neue Sportart Drei, zwei, eins, Jugg! Die Jugger in Berlin

Was geht denn hier ab? Auf dem Tempelhofer Flughafengelände geht es mit Lanzen, Morgensternen und Schilden ordentlich zur Sache. Die Jugger sind los!

© flickr.com / Jugger e. V. Berlin
Deutschlands Endzeit-Trendsportart Nummer eins findet immer mehr begeisterte Mitmacher. Wir stürzen uns ins Getümmel aus schweißgebadeten Leibern und mittelalterlichen Sportgeräten  

Das postapokalyptische Endzeitdrama „Blood Of The Heroes“ aus dem Jahr 1989 zählt sicher nicht zu den kommerziell erfolgreichsten Filmen, in denen Rutger Hauer eine Hauptrolle spielt. Vielleicht verhilft ihm dieser Film aber irgendwann noch ein mal zu einem denkwürdigen Red-Carpet-Auftritt während einer Olympia-Eröffnungsfeier. 

Vorbild: „Die Jugger – Kampf der Besten“

Wie das? Nun, wer sich in der jüngeren Vergangenheit mal auf dem riesigen Gelände des ehemaligen Tempelhofer Flughafens die Beine vertreten hat, der wird nicht umhin gekommen sein, eine Horde martialisch anmutender Damen und Herren zu bemerken, die von lauten Trommelschlägen und viel Geschrei begleitet mit langen Lanzen, Morgensternen und Schilden aufeinander losgehen. Spätestens jetzt sollte zumindest Kino-Experten ein Licht aufgehen. Denn was sich dort auf dem endlosen Grün in Berlins Süden abspielt, ist nichts anderes als die sportliche  Metamorphose eben jenes Rutger-Hauer-Films, der in Deutschland unter dem Titel „Die Jugger – Kampf der Besten“ veröffentlicht wurde. Statt Blut fließt hier aber nur Schweiß. Der allerdings in Strömen. „Jugger“, so der offizielle Name  dieser mittlerweile international beliebten Mannschaftssportart, ist nichts für Lauffaule. Und hier und da gibt es sicher auch mal einen blauen Fleck zu beklagen, wenn sich die beiden gegenüberstehenden Mannschaften mit gepolsterten Pompfen (so nennt man die Lanzen), Schaumstoff-Ketten und Schilden auf die Reise machen. Das Ziel? 

Der Hundeschädel aus Schaumgummi muss ins gegnerische Tor gebracht werden 

Der Berliner Jugger-Mit-Initiator Lester Balz klärt auf: „Im Grunde geht es darum, den Spielball, den sogenannten „Jugg“ (Hundeschädel aus Schaumgummi) so oft wie möglich ins gegnerische Tor zu bringen.“  Klingt erst einmal recht simpel. In Anbetracht der „Bewaffnung“ der Mannschaften und der daraus  resultierenden Möglichkeiten, Tore zu verhindern, kratzt sich der Laie am Spielfeldrand jedoch schnell am Kopf. Fragen kommen auf. Ein Spieler, der beispielsweise von einem Pompfenschlag oder einem Morgenstern getroffen wird, darf für die Dauer einer bestimmten Zeit nicht mehr aktiv ins Spielgeschehen eingreifen. Aber wer stellt bei diesem Gewusel fest, ob, wo und wann jemand getroffen wurde?  Haben die Beteiligten Sensoren an ihrer Spielkleidung befestigt? Nein. Müssten nicht mindestens ein Dutzend Schiedsrichter am Spielfeldrand stehen? Auch das ist nicht  der Fall: „Wir haben normalerweise nur vier Schiedsrichter am Start. Grundlage des Sports ist ein Fairplay-Kodex. Das heißt, dass jeder, der getroffen wird, sich auch dementsprechend verhält. Nur so funktioniert das Spiel. Andernfalls würden gerade eng umkämpfte Matches schnell aus dem Ruder laufen“, verrät uns Lars, der die Sportart im Jahr 1992 hierzulande mit aus der Taufe gehoben hat.  

Es werden mittlerweile nationale und internationale Turniere ausgetragen

© flickr.com / Jugger e. V. Berlin
Seitdem ist viel passiert. Neben dem Standort Berlin hat sich auch in Hamburg eine immer größer werdende Jugger-Szene gebildet. Auch im Rest der Republik sowie im Ausland greifen immer mehr Jugger-Begeisterte zu Pompfen, Q-Tip und Kette. Es werden mittlerweile nationale und internationale Turniere und Meisterschaften ausgetragen. Lester freut sich über den nicht enden wollenden Siegeszug „seines“ Sports, auch wenn man von professionellen Bedingungen noch weit entfernt ist: „Es gibt zwar schon vereinzelte Sponsoren, die mit auf den Zug springen. Aber Geld verdienen kann man als Jugger nicht. Dafür fehlt es noch an einer flächendeckenden Struktur. Die steckt noch in den Kinderschuhen. Daran arbeiten wir fieberhaft. Aber, wer weiß? Wenn in ein paar Jahren alle Jugger dieser Welt in puncto Regeln und Spielbetriebsmodalitäten an einem Strang ziehen, würde einer Professionalisierung nicht mehr viel im Wege stehen“, gibt sich Lester hoffnungsvoll. Der Spaß solle aber immer im Vordergrund stehen, so der Berliner. Dabei sein und mitmachen sei alles. 

Klingt nach Olympia. Lester lacht: „Ja, da habe ich mich tatsächlich schon mal umgehört. Die grundlegenden Bedingungen für eine Olympia-Bewerbung erfüllen wir mittlerweile schon. Aber, wie gesagt, strukturell muss sich noch einiges tun.“ Also, lieber Rutger Hauer. Noch musst du dich für deinen vielleicht größten Auftritt ein bisschen gedulden. Hat sich der gute Rutger eigentlich in den vergangenen 25 Jahren mal zur Sportart geäußert? „Er selbst nicht“, sagt Lester. Aber der eigentliche Jugger-Vater David Web Peoples, seines Zeichens Regisseur und Drehbuchautor des Films, habe sich dahingehend schon des Öfteren begeistert öffentlich zu Wort gemeldet. In diesem Sinne: Drei, zwei, eins, Jugg! Möge der Pompfen mit euch sein.  

Text: Kai Butterweck 

 

INFO: Trainingszeiten auf www.jugger-berlin.de