99 geil. Dafür bin ich auch sehr dankbar. Das zeigt auch, dass ich ein sehr offenes Verhältnis zu dieser Musik habe und sie nicht ideologisch besetze. 

Kann man das Album dann überhaupt einem Sound zuordnen?

Das ist immer schwierig bei mir, da ich auch selbst verschiedenste Musikrichtungen mag. Ich fände es dann einfach schade, wegen des roten Fadens, den man sich auf einer Platte beibehalten will, auf bestimmte Instrumentals zu verzichten. Deshalb ist es tatsächlich schwer, das Album zu kategorisieren, was den Sound betrifft. Bei „Mutterschiff“ sollte mir ein Sound der Unendlichkeit gelingen. Wenn man auf einem Schiff nur noch Weite und Horizont sieht … Doch auch den klassischen Afrob habe ich nicht verleugnet, nur habe ich mir bei „Mutterschiff“ eben einfach was getraut und ein bisschen experimentiert

Liegt diese freie Hand beim Experimentieren auch daran, dass du bei keinem Major Label gesigned bist?

Die Major Label von heute kann ich gar nicht mehr beurteilen. Aber klar, eigene Entscheidungen lassen sich dort schwerer treffen. Das ist bei mir nicht so. Hinzu kommt auch eine gewisse Gelassenheit, die man sich über die Jahre angeeignet hat. Man hat keinen Druck, was Zahlen angeht, keine Angst, wie das Album abgenommen wird etc. Ich hab da echt schon alles erlebt.

Dass die Autotune-Kritiker aufschreien, war dir sicherlich bewusst oder? Schließlich bedient sich „Mutterschiff“ ausgiebig dieser Technik.

Na klar weiß ich, dass Autotune Politikum ist (lacht). Da kann man irgendwie gar nicht neutral drüber reden. Die Frage ist halt: Wie siehst du Autotune? Für mich ist das kein Tool zum Reparieren. Für mich war es ein ganz normales Plug-in und nichts, was ich zum Beheben meiner nicht vorhandenen Fähigkeiten genutzt habe. Alles, was ich da autotunemäßig gemacht habe, hätte ich auch singen können. Ich fand die Symbiose zwischen dem Klang des Autotunes und der Instrumentalisierung einfach gut. Es hat sich cool angehört und so habe ich das dann auf der Platte eben durchgezogen. In diesem Ausmaß würde ich es jedoch bestimmt nicht nochmal machen.

Wo legt „Mutterschiff“ denn thematisch an?

Ich habe natürlich überlegt, über was ich schreiben möchte. Da blieb nicht mehr viel übrig (lacht). Da habe ich mir einfach mein Leben und meinen Alltag angeschaut, mit den einhergehenden Fragen, die mich beschäftigen. Fragen des Erwachsenwerdens eben – wie in dem Song „Wenn ich groß bin“ – Wann bin ich denn erwachsen und wie soll ich mich verhalten? „Mutterschiff“ behandelt auch das Scheitern und Aufstehen, sowie es aber auch zu schaffen gilt, das Kindliche beizubehalten. Was zeigen mir Fehler und was lerne ich aus ihnen und und und. Diese Gratwanderung eben, die man in seinem Leben macht.

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Fühlst du dich erwachsen?

Es ist immer noch Luft nach oben. Mit 20 dachte ich, ich wüsste alles. Mit 30 wusste ich, dass es nicht so ist. Tja, man hört eben nie auf zu lernen – das macht das Leben sehr spannend. Vor allem in Zeiten, in denen wir leben, wo keiner einen Job länger als fünf Jahre hat. In einer Zeit, in der die Zukunft sehr ungewiss ist und man nur seinen Glauben an sich und an seine Fähigkeiten hat und versuchen muss, sich wie bei Tetris irgendwo einzufinden. 

Kam der Titel „Mutterschiff“ dann konsequenterweise auf dieser thematischen Reise durch dein Leben?

Ja – es drückt vor allem auch die Rückkehr zu den Wurzeln aus. Wenn du nicht weißt, wo du herkommst, weißt du auch nicht, wohin du gehst. Eine gewisse Rückkehr zu den Basics und gleichermaßen die Flucht nach vorne.

Apropos vorne: Mit wem hättest du gerne noch ein Feature?

Mit den Beginnern auf jeden Fall. Ansonsten habe ich da nicht den Drang danach. Ich finde, ich habe da schon mehr gemacht als ich je gedacht hätte. Ich war mit Flavor Flav auf einem Track, mit Puff Daddy, Nas … Ich habe so viele tolle Sachen gemacht, auch international, dass ich da wunschlos glücklich bin.

2017 stehen ja nun die nächsten Bundestagswahlen an – du hattest dich 2013 für die CDU engagiert – wird das dieses Jahr wieder so sein?

Nein. Habe ich nicht vor. Ich finde, als Musiker kannst du nur verlieren, wenn du dich politisch engagierst. 

Ist das ein bisschen die Konsequenz aus den zum Teil kritischen Stimmen, als du 2013 Angela Merkel in ihrem Wahlkampf unterstützt hast?

Das war damals schon nervig. Das war alles auch sehr verräterisch, bei den Leuten, die sich darüber aufgeregt haben.

Ist denn nach wie vor eine Vorliebe für die CDU da?

Was heißt Vorliebe … das war für mich in dem Augenblick eben die richtige Frau. Und wenn man sie an ihren Maßstäben misst, ist Frau Merkel das, was sich manche Politiker wünschen würden – sei es in Sachen Europolitik oder Flüchtlingspolitik. Und bei letzterem nicht einfach die Mauern hochzieht, sondern Grenzen offen lässt. Und da habe ich damals die richtige Wahl getroffen – ich hatte zudem auch riesige Angst vor diesem Steinbrück (lacht). 

Es war für mich damals ein Statement: Ich wollte allen zeigen, egal welcher Seite, dass unsere Stimmen niemandem automatisch gehören und keiner davon ausgehen kann, dass er sie geschenkt bekommt, nur weil er angeblich die richtige Partei ist für Leute mit Migrationshintergrund.

Und auch diese Anti-Kampagne gegen Pegida und AfD-Wähler … Das ist die beste Promo, die man für diese Leute machen kann. Sie einfach als dumm zu verkaufen, damit kommen wir nicht voran. Solange die Leute nämlich das Gefühl haben, dass ihnen keiner zuhört und sie nicht angekommen sind – was sie auch nicht sind – kommen wir nicht voran. Wer unsere Stimmen haben will, muss ein Angebot machen und etwas bewegen wollen – unsere Stimmen gehören niemanden, schönen Gruß an Die Linke.

Afrob live:  12. Februar 2017 im Cassiopeia in Berlin,

                   14. Februar 2017 in der GrooveStation in Dresden

                   15. Februar 2017 Täubchenthal in Leipzig 

Wir verlosen außerdem 2×2 Tickets in Leipzig und Dresden zu den Konzerten.