Fluch einer Familiendynastie Buchrezension: „Die unsterbliche Familie Salz“

Ein Roman über die Geschichte einer fiktiven Familiendynastie, vor der Kulisse unterschiedlicher Zeiten zwischen 1914 und 2027.

Alles beginnt mit Lola Rosa Salz, die 1914 nach Leipzig kommt und nach dem Tod ihrer Mutter in ein Erziehungsheim geschickt wird. Daraus entwickelt sich die Geschichte um eine fiktive Familiendynastie, die Autor Christopher Kloeble in seinem Roman „Die unsterbliche Familie Salz“ erzählt.

© Jens Oellermann

Inhalt

Sie alle haben ihren schweren, inneren Rucksack zu tragen. Lola Rosa Salz, die es als Neunjährige nach Leipzig verschlägt, als ihr Vater 1914 das renommierte Hotel Fürstenhof kauft und die nach dem mysteriösen Tod der Mutter in ein Erziehungsheim verbannt wird. Am Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt sie mit ihren Kindern eine regelrechte Odyssee und schreckliche Gewalt: Lolas labile Tochter Aveline, die den Alltag in der frühen Bundesrepublik nur mit reichlich „Frauengold“ übersteht; Lolas geschäftstüchtiger Sohn Kurt, der das von der DDR einverleibte Hotel unbedingt in den Familienbesitz zurückholen will und dabei auf mehr als nur ein Hindernis in seiner zerrütteten Sippe stößt. Dazu der alleinerziehende Volkspolizist Hans Rübsam, Avelines Sohn Alexander, dessen unterdrückte Gefühle sich in ihm wie in einem Dampfkessel aufstauen, und noch einige mehr. Christopher Kloeble lässt in seinem Roman mehrere Protagonisten der fiktiven Familiendynastie zu Wort kommen, die vor der Kulisse unterschiedlicher Zeiten zwischen 1914 und 2027 aus ihrem Leben erzählen.

Fazit

Lastet ein Fluch auf der Familie Salz? Den Eindruck könnte man gewinnen, wenn man „Die unsterbliche Familie Salz“ zu Ende gelesen hat. Es ist vor allem der Fluch der Vergangenheit, der Fluch unverarbeiteter, traumatischer Erfahrungen, der die einzelnen Figuren im Buch prägt, sich wie schleichendes Gift durch die Generationen zieht und wie ein Schatten auf die Beteiligten legt. Apropos Schatten: Die spielen in der Geschichte eine zentrale Rolle, denn bereits Lola Rosa Salz, die tragische Hauptperson, sieht in ihnen treue Begleiter und Spiegelbilder der menschlichen Seele. Wer keinen Schatten hat, ist besonders gefährlich. Oder anders gesagt: Verborgene Seiten gehören zu jedem von uns dazu, machen uns erst zu dem, was wir sind. Genau das können wir auch im Roman beobachten. Er erzählt eindrucksvoll und schnörkellos die Geschichte einer Familie, sehr direkt, oft erschreckend. Simple Schwarz-Weiß-Schemata hat der Autor bei der Zeichnung seiner Figuren gekonnt vermieden und damit eine höchst lesenswerte Mixtur geliefert, die viele Themen anspricht – Historisches, persönliche Prägungen, zwischenmenschliche Beziehungen, die Suche nach Halt und Identität, psychologische Raffinessen und Winkelzüge. Das real existente Hotel Fürstenhof in Leipzig dient als Knotenpunkt einer kaputten und weit verstreuten Familie, die beweist: Selbst die unsympathischste Verwandtschaft taugt immer noch für spannende Geschichten. Vielleicht wird der Roman ja auch mal verfilmt. Es wäre ihm zu wünschen.  

Info: Christopher Kloeble – „Die unsterbliche Familie Salz“ · dtv · 438 Seiten

Über den Autor: Christopher Kloeble, geboren 1982 in München, wuchs in Oberbayern auf und studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Er erhielt zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen, u.a. 2008 für das beste Romandebüt „Unter Einzelgängern“. Er lebt in Berlin und Delhi.