Einar Stray Orchestra: "Dear Bigotry" und Pain of Salvation: "In The Passing Light Of Day" Hingehört – Plattenkritik: Einar Stray Orchestra und Pain of Salvation

Wir haben für euch in „Dear Bigotry“ von Einar Stray Orchestra und „In The Passing Light Of Day“ von Pain of Salvation reingehört.

Hingehört I: Einar Stray Orchestra – „Dear Bigotry“ 

Es war einmal in Norwegen …

© Christian Zervos

Die Geschichte des Einar Stray Orchestra klingt wie ein Internetmärchen: Mit 16 Jahren nahm der Norweger Einar Stray experimentelle Musik in seinem Schlafzimmer auf und lud sie auf Myspace hoch. 2006 wurde er dann von namhaften Musikproduzenten entdeckt. Heute steht Einar mit einer Hand voll Freunden auf der Bühne und bietet progressiven Post-Rock. Schlagzeug, Bass, Klavier, Cello und Einars tiefe, klare Stimme sind die Kernzutaten der gleichzeitig poppigen und progressiven Songs von „Dear Bigotry“. Soweit so gewöhnlich. Was nicht so gewöhnlich ist, ist das Songwriting. In jedem der 10 Stücke steckt eine pfiffige musikalische Idee: „Caravelle“ wartet mit einem ungeraden Drumbeat auf, zu dem sich ein pulsierender Bass und eingängiger Gesang gesellen.

„Glossolalia“ beginnt mit einer Klangcollage aus Sprachsamples und Instrumentation à la Avo Pärt, bis sich das Stück in einen düsteren Zusammenbruch steigert. Und bei „See You Sin“ erwartet euch eine impressionistisch anmutende Klavierballade, die nur mit Flügel und Gesang auskommt. Hier merkt man den einzigen Schwachpunkt der Scheibe: Einars Stimme. Zwar hat sie eine angenehme Klangfarbe und ist, wie auch der Rest des Albums, hervorragend produziert, doch ohne die sonst omnipräsente zweite weibliche Stimme fallen die Facettenarmut und das fehlende Volumen auf. Das ist aber ein verschmerzbarer Kritikpunkt in Anbetracht der zentralen Qualität dieses Albums: Die Verbindung von musikalischer Cleverness und potenzieller Ohrwurmität. Einen Blick ist übrigens auch das Artwork der CD und der Website wert. Hier werden Stimmung und Qualitäten der Musik sehr gut eingefangen. Neugierig geworden? Am 25. April 2017 könnt ihr die Norweger im UT Connewitz bestaunen.                   

Hingehört II: Pain of Salvation – „In The Passing Light Of Day“ 

 

Dem Tod die Hand schütteln 

© Lars Ardave

Ein neues Pain-Of-Salvation-Album ist für jeden rockaffinen Musikus immer ein Ereignis, weiß man doch nie, welchen Stil die Herren nun wieder ausgewürfelt haben. Von Coveralben im Jazzgewand über Ausflüge in Folk und Crossover, der musikalische Kompass der Schweden hat sich in der Vergangenheit schon oft gedreht. Trotzdem durfte man den Progrockern immer schon einen originären Klang attestieren, so auch bei „In The Passing Light Of Day“. 2017 ist der musikalische Norden der Band wieder angenehm rau und impulsiv. Das mag vor allem mit der lebensbedrohlichen Krankheit von Sänger und Klampfer Daniel Gildenlöw zu tun haben. Tatsächlich wird der Hörer bei dieser Scheibe Zeuge aller emotionalen Stadien einer solchen Erfahrung: Wut, Verzweiflung, aber auch Hoffnung finden sich in den atmosphärisch dichten und mit intimen Lyrics versehenen Songs.

Wer sich darauf einlässt, erhält hier einen erschütternden Einblick in den Geist eines Mannes, der bereits dem Tod die Hand geschüttelt hat. Trotzdem fehlt es dem Album nicht an progressiver Würze. Polyrhythmen, Gesang von Kastrat bis düster gesprochen, machen aus dieser Platte alles andere als ein Zwischendurch-Album. Dafür lohnt es sich, auch die sperrigeren Stücke wie den 15 Minuten langen, und zugegeben etwas pathetischen, Titeltrack durchzuhören. Immer wieder überraschen die Kompositionen mit frischen Ideen, ohne je frickelig oder zu komplex zu werden. Etwas Affinität zu Rockmusik, Zeit und ein gutes Glas Wein vorausgesetzt, kann dieses Album eine bereichernde emotionale Reise sein. Man sollte allerdings damit rechnen, sich nach dem Verklingen des letzten Tons nicht unbedingt beschwingt aus dem Sessel zu erheben.