Zutiefst menschlich Buchrezension: „Unzertrennlich trotz Mauer und Eisernem Vorhang“

In „Unzertrennlich trotz Mauer und Eisernem Vorhang“ schildert Hanno Reich wie er trotz Flucht und Verfolgung die Verbindung zu seinem guten Freund Manfred aufrecht erhält.

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Hanno ist fünfzehn, als seine Familie 1948 vor der Verfolgung durch den KGB aus Leipzig flieht. Sein Freund Manfred bleibt hingegen in der Heimatstadt zurück, sodass sich die beiden Freunde fortan nicht mehr sehen. In „Unzertrennlich trotz Mauer und Eisernem Vorhang“ schildert Hanno Reich wie er trotz Flucht und Verfolgung die Verbindung zu seinem guten Freund Manfred aufrechterhält. 

Inhalt

Als Kind erlebt Hanno die verheerenden Bombenangriffe auf Leipzig im Zweiten Weltkrieg, als Teenie flieht er 1948 mit seiner Familie vor der sowjetischen Geheimpolizei aus der geliebten Heimatstadt nach Triest (heute Italien). Alles Altvertraute bricht für den 15-Jährigen auf einen Schlag weg, darunter auch sein Freund Manfred aus der Nachbarschaft. Doch kein Regime, keine Mauer, keine Entfernung vermag das Band der Unzertrennlichen zu zerreißen. Sie beginnen eine anhaltende Briefkorrespondenz. Hanno bringt es zum Ingenieur, schreibt dem Freund von allen widersprüchlichen Gefühlen, den Schwierigkeiten, in der Fremde Fuß zu fassen. Manfred schildert die entbehrungsreichen Nachkriegsjahre und später sein nervenaufreibendes Dasein als Geschäftsführer einer DDR-Fabrik zwischen Planvorgaben, Mauscheleien und Behördenwillkür. Niemals verlieren sie sich aus den Augen, sie entwickeln sich persönlich weiter, gründen Familien. Als sie sich nach 44 Jahren wiedersehen, schreibt man bereits das Jahr 1992 …

Fazit

Kann eine Freundschaft allen noch so widrigen Umständen trotzen? Liest man die Erinnerungen von Hanno Speich, bleibt wohl kein Zweifel: Ja, sie kann.

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Gut lesbar und facettenreich bündelt das Buch die großen Umstände der Zeit vom Zweiten Weltkrieg über die Blockkonfrontation bis zum dynamischen Wendeherbst und dem wiedervereinigten Deutschland, lässt sie immer wieder aufscheinen und beleuchtet deren direkte Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Doch neben diesen geschichtlich anregenden Impulsen geht es noch um viel mehr – um einen endlosen Fundus an Erinnerungen, um Abenteuer, Freundschaft, Erfolge, Niederlagen, menschliche Enttäuschungen, Entwicklungen und natürlich auch die Liebe. Genau die Dinge also, die ein Leben erst lebenswert machen und auf die man irgendwann erhaben zurückblicken möchte. Der Leser durchwandert mit den Protagonisten über vier Jahrzehnte und erlebt sie in dieser langen Periode auch durchaus verändert, so wie den gesamten Zeitgeist. Kleine Minuspunkte gibt es leider trotzdem – vor allem für Ungenauigkeiten, die nicht hätten sein müssen. Der angebliche Satz des Sowjetführers Gorbatschow „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ von 1989, der zwar berühmt, aber in dieser Form wohl nie gefallen ist, mag als Beispiel genügen. Trotzdem: Ein durchaus spannendes Buch, die tief berührende Geschichte einer besonderen Verbindung, die es sich zu lesen lohnt. Historisch nicht immer ganz einwandfrei. Aber doch irgendwie zutiefst menschlich.                                                  

352 Seiten • 14,95 € 

  • Über den Autor: Hanno Speich, geboren 1933 in Leipzig, floh 1948 nach Triest, studierte Ingenieurwissenschaften und promovierte, war dann bis zur Pensionierung Manager eines Mailänder Unternehmens.

Veranstaltungstipp: Am 3. November 20156 um 19 Uhr in der BStU Außenstelle Leipzig findet die Lesung zu „Unzertrennlich trotz Mauer und Eisernem Vorhang“ statt. Hanno Speich wird aus Italien anreisen. Auch sein Leipziger Freund Manfred wird dabei sein. Moderiert wird die Veranstaltung durch Herrn Prof. Dr. Bernd Lindner (Kulturhistoriker und -soziologe). Es liest Alexander Suckel, Musikalischer Leiter des Schauspiels, Regisseur und Dramaturg am neuen Theater Halle.