Interview mit Schiller „Ich bin froh, dass ich mein Studio aufgelöst habe.“

Im Interview erzählt Schiller von seinen Stationen Berlin und Los Angeles, dem nötigen Abstand zur Großstadt und der „Künstler-Titanic“ Hollywood.

© Christopher von Deylen
Schiller ist viel herumgekommen in den letzten Jahren. Im Interview erzählt er von seinen Stationen Berlin und Los Angeles, dem nötigen Abstand zur Großstadt und der „Künstler-Titanic“ Hollywood. Sesshaft werden will er nicht: Das macht träge. 

Dein Album heißt „Future“ und du lebst aktuell aus Koffern, ohne einen richtigen Wohnsitz. Wie stellst du dir deine eigene Zukunft vor?

Ich glaube, dass eine Zukunftsplanung oder eine wirkliche Vorstellung davon gar nicht immer hilfreich ist. Deswegen habe ich auch keine. Ich versuche das eher in einer Gefühlswelt zu verorten und meine eigene Zukunft möglichst positiv zu gestalten und abwechslungsreich. Also eher Zukunft mit Adjektiven zu verbinden als einen Plan aufzustellen, wie so eine Art Einkaufsliste, wo man dann Häkchen macht. Ich bin kein guter Häkchenmacher. Weil man sich damit zu vieler Spontanitäten beraubt. Dabei muss ich sagen, ich bin eigentlich gar kein spontaner Typ. Ich versuche mich selber in so einem Schwebezustand zu halten, weil es mir so einfacher fällt, vom Weg abzukommen. Damit das noch einfacher wird, nehme ich mir erst gar keinen wirklichen Weg vor. Ich versuche dieser Unbekannten immer sehr viel Platz in meiner eigenen Lebensgleichung einzuräumen. In meiner kleinen Schiller-Welt entstanden bisher die schönsten, interessantesten und am Ende auch nachhaltigsten Dinge, sowohl akustisch als auch visuell oder im Live-Bereich immer dann, wenn ich halt mal nicht aufgepasst habe.

Welche Faktoren bzw. welchen Kosmos benötigst du, um Musik machen zu können?

Ich brauche das Gefühl, dass das, was ich mache, keine Arbeit ist. Denn es ist de facto keine Arbeit, sondern eine Leidenschaft. Deswegen habe ich keine Feierabende und reagiere leicht unruhig, wenn ich gefragt werde, was ich denn mache, wenn ich keine Musik mache. Dann reagiere ich immer ratlos, weil es nichts gibt, außer dass ich gerne mal ins Kino gehe oder vier Stunden vor Netflix sitze. Ich bin auch sehr froh, dass ich mein Studio aufgelöst habe. Ich habe nun so ein kleines, mobiles Einsatzkommando, mit dem ich überall gut komponieren und aufnehmen kann. Weil alleine schon in ein Studio zu gehen, das hat so ein Werkstattcharakter und erzeugt bei mir zumindest schon gleich einen gewissen Ergebnisdruck.

Du hast lange Zeit in Berlin gelebt. Was hast du jetzt für ein Gefühl von und in Berlin?

Berlin ändert sich ja immer. Ich hab mich auch geändert. Die Stadt ist gar nicht daran schuld, dass ich Berlin nach 15 Jahren verlassen habe. Es sind eher die vielen Möglichkeiten, die man in einer Großstadt hat. Ich konnte mich meistens nicht entscheiden, was ich machen soll, und blieb dann einfach zu Hause. Dann kann das, was die Großstadt ausmacht, schnell umkippen. Das fängt dann an zu stören. Auf einmal ist es dann zu viel von allem und man denkt, eigentlich brauche ich das gar nicht. Dann ist es vielleicht an der Zeit mal dahin zu gehen, wo man draußen nichts hat. Daher habe ich immer wieder versucht auszubrechen und mich in andere Gebiete zu begeben. Oftmals dahin, wo nicht viel war. Vor fünf Jahren war es die Expedition auf der Polarstern. Da habe ich einen Monat auf dem Schiff verbracht. Einen Monat lang kein einziges Mal Land gesehen und das Ganze noch auf dem Weg zum Nordpol im Juli, als die Sonne nicht unterging – umgeben vom Eis. Das war sehr archaisch, diese ganze Umgebung. Aber als Parallelentwurf oder als diametrales Gegenteil zur Urbanität war das toll.

Der Text zu „For You“ stammt von Sharon Stone. Wie kam es zu der Zusammenarbeit? 

Ich habe mich schon eine ganze Weile in Kalifornien aufgehalten und war immer wieder in Los Angeles, um da mit meinen musikalischen Gästen zu arbeiten. Los Angeles war im Prinzip eine riesengroße Künstler-Titanic, mit Schauspielern, Songschreibern, Sängern und Künstlern aller Art. Es kommen viele Leute, die zum Teil elektronische Musik machen und das wahrscheinlich besser als ich es jemals könnte. Weil alle in einem Boot sitzen, erzeugt es ein ganz diffuses, merkwürdiges Wir-Gefühl. So habe ich Menschen kennengelernt, die normalerweise mit dem Elektroniker aus Deutschland niemals etwas gemacht hätten, weil sie selber genug haben oder weil sie die Musik gar nicht mögen oder nicht kennen. Irgendwie hat Sharon Stone bzw. ihr Agent davon Wind bekommen, dass ich als Elektronik-Wicht aus Deutschland angefangen habe in Los Angeles zu wildern. Das hat sich dann herumgesprochen und ich weiß bis heute nicht, über welche Ecken das ging. Am Ende ist diese große Stadt da wieder sehr klein. Ich wurde vom Agenten von Sharon Stone gefragt, ob ich nicht einen ihrer Texte vertonen wollte. Was an sich schon etwas obskur war, weil ich nicht wusste, dass Sharon Stone textet. Ich habe natürlich sofort ja gesagt, weil ich den Text in seiner bestechenden, mutigen Schnörkellosigkeit sehr stark fand. Wir haben uns nie getroffen und es blieb bei diesem Austausch. Als es dann fertig war, habe ich ihr über ihren Agenten einen Youtube-Link geschickt. Am nächsten Tag kam von ihrem Agenten die Mitteilung „Sharon loves it“, was dann für mich toll war. Damit war die Episode für mich abgeschlossen.

Interview: René Tauschke 

Infos: „Schiller live 2016“ am 14.10. in der der Mercedes-Benz Arena