"Die Bildzeitung weiß nichts von meiner Existenz, weil ich zu uninteressant bin." Gregor Meyle über Glück, Leipzig und Musik

Im Interview sprechen wir mit Gregor Meyle über seinen Werdegang, Erfolg, Glück und die „Knallerstadt“ Leipzig.

Gregor Meyle ist Vollblutmusiker und startete 2008 seine Bühnen- und Fernsehkarriere. Mittlerweile brachte der Singer-Songwriter fünf Studioalben heraus, veröffentlichte ein Buch und hat seine eigene TV-Sendung. Wir sprachen mit ihm über seinen Werdegang, seine Erfolge und seine Vorstellung vom Glück.

Das zweite Album „Meylensteine Vol.2“ zur gleichnamigen Sendung erschien vor kurzem. Im Rahmen der Sendung triffst du Musiker wie Helene Fischer oder die Sportfreunde Stiller. Alle machen unterschiedliche Musik und du musizierst mit ihnen. Gibt es ein Genre, in dem du dich besonders wohlfühlst?

 

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Ich mag einfach Musik, die Seele hat. Die Stilrichtung ist mir eigentlich wurst. Ich höre Jazzmusik, Klassik und liebe die Foo Fighters. Ich bin mit Rise Against The Machine und Alice in Chains – also richtiger Rockmucke – aufgewachsen. Ich stehe dafür, dass ich, so ein bisschen wie der Onkel Hip, als Musiker mit allen irgendwie kann. Das ist auch bei Meylensteine die tolle Herausforderung. Wenn ich nur meine Singer-Songwriter Kumpels einladen würde, wäre die Sendung lange nicht so interessant. Denn je größer der Kontrast, desto größer und aufregender ist dann das, was man draus macht. Man lernt nie aus und es ist schön, mit verschiedenen Musikrichtungen aufzuwachsen. Man würde sich selbst restringieren, wenn man sagen würde: „Nur das ist genau mein Ding.“ Ich schreibe natürlich viele Balladen, das ist mein Steckenpferd, aber wir haben auch schon sehr viel gerockt in unserem Leben.

Du bist bekannt für deine persönlichen Lyrics. In einem Zitat von dir heißt es: „Ein guter Musiker fühlt, was er spielt.“ Fällt es dir nach fünf Studioalben schwer, neue Themen, Emotionen und Probleme anzusprechen, zu denen du einen persönlichen Bezug hast?

Man hat schon alles gesehen, gehört und gelesen. Das erste Ausschlaggebende bei der Musik ist für mich, dass man sie nicht dementiert. Ich kann mir vorstellen, irgendwann mit einem dreißigköpfigen Gospelchor eine Platte aufzunehmen oder irgendwo in Afrika mit einem Ureinwohnervolk irgendwelche Klänge zusammenzuschrauben oder mit irgendwelchen Schotten …

Das zweite ist, dass durch Musik und die Stimmung, die Musik erzeugt, automatisch ein Thema aufkommt. Es gibt viele Musiker, die den Text geschrieben bekommen und sie komponieren dann die Musik dazu. Das ist auch eine Variante. Ich mache Musik und die Texte kommen eigentlich automatisch. Das ist kein Hexenwerk. Man setzt sich hin und spielt ein bisschen Gitarre oder Klavier und irgendwann kommen ein paar Worte um die Ecke. Sobald man zu viel darüber nachdenkt oder es analysiert, wird es beschissen. Man muss einfach sagen: Hey, für mich ist das etwas Neues und mich berührt es. Ganz neu gibt es überhaupt nicht, sowie in der Literatur. Da ist auch schon alles geschrieben und trotzdem kommen neue spannende Bücher raus.

In deinem Song „Die Leichtigkeit des Seins“ singst du darüber, dass wir zu viele Luxusprobleme haben und dass das Glück vor allem aus Bescheidenheit besteht. Nun warst du in den letzten Jahren sehr erfolgreich. Genießt du nicht diesen Erfolg und den damit verbundenen Luxus und macht dieser dich nicht auch glücklich?

Es gibt Dinge, die mich nichts kosten und die mich glücklicher machen. Klar ist es toll wenn man sagen kann: Hey, das leiste ich mir jetzt. Für mich ist es aber wichtiger, dass ich weiß, wo ich herkomme und dass es mir, meiner Familie und meinen Freunden gut geht. Alles andere sind wirklich Luxusprobleme. Ich arbeite viel und ich arbeite gerne. Musik ist absolut meine Berufung und Leidenschaft und eigentlich fange ich gerade erst an. Ich nehme Gitarrenunterricht. Für Gesangsunterricht habe ich keine Zeit, aber ich versuche mich weiterzubilden. Jetzt das Klavier noch irgendwie mitzunehmen … Das hört nie auf. Man ist immer hungrig auf neue Sachen. Das ist das Entscheidende. Und diesen Hunger darf man als Musiker nie verlieren. Sobald man ein Album veröffentlicht hat, denkt man schon über das neue nach, so ähnlich wie bei der WM.

Das erste Mal im Fernsehen hat man dich 2007 in einer Castingshow von Stefan Raab wahrgenommen. Würdest du dich selbst als Casting-Star bezeichnen?

Das kann man eigentlich schon so sagen. Mein Bruder und ich nennen mich immer Castingshowfutzi. Das ist teilweise ein bisschen in Vergessenheit geraten, aber mir ist es schon bewusst. Wenn ich bei dieser Castingshow damals nicht mitgemacht hätte, würde ich jetzt hauptberuflich keine Musik machen. Es war ein unfassbares Sprungbrett. Ich war damals schon ein bisschen älter, aber für mich war es ein absolutes Highlight, weil ich wusste, dass sich vielleicht mein ganzes Leben ändern kann. Du setzt alles auf eine Karte. Ich habe drei Monate von meinem Ersparten gelebt. Ich war zehn Jahre freier Tontechniker und habe dann zu meinem damaligen Disponenten gesagt: „Du brauchst mich die nächsten Monate gar nicht anrufen. Ich bin erst mal raus.“ Der ist aus allen Wolken gefallen. Dann hat es sehr geil geklappt am Anfang. Nach einem halben Jahr ist es wieder ruhiger geworden. Jetzt ist mein eigentlicher Erfolg, dass ich das machen kann, was ich immer wollte. Ich wache auf und weiß: Ich mache Musik und ich kann davon leben und meine Familie ernähren. Das ist ein Träumchen, was in Erfüllung gegangen ist. Und das hat alles in diesem professionellen Rahmen mit der Castingshow angefangen.

Jan Böhmermann kritisierte vor kurzem Max Giesinger und die deutsche Industriemusik. Unter anderem warf er den deutschen Künstlern vor, unpolitisch zu sein und sich nur mit unwichtigen Themen wie „Menschen, Leben, Tanzen, Welt“ usw. zu beschäftigen. Fühlst du dich angesprochen?

Ich habe es mitgekriegt, weil Max in einem Interview darüber gesprochen hat. Generell ist es doch so: Wenn dich jemand wie Böhmermann verarscht oder in sein Programm mit einbezieht, dann hast du es schon geschafft. An Staatspräsidenten traut er sich nicht mehr ran, jetzt müssen halt irgendwelche Musiker dran glauben. Die nehmen das auch nicht so ernst und werden ihn auf jeden Fall nicht mit einstweiligen Verfügungen belästigen. Ich fühle mich nicht angegriffen. Jans Job ist es eben, sich über Menschen lustig zu machen. Für viele Leute, die in der Öffentlichkeit stehen, wie Helene Fischer zum Beispiel, ist es bestimmt schon belastend, wenn täglich irgendwelche Scheiße über sie in der Zeitung steht. Die Bildzeitung weiß nichts von meiner Existenz, weil ich zu uninteressant bin. Trotzdem kommen Leute zum Konzert. Das ist eine super Mischung. Man ist so erfolgreich, dass man eine Band bezahlen und Konzerte spielen kann, zu denen Leute kommen und trotzdem steht man nicht so in dieser großen Öffentlichkeit. Ich möchte nicht bekannt sein, weil irgendwas über mich in der Zeitung steht, sondern wegen meiner Musik. Ich weiß nicht, inwieweit sich Jan mit meiner Mucke beschäftigt hat, aber alle Songwriter, die ich kenne, finden, dass das ein Knaller ist, dass jemand wie Böhmermann aus so einer Kritik einen Verarschesong macht.

Am 19. August 2017 besuchst du auf deiner Tour Leipzig und spielst auf der Parkbühne GeyserHaus. Verbindet dich etwas mit unserer Stadt?

Leipzig ist eine Knallerstadt, das kann man nicht anders sagen. Sie wurde viele Jahre unterschätzt. Die Leute sind sehr entspannt, gut drauf und haben Bock. Aus allerlei Interessenrichtungen kommen sie angeeiert. In Leipzig findet viel Kultur statt und es ist trotzdem noch so übersichtlich, dass man sich nicht verliert. Ich bin gerne da. Das Gute an der ostdeutschen Mentalität ist, dass es sich eigentlich keiner erlauben kann, zum Snob zu werden, weil der sofort mit einer sehr direkten Schnauze die Meinung gesagt bekommt.

Info: Falls ihr Gregory Meyle gern live erleben wollt, kann es nicht schaden, einen Blick auf unsere Gewinnspiele zu werfen.

Am 11. August 2017 könnt ihr ihn live in der Festung Mark in Magdeburg, am 31. November 2017 in der Columbiahalle in Berlin und am 8. Dezember 2017 im Alten Schlachthof in Dresden erleben.