One Love Marvin Brooks im Interview: Große Hooks und afrikanisches Timbre

Sportler, Rapper, Viral-Star („Unity“) – Marvin Brooks hat vieles ausprobiert, war in vielem gut. Im Interview spricht der Schöneberger über seinen Heimatbezirk und die vereinende Qualität seiner Musik…

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Sportler, Rapper, Viral-Star („Unity“) – Marvin Brooks hat vieles ausprobiert, war in vielem gut. Im Interview spricht der Schöneberger über seinen Heimatbezirk und die vereinende Qualität seiner Musik…

Du bist als Kind noch vor dem Mauerfall nach Berlin gezogen. Wie hast du das Schöneberg der frühen Tage in Erinnerung?

Meine Eltern sind nach Berlin gezogen, als meine Mutter mit mir schwanger war. Erst haben wir in der Uhlandstraße in einer 1-Zimmer-Wohnung gelebt und sind dann nach Schöneberg gezogen. Ja, meine Kindheit war eigentlich cool! Ich hatte nie das Gefühl, ich sei das einzige schwarze Kind. Stadt und Bezirk waren damals multikulti – Westberlin speziell.

Rassismus war kein Thema?

Nie das große. Doch natürlich hast du an gewissen Orten immer noch gemerkt: Okay, ich bin nicht ganz akzeptiert. Speziell in der Jugend wurde es dann offensichtlicher, als ich anfing Musik zu machen und in verschiedenen Teilen Deutschlands zu spielen. Nichtsdestotrotz, meine Mutter hat immer dafür gesorgt, dass ich achtsam war. In gewisser Weise habe ich mir so eine harte Schale aufgebaut. Als ich mit 17 in einer Bar in Hohenschönhausen arbeitete, um meinen Führerschein zu finanzieren, gab es die ersten krass negativen Erfahrungen. Wenn ich nachts mit Bus oder Bahn Richtung Schönefeld zurückfuhr, war das war mit sehr viel Angst verbunden. Gott sei Dank hat mich meine Körperstatur immer davor beschützt, dass etwas Größeres passierte.

Schöneberg ist ein wichtiger Anker für die ghanaische Community in der Stadt…

Ja, gerade Friedenau, doch die ghanaische Gemeinde ist sehr weit verbreitet in Berlin. In meiner Jugend waren wir oft zu Besuch bei Freunden meiner Mutter im Märkischen Viertel, in Spandau, Wedding oder Neuköln – quasi in den sozialen Brennpunkten, obwohl das zu hart gesagt ist. Ghanaer suchen eigentlich  immer nach Frieden und Ruhe, aber natürlich auch nach günstigen Mieten, deswegen sind alle verstreut, doch durch die regelmäßigen ghanaischen Partys sind alle miteinander connected. Übrigens kennt jeder in der ghanaischen Community meine Mutter: Sie war die erste schwarze Postbotin.

Nach einiger Zeit in Hamburg lebst du heute wieder in Berlin. Spürst du Veränderungen zu damals?

Es herrscht schon immer noch dieses Multikultigefühl, aber machen wir uns nichts vor: Die Menschen sind viel frustrierter als früher. Das ist leider eine Entwicklung, die ich in Deutschland im Allgemeinen beobachte: Die Leute gucken nicht nach rechts und links, sondern kümmern sich nur noch um sich selbst. Früher haben wir beim Nachbarn geklingelt, um nach Zucker zu fragen – das machen wir heute fast nicht mehr.

Deine liebsten Orte im Bezirk?

© Niculai Constantinescu
Einer meiner absoluten Lieblingsorte ist auf dem Dach bei einem Kumpel in der Nähe vom Innsbrucker Platz. Da hatte ich früher auch mein Studio und da ist auch die Terrasse, auf der wir das „Unity“-Video gedreht haben. Die ist riesig und gibt dir einen Ausblick über die ganze Stadt. Gleichzeitig hat man da eine gewisse Ruhe im Großstadtdschungel – ein totaler Inspirationsort und Ruhepol für mich. Auch am Rathaus Schöneberg bin ich sehr oft. Es ist der Park dort, der mich mit meiner Kindheit verbindet, und ich bin dort joggen gegangen, als ich noch geboxt habe. Auch mein Kindergarten war dort. Rund um das Rathaus ist alles meine Kindheit.

Dank deiner persönlichen Geschichte vereinen sich viele Orte in dir. Wo und inwiefern findet das in deiner Musik Ausdruck?

Ich würde meine Musik als Afropop bezeichnen. Ich sage immer ich bin „the best of both worlds“, also Deutschland und Ghana. Die Art, wie ich Musik schreibe, ist definitiv Pop: Ich denke immer in großen Hooks, will immer große Refrains schreiben, die alle mitsingen können. Gleichzeitig habe ich den Rhythmus und das Timbre aus Afrika, das spüre ich immer wieder.

Was ist dir das Wichtigste an deiner Musik?

Ich möchte Menschen vereinen, egal woher sie kommen. Ich möchte , dass die Message, die ich in meine Songs zu verpacken versuche, bei den Menschen ankommt und ihnen vor allem Denkanstäße gibt. Es ist mir persönlich ganz wichtig, dass wir alle versuchen, einander näher zu kommen, und das versuche ich mit meiner Musik zu vermitteln.

Infos: Marvin Brooks hat gerade das Album „The Strongest Survive“ veröffentlicht, mehr bei Motormusic