Berlin historisch Charlottenburg – ein Kiez mit widerständiger Vergangenheit

Auch abseits von Kurfürstendamm und Kantstraße hat Charlottenburg Spannendes zu bieten. Zum Beispiel den Klausenerplatz, dessen Bewohner sich in der Vergangenheit erfolgreich gegen die Kahlschlagsanierung zur Wehr setzten.

Auch abseits von Kurfürstendamm und Kantstraße hat Charlottenburg Spannendes zu bieten. Zum Beispiel den Klausenerplatz-Kiez, dessen Bewohner sich in der Vergangenheit erfolgreich gegen die Kahlschlagsanierung zur Wehr setzten.

Klischees und Gegensätze

© flickr.com / CC2.0 / IK's World Trip
Charlottenburg – ein Gebiet voller Snobs, Chihuahua tragender It-Girls, Porschefahrer und Upper-Class-Avantgardisten? Der Bezirk im Nordwesten Berlins ist mit vielen Klischees beladen. Dass er diesen nicht überall gerecht wird, merkt jeder, der sich zum Beispiel einmal die Zeit nimmt, sich in den umliegenden Vierteln rund um das Charlottenburger Schloss herumzutreiben. Hier scheint der Bezirk gelassener, weniger auf  Äußerlichkeiten bedacht, bodenständig.

Wenngleich auch hier langsam die Gentrifizierung Einzug hält, so findet man doch, was aktuell vielerorts rasant verloren geht: Altberliner Charme. Bereits in den Achtzigerjahren kristallisierte sich insbesondere der Klausenerplatz-Kiez als Schutzraum für das alte Berlin heraus. Dabei sollte das Viertel damals eigentlich durch weitreichende Sanierungspläne völlig umgekrempelt werden.

Kahlschlagsanierung in den Siebzigerjahren

© flickr.com / CC2.0 / Olga Khomitsevich
Die Westberliner Siebzigerjahre stehen nicht nur für subkulturelle und musikalische Blüten, sondern ebenso für sozialweltliche Umwälzungen, die sich in der Stadtarchitektur niederschlugen: Der vom Senat damals gewollte und teilweise radikal umgesetzte Abriss von verfallenden Altbauten ging als Kahlschlagsanierung in die Berliner Geschichte ein. Gegen die damalige Praxis, alte Häuser durch Neubauten zu ersetzen, gab es viel Protest aus der Bevölkerung.

Die „Instandbesetzer“ forderten eine Erneuerung der alten Bausubstanzen, denn es ging nicht nur um altes Gemäuer, sondern auch um gewachsene soziale Strukturen, um Nachbarschaften und persönliche Beziehungen der Bewohner. Gerade für Geringverdiener  und alte Menschen waren diese Zwischenmenschlichkeiten äußerst wichtig. Dass die mit dem Abriss einhergehenden Umsiedlungen auch den Wegbruch dieser elementaren Netzwerke bedeuteten, war dem verantwortlichen Senat relativ gleichgültig.

Widerstand im Klausenerplatz-Kiez

© flickr.com / CC2.0 / Michael Fielitz
Während im überwiegenden Teil Charlottenburgs nur vereinzelt Hausbesetzungen stattfanden, gab es ein „kleines Dorf“, das den Abrissbirnen und Vorschlaghämmern Widerstand bot. Der sogenannte Klausenerplatz-Kiez zwischen Bismarckstraße und Spandauer Damm war schon zu Zeiten des Milieukünstlers Heinrich Zille (geb. 1858, gest. 1929) eine Hochburg linker Arbeiterverbände. Widerstand zu leisten, hat dort Tradition.

Nachdem zu Beginn der 1960er das Viertel zum Sanierungsgebiet erklärt worden war, wurden die Abrisspläne zum Ende des Jahrzehntes hin immer konkreter und dann auch schrittweise umgesetzt. Die enge Altbaustruktur mit mehreren Hinterhöfen sollte vor allem durch Abrisse im Blockinnenbereich und den Bau von Neubauriegeln aufgelockert werden. Doch die Pläne scheiterten: Verschiedene Gruppen – Studierende, die der günstige Wohnraum angezogen hatte, Alteingesessene und Hausbesetzer – schlossen sich zusammen und erkämpften für das Gebiet schließlich die endgültige Aufgabe der Sprengungen. Unter der Leitung des sozial orientierten Architekten Hardt-Waltherr Hämer (geb. 1922, gest. 2012) konnte um den Klausenerplatz herum eine fast idealtypische, behutsame Stadterneuerung realisiert werden.

Den Anwohnern wurde dabei Gehör geschenkt und man griff nur dort ein, wo tatsächlich Schaden bestand. So konnte über Jahrzehnte hinweg eine gut vernetzte Gemeinschaft weiterwachsen, die diverse Nachbarschaftsnitiativen hervorgebracht hat. Die Rebellion hat Früchte getragen – mitten in Charlottenburg.