Ostdeutsche Exotik Annisokay im Interview über zukünftige Features und Erfolge in Russland

Wir sprachen mit Christoph von Annisokay über Gemeinsamkeiten mit der Band Modern Talking und über gar nicht so düsteren Metal.

© Annisokay Promo
Viele Fans aus Leipzig sind überrascht, wenn sie erfahren, wie nah ihre Lieblingsband Annisokay doch an ihnen dran wohnt: Das fünfköpfige Gespann kommt nämlich aus Halle, weswegen wir sie auch gleich zum Interview gebeten haben. Wann das nächste Album erscheint, konnten wir aus Clean-Vocalist Christoph nicht herausquetschen. Dafür aber, wie man den Überblick über alle Metalgenres behält und warum Halle besser ist als sein Ruf als „Dunkelleipzig“.

Wie würdet ihr jemandem, der keine Ahnung von eurem Musikgenre hat, euren Stil beschreiben? Was macht „Annisokay“ aus?

Schwierige Frage. Eigentlich machen wir ja Popmusik, nur im Gewand des Metalsounds. Wir haben jemanden, der singt, und jemanden, der sozusagen „shoutet“, also schreit. Die Mischung macht’s interessant: eingängige Melodien mit elektronischen Elementen auf der einen, aber dann auch schwere, verzerrte Gitarren und Schlagzeug auf der anderen Seite … und eben einen Frontmann, der schreit.

In der Metal-Szene gibt es schon tausend verschiedene Abspaltungen und Richtungen: Post Hardcore, Metalcore, Melodic Hardcore … was sind die größten Unterschiede?  

Ich bin, was die ganzen Genres angeht, gar nicht so bewandert, weil ich mich da ungerne mit befasse. Ich denke mir: Ich höre mir Musik an und dann entscheide ich, ob mir das gefällt. Und zwar nicht, weil das Post New Metal Core oder der neueste Schrei ist.

Die größten Unterschiede liegen aber in der Art der Gesänge, mal gibt’s da jemanden, der singt, mal jemanden, der nur brüllt oder ein Mix aus beidem. Es gibt Songs, bei denen nur gesungen wird oder gerappt, dann gibt es Songs, die mit Elektronischem vermischt sind. Das Genre ist auch davon abhängig, wie komplex die Musik ist oder ob es da irgendeine crazy Taktart gibt. Wenn der Sound, nett gesagt, so richtig auf die Fresse gibt, dann ist das auf jeden Fall Hardcore – in dem Genre geht es dann auch mehr um die Lyrics und darum, was die Leute aussagen wollen.

Euer letztes Album „The Devil May Care“ wurde vor einem Jahr veröffentlicht. Was steht als nächstes auf dem Programm?

Es gab neulich schon in einem Magazin die Schlagzeile, das nächstes Jahr ein neues Album veröffentlicht werden würde. Das haben wir allerdings nie offiziell angekündigt (lacht). Also klar, das nächste Ziel ist das nächste Album, aber das muss ja nicht gleich 2018 erscheinen. Die ersten drei Alben haben wir ja praktisch jährlich fertig gemacht, das war allerdings ein bisschen viel und das hat auch ordentlich geschlaucht. Jetzt müssen wir erst mal den Kopf freikriegen für neue Ideen. Wir haben jetzt auch ein neues Label und mehr Leute sind in das Projekt involviert, deswegen können wir gespannt sein.

Habt ihr nebenbei noch Berufe oder ist Annisokay euer Brotjob?  

Ich stehe hier gerade auf der Baustelle von meinem Tonstudio in Halle. Ich mache Musikproduktion und auch Sounddesign für Kinofilme und das gefällt mir sehr, weil ich damit gar nicht so weit von der Musik weg bin. Die anderen haben auch noch Jobs. Von der Musik können wir leider noch nicht leben.

Klingt stressig!

Ist es! Einige von unseren Bandmitgliedern sind auch fest angestellt. Für unsere Touren müssen wir immer Urlaub nehmen. Und der muss ja dann mit den anderen abgestimmt sein! Unser Urlaub besteht praktisch aus Touren.

Generell ist es aber auch nicht unser Ziel, groß Kohle zu scheffeln mit unserer Musik. Es gibt Musik im Popbereich, die nach Schema F produziert wird. Da weiß man schon ganz genau: Das wird kommerziell Erfolg haben. Nur: Solche Musik wollen wir aber nicht machen.  

Marcus Bridge von Northlane, Christoph von den Emil Bulls: Auf welche weiteren Features kann man sich bei eurem nächsten Album noch freuen? Wie kommt es immer zu solchen Features?

Features machen wir eigentlich immer mit Leuten, die wir selber kennen. Christoph von Emil Bulls zum Beispiel ist ein ziemlich guter Freund von uns. Der ist auch extra nach Halle ins Studio gekommen und hat den Song mitgeschrieben. Den Sänger von Northlane kannten wir auch. Witzige Story: Er meinte zu uns, dass er noch unsere allererste EP auf dem Laptop hatte. Meine Güte, die ist noch zu Zeiten von MySpace vor sieben Jahren erschienen und Marcus kommt aus Australien! Da mussten wir dann einen gemeinsamen Song machen.

Wer wäre das Nonplusultra für eine gemeinsame Single?

Das ist jetzt leider ein bisschen traurig und spät, aber Chester Bennington von Linkin Park stand ganz oben auf der Liste. Vielleicht sollten wir uns deshalb auch lieber kein Feature mehr wünschen, nicht, dass das Unglück bringt … aber abgesehen davon wäre Corey Taylor von Slipknot der Hammer!

Du produzierst eure Musik selber, was sind Vorteile/Nachteile zu einem externen Produzenten?

Bei den letzten Alben habe ich die Musik zu 80% gemacht, auf dem letzten hatten wir teilweise auch ein wenig Unterstützung aus Amerika dabei. Ich mag es eigentlich nicht so sehr, das Album komplett alleine zu machen. Da sitze ich so im Studio, schreibe ’nen Song, dann nehme ich den selber auf und mische den dann auch noch selber ab. Toll. Das ist wie im Fischglas. Jemanden zu haben, der dann nochmal drüber hört und eine weitere Meinung abgibt, ist Gold wert.

Würdet ihr gerne mal einfach lustigen Party-Metal machen wie Eskimo Callboy oder fühlt ihr euch als ernsthafte Rockband in der Pflicht, kritische und düstere Texte zu schreiben?

Das ist Geschmacksache. Uns würde das einfach nicht so viel Spaß machen, einen lustig-albernen Text zu schreiben, damit würden wir uns auch gar nicht identifizieren können. Ich stelle mir vor, dass wir dann damit auf Tour sind, vor tausenden Leuten spielen und dabei denken „Was haben wir da für einen Krampf geschrieben?“

Außerdem machen wir auch nicht nur düstere Texte. Auf dem letzten Album waren viele Songs, die einfach die aktuelle Situation der Welt betrachtet und Prognosen für die Zukunft aufgestellt haben. Und die waren nicht alle negativ! Wir wollen auch keine Weltverbesserer sein. Nur vielleicht dem ein oder anderen die Augen öffnen.

Warum singt ihr nicht auf Deutsch? Warum gibt es mehr Hardcore-Bands, die auf Englisch singen als auf Deutsch?

Das liegt zum einen an den Vorbildern, die man hat, wenn man anfängt. Wir haben viele amerikanische Bands als Vorbild und die singen logischerweise eher auf Englisch. Als Band-Frischling geiert man dem Sound der anderen Bands dann auch ein bisschen nach. Irgendwo hat man ja auch das größere Ziel, auf internationalen Bühnen zu spielen. Wenn man nicht gerade so wie Rammstein das Deutsch so krass zu seinem Sound macht, dass die Amerikaner sogar mitsingen, ist der Durchbruch halt ein wenig schwieriger.

Wovon wir uns aber schon verabschiedet haben, ist, zu versuchen, dass man unseren Akzent nicht hört. Für englische Muttersprachler ist es ganz interessant, dass man doch nicht klingt wie alle anderen Bands.

Eure Genre-Väter Eskimo Callboy sind des Öfteren in Japan und Russland unterwegs, ihr auch, warum erfreuen sich Hardcore-Bands aus Deutschland gerade hier so großer Beliebtheit?

So richtig wissen wir auch nicht, warum das so ist. Als wir vor zwei Jahren das erste Mal in Russland unterwegs waren, waren wir völlig überwältigt vom Empfang der Bands dort. Die haben kreischend am Flughafen gewartet und vor unserem Hotel und dem Club, in dem wir dann gespielt haben …

Die Osteuropäer feiern auch viel ausgelassener als wir Deutschen oder die Engländer. Vielleicht gehen die seltener zu Konzerten und sparen da monatelang drauf. Und ich glaube, dass die uns einfach total exotisch finden, weil wir von „so weit her“ kommen. Das ist, wie wenn eine australische Band bei uns in Deutschland spielt. In Russland sind auch alle ganz große Modern-Talking-Fans. Vielleicht erwarten die dann einfach von uns ähnliche Qualität (lacht).

Ihr kommt aus der Leipziger Nachbarstadt Halle. Was für einen Blick hat man aus Halle nach Leipzig und was erwartet ihr vom Konzert im Täubchenthal im Dezember?

Wir haben ’ne super Beziehung nach Leipzig. Unser Sänger wohnt dort, wir haben viele Freunde da und sind da auch schon sehr oft und gerne gewesen. Vor zwei Jahren haben wir schon unser Jahresabschlussfestival in Leipzig gespielt und dieses Mal wird es auch wieder in Leipzig stattfinden. Ich würde auch fast eher sagen, dass Leipzig mehr die Heimatstadt unserer Musik ist als Halle. Stell dir mal vor, das erste richtige Konzert in Halle haben wir nach sieben Jahren erst in diesem April gespielt! Das liegt größtenteils auch daran, dass es in Halle kaum Lokalitäten gibt, wo man als Metalband auftreten kann. Das ist in Leipzig ganz anders.

Wer Halle nicht mag, kennt aber nur die falschen Stellen in der Stadt. Viele Gäste und Kunden in meinem Studio sind immer ganz erstaunt, wie schön es hier doch auch sein kann. Es gibt nicht nur den Hauptbahnhof und Halle Neustadt.

Info: Annisokay könnt ihr am 16. Dezember 2017 live im Täubchenthal sehen. Freut euch auf eine Hammer-Liveshow und die Special Guests Cypecore, Shields uk, DESASTERKIDS and Black Tooth Scares.