The Kills: "Ash & Ice" und "Alfred Quest: Midlife Wellness" Hingehört – Plattenkritik: The Kills und Alfred Quest

Wir haben bei The Kills: „Ash & Ice“ und „Alfred Quest: Midlife Wellness“ ein Ohr riskiert und unseren Eindruck für euch festgehalten.

 Hingehört I: The Kills – „Ash & Ice“ 

Fragile Coolness

© Kenneth Cappello
Die ersten Sekunden von „Ash & Ice“ hinterlassen ein seltsames zwischen-den-Welten-Gefühl. Elektronische Beats treffen hier auf einen Gitarrensound, der auch auf einem Led- Zeppelin-Album nicht fehl am Platz gewesen wäre. Was die beiden Individual-Rocker Alison Mosshart oder auch VV und Jamie Hince alias Hotel auf ihrem neuen Album abliefern, schafft es, punkig-unaufgeregte Coolness in ein modernes Klanggewand zu hüllen, ohne dabei den low-fi Charme der wohlig rauschenden 70er-Jahre-Mikros einzubüßen.
Die 13 Songs des Albums werden meist von VVs Stimme und den ikonischen Riffs von Gitarrist Hotel getragen, gehen dabei in ihrem Energielevel aber nie über ein in-den-Sonnenuntergang-Cruisen hinaus. Dass die Songs trotzdem nicht langweilen, liegt vor allem an VVs Stimme, die nicht nur coolen Sexappeal ausstrahlt, sondern mit ihren teils ungewöhnlichen Melodien auch angenehm düster daher kommt. Da wundert es nicht, dass sogar Mr. Jack White die Sängerin für ein Side-Project angeheuert hat. Straighte Rocksongs („Impossible Tracks“), mitreißende Balladen („Echo Home“) und tanzbaren Düster-Pop („Let It Drop“) hält das Machwerk bereit. Dabei verschmilzt der 2-Dollar-Gitarrensound mit Synthiecollagen und mal elektronischen, mal analogen Rhythmen zu einer Atmosphäre, die lässig und fragil zugleich erscheint. Asche und Eis eben. Einzig die richtig wilde Seite des Duos bleibt dem Hörer verwehrt – schade. 

 Hingehört II: Alfred quest – „Midlife Wellness“ 

Wellness für die Seele

© Luise Zuecker
Schnell ist sie geworden, unsere Welt. Während wir auf den Smartphones von morgen die Technologien von übermorgen shoppen und gestresste Anzugmenschen mit Handy am Ohr zum nächsten Termin hetzen, sitzen Alfred Quest im sonnendurchfluteten, kreisrunden Turmzimmer ihrer unsanierten Altbauwohnung und huldigen der akustischen Tiefenentspannung.
Das Debütalbum des elektronischen Quartetts aus Erfurt enthält 10 entschleunigte Instrumentalstücke, die grundsätzlich nach dem Schema „Beat und Fläche“ funktionieren. Elektronika, Piano, Kontrabass, Gitarre, Streicher und allerhand Samples sorgen dabei für eine schöne Klangfarbenvielfalt. Lässt man sich in die organischen Klanglandschaften fallen, stolpert der geneigte Hörer auch über so manche Finesse in den Kompositionen: etwa bei „Neun über vier“, wo verschiedene Taktschemen gegeneinander laufen. Um ihrem Opus den letzten Schliff zu verpassen, sind die vier Klangfetischisten in die nahen Havelberger Waldgebiete gefahren, um die klingenden Reflexionen ihres Machwerks direkt am Busen der Natur aufzunehmen. Das komplett in Eigenregie und mit viel Liebe zum Detail aufgenommene und produzierte „Midlife Wellness“ ist vieles nicht: nicht spektakulär, nicht überraschend, nicht wirklich tanzbar – und das will es auch gar nicht sein. Alfred Quest setzen auf musikalisches Understatement und geben so dem Trend der Ultra-Kompression kontra. Wer eine klingende Oase in der Welt des Immer-schneller sucht, findet hier ein Album für besondere Stunden.