„Glück kannst du dir nicht kaufen, also genieß die Achterbahn“ Buddy Buxbaum über Deichkind, langweiligen Rap und orgastische Gefühle

Buddy Buxbaum, Deichkind-Gründer, kommt solo mit „Unkaputtbar“ um die Ecke. Im Interview spricht Buddy über Deichkind, sein Debüt und den heutigen Hip Hop.

© Benne Ochs
Buddy who? Buddy Buxbaum. Wohl besser bekannt als Buddy Inflagranti oder Buddy Roulette – seines Zeichens Deichkind-Gründer und Rapper. Vor sieben Jahren verließ Herr Buxbaum die Hamburger Hip-Hop- und Electropunk-Formation, als es ihm zu “doll wurde mit diesen ganzen Techno-Stil-Beballerungen“. Nun kommt er solo mit „Unkaputtbar“ um die Ecke und singt u.a. über Tage im Park und eine Pause vom Hitec Overload, damit auch mal wieder das Grinsen zurückkehrt. Im Interview spricht Buddy über Deichkind, sein Debüt und den heutigen Hip Hop.




Wie bist du auf den doch etwas anderen Sound von „Unkaputtbar“ gekommen?
Ich habe durch Deichkind in alle Genres reingeschnuppert. Das Ganze ist ja auch immer bunter und doller geworden über die Jahre. Und da fand ich, dass ich mal so einen entschleunigten Sound machen muss, bei dem man mal alles auf das Wesentliche runterreduziert: nämlich Musik und nicht so viel Show.


Es ist tatsächlich etwas völlig anderes als der Deichkind-Style.
Für mich war nach dem Ausstieg bei den Jungs diese Musikader so ein bisschen eingeschlafen. Durch das viele Getoure und diese ganzen Beballerungen mit dem Technostil, was ja nicht wirklich meins ist, waren die Antennen ein bisschen abgestumpft. Da musste ich mich erst mal ein Jahr musikalisch komplett neu sortieren, damit ich wieder Lust kriege, Musik zu machen und um zu gucken, wo musikalisch mein Platz eigentlich ist. 


Und? Wo ist der?
Ich habe natürlich ganz viel Rap gehört, aber auch viel alten Soul-Kram – das hat mich eigentlich inspiriert. Und parallel dazu gab es dann halt die ganze Lady-Gaga-Bewegung, wo alles bunter, doller und irgendwie auffälliger und krasser sein musste. Dagegen habe ich mich so ein bisschen gesträubt. Ich wollte dann einfach nur das komplette Gegenteil machen: Nämlich mit meinen Jungs händisch gut gemachte Songs und Country- oder Bluesballaden – einfach alles runterreduzieren und nicht diesen ganzen Hightech-Wahnsinn mitmachen.
 
Wirklich Lust aufs Rappen hattest aber du nicht?!
Nö, auf den letzten Metern dann. Mein Pianist Jansen sagte: „Oh man, da ist ja gar kein Rap drauf.“ Also habe ich dann, als ich die Songs fertig gemacht habe, noch zwei Raps für Jansen draufgehauen.
 
Warum werden so viele Rapper/Hip Hopper zu Liedermachern; siehe Jan Delay, Clueso, Max Herre, du? Kannst du dir diese Entwicklung erklären?

© Benne Ochs
Bei mir war es so, dass man ja auch viel lernt mit diesem ganzen Hip-Hop-Sample-Fundus, bei dem man so viele Songs, Platten, Songs und Genres hört. Und für mich zumindest ist es irgendwann ein bisschen langweilig geworden mit dem 4-Takte-, 8-Takte-Loop, wo sich immer alles ständig wiederholt auf so einer Samplebasis. Ich dachte mir, da muss doch noch mehr gehen. Und irgendwann kitzelte die Kreativität dann noch mehr raus.
Man hat einfach irgendwann das ganze Rap-Genre abgegrast und alle Raps gekickt, die man so machen kann. Ich persönlich, bin ja mehr auf der Suche nach dem perfekten Song – den gibt’s wahrscheinlich gar nicht. Aber den für mich zumindest rundesten Song in sich. Das muss ja gar nicht mit so viel Worten oder Rap sein, sondern mit ganz einfachen Mitteln auf den Punkt bringen – und wenn er Spaß bringt und funktioniert, ist das viel wichtiger, als wie viele Silben man da nun reinballert. Bei mir hat sich das so ein bisschen mit diesem Rapeffekt ausgebremst. Mich hat das nicht mehr gereizt und inspiriert. Ich finde mittlerweile das klassische Songwriting und Blues- und Funkgeschichten spannender als Computerloops mit Rap. Wahrscheinlich ist das bei vielen so.


Du suchst, obwohl es ihn wahrscheinlich nicht gibt, den perfekten Song. Hast du ihn denn ansatzweise gefunden?

Für mich ist „Ballast“ schon ziemlich nah dran. Es ist wahrscheinlich die beste Nummer, die ich bis jetzt geschrieben habe. Und das ist ja echt nur Klavier und Gesang. Da haben wir uns auch bewusst gegen Beat und Bass entscheiden, sondern für die Intimität der Nummer und dem Thema. Wie gesagt, ich glaube den perfekten Song gibt’s gar nicht. Am Ende ist es das in sich runde Zeitdokument, was dann irgendwie im besten Fall … (überlegt) unkaputtbar ist (lacht).


Hat dir die Bühnenarbeit in den letzten sieben Jahren eigentlich gefehlt oder eher weniger?
Ach, ich laufe gerade wieder warm. Die ersten Proben stehen an. Und das schockt total (lacht). An sich bin ich schon der Typ, der orgastische Gefühle kriegt, wenn der Song geknackt ist und ich schon im Studio merke, dass der langsam rund wird. 



Was hast du Positives aus der Deichkind-Zeit mitgenommen?
Die Unberechenbarkeit habe ich mir auch nach der Deichkind-Zeit beibehalten. Wir wollten quasi immer diesen Beastie-Boys-mäßigen Überraschungseffekt bewahren. Dass einfach keiner weiß, was als nächstes kommt. Das mag ich auch immer noch sehr gerne. Deswegen sind die Videos auch so unterschiedlich. Ich mag es, wenn man nicht berechenbar ist.


Vermisst du Deichkind und das Arbeiten mit den Jungs manchmal?
Prinzipiell schon. Aber wir haben uns auch sehr auseinanderentwickelt. Die Basis ist mittlerweile wieder da und wir treffen uns auch privat ab und an. Aber musikalisch vermisse ich es nicht wirklich, weil ich mich ja auch weiterentwickelt habe und das jetzt so weit weg ist von dem, was wir damals gemacht haben – die ganzen Epochen durch – dass es musikalisch keine große Schnittmenge mehr gibt. 



Beobachtest du eigentlich noch die derzeitige Rap- und Hip Hop-Szene?
Ehrlich gesagt, schalte ich oft ab, weil es mich nervt. Aber teilweise ist es auch total spannend, was da jetzt für eine Generation heranwächst – da gibt’s z.B. die Sichtexot-Gruppe und der Kreis um Dexter herum. Das sind echt gute MCs, die auch musikalisch fit und eigen sind. 
Aber diese ganze erfolgreiche Chose – die langweilt mich. Das ist halt echt nichts Neues. Die gab es 1999 auch schon – und na ja, jetzt ist es halt erfolgreich. Insofern wundert es mich, warum da Millionen Klicks dahinterhängen und wie viele darauf abfeiern. So richtig verstehen kann ich es nicht (lacht). Ich bin auch schon eine Generation drüber. Da komme ich mir dann auch alt vor, weil ich nicht checke, warum das jetzt fresh sein soll (lacht).
 
Was langweilt dich denn?

© Benne Ochs
Ich habe das ja echt lange gemacht – ich kann das auch noch (grinst). Aber es nicht so richtig spannend für mich. Prinzipiell ist Rap – wenn er gut gemacht ist – und der Typ und der Inhalt stimmt, ja total spannend. Aber an sich ist es musikalisch mittlerweile ziemlich viel Einheitsbrei. Und dieser ganze Aggro-Straßen-Berlin-Rap – weiß nicht – da bin ich rausgewachsen. Das gab es alles schon mal. Und jetzt gibt es auf einmal wieder einen neuen Boom. Die Qualität wächst auf jeden Fall. Vor Jahren hieß es, dass der Hip Hop in Deutschland tot sei. Und jetzt sind halt ganz viele neue alte Pilzköpfe nachgewachsen. Insofern ist es schon eine geile Entwicklung, wie das Ganze boomt. Und ich gönne das ja auch allen. Bloß das musikalische Niveau … na ja … wächst noch langsam vor sich hin.
 
Kannst du mir ein Beispiel nennen?

Bevor man wieder groß Namen aufzählt, wen man mag und wen man nicht: Das letzte, was ich gesehen habe, war Chefket, der eine neue Nummer herausgebracht hat. Die ist auf einem verdammt hohen Niveau, total cool und braucht sich vor Ami-Produktionen nicht verstecken – die hält komplett Schritt. Aber es ist halt auch komplett klassisch Hip Hop. Als ich das noch gemacht habe, habe ich das vermisst und jetzt ist es so im Übermaß da.
Ich habe auch das Gefühl, dass die Kids heute leider die Musik durch Businesszahlen, Klicks und Chartplatzierungen beurteilen. Das ist ein bisschen komisch. Nach dem Motto: Der kann nicht gut sein, der hat nur 500.000 Klicks, und der andere hat 2,5 Millionen und ist damit automatisch der angesagtere also auch bessere Musiker. Das finde ich ein bisschen abstrus, wie sich das entwickelt hat – dass nach dem Erfolg zu messen und nicht wirklich die Mucke anzuhören und darauf zu achten, dass das Video vielleicht billig aussieht. 



Meinst du, das ändert sich wieder?
Bestimmt. So vor drei, vier Jahren war diese ganze Lady-Gaga-Rihanna-und Beyoncé-Chose groß mit den übertriebenen Videos, als man dachte, viel mehr kann man an Superlativen nicht mehr bringen. Dann gab’s wieder dieses ganze klassische Songwriter-Ding, wo alle nur noch die Gitarre in die Hand nehmen und probieren, ernsthafte Lieder zu bringen. Dieses ganze Organische und Akustische ist ja dann wieder gekommen. 

Du machst den kommerziellen Erfolg also nicht davon abhängig, wie es bei dir weitergeht?
Ich lebe davon so gut ich kann und will das auch weiterhin. Ich sträube mich auch, das zu müssen. Das hört man, glaube ich, auch an der Musik, dass es nicht zielgerichtet auf Radio oder Pop schielt. Man versucht ja immer einen Kompromiss zu finden, dass wenn es schon Pop ist, dann bitte aber auch cooler Pop. Und nicht so eine auffällig gewollte Erfolgsproduktion. Mir geht’s eigentlich immer um den einzelnen Song – dass der ein gutes Gefühl entwickelt.

 

Übrigens: Buddy Buxbaum tritt am 3. Februar 2016 in Berlin im Magnet Club auf.