Interview Friedrike Gösweiner Interview mit Friederike Gösweiner über „Traurige Freiheit“

Friederike Gösweiners Roman „Traurige Freiheit“ gilt schon jetzt als einer der Überaschungserfolge
des Jahres.

© Thomas Larcher
One in a million: In Friederike Gösweiners Debütroman „Traurige Freiheit“ kämpft die knapp dreißigjährige Akademikerin Hannah in Berlin um ihren Traumberuf Journalistin. Und scheitert. Kein Einzelschicksal, für die „Generation Praktikum“ ist eine gute Ausbildung schon lange kein Garant mehr für einen interessanten Job mit sicherem Einkommen. Mit „Traurige Freiheit“ wirft Gösweiner einen Blick auf die seelischen Folgen des Wettrennens um die knappe Resource Arbeit. Der Roman scheint einen Nerv getroffen zu haben, er gilt schon jetzt als einer der Überraschungserfolge des Jahres.  

Kann man Ihr Buch als Warnung lesen? Überlegt es euch genau, ob ihr „irgend etwas mit Medien“ machen wollt? Die Protagonistin Hannah beneidet ja ganz offen diejenigen , die in soliden Berufen, wie dem des Arztes, sicher angekommen sind. 

Natürlich beneidet Hannah die, denen der Bewerbungsmarathon, den sie absolviert, erspart bleibt, aber nicht, weil sie sich über ihre Studienwahl ärgert. Sie hat das gemacht, was sie wollte, sie äußert an keiner Stelle in dem Buch Bedauern darüber, den Weg gegangen zu sein, den sie gehen wollte. Und sie gibt auch nie wirklich auf, sie kämpft um das, was sie möchte. Aber der ständige Misserfolg, zu dem ja auch noch ziemlich schlimmer Liebeskummer kommt, weil die Beziehung zu ihrem Freund zerbricht, als sie nach Berlin geht, zehrt an ihr.

Sicher kann man das Buch also vordergründig als Warnung lesen, lieber nichts „mit Medien versuchen zu wollen“, weil es zeigt, wie schwierig es sein kann, sich heute als Journalistin eine berufliche Existenz aufzubauen. Ich hätte Hannah aber auch einen anderen Beruf geben können. Ich hätte auch eine Architektin aus ihr machen können, oder vielleicht eine Biologin oder eine Völkerrechtlerin, möglicherweise auch eine Betriebswirtin – es fällt heute immer mehr jungen, gut ausgebildeten Leute schwer, den Sprung von der Ausbildung in die Arbeitswelt zu schaffen, in vielen Bereichen. 

Ihr Roman heißt „Traurige Freiheit“. Freiheit ist ja einer der Kernbegriffe unserer Gesellschaft. Wie kann die traurig sein? 

© Verlag
Freiheit assoziieren wir zunächst mit nie dagewesenen Wahlmöglichkeiten für den Einzelnen. Hannah konnte ja auch studieren, was sie wollte, hat selber entschieden, in welchem Beruf sie arbeiten möchte. Aber dann gelingt es ihr nicht, beruflich Fuß zu fassen. Sie macht eine sehr typische und zugleich eine sehr schwierige Erfahrung, die viele aus Hannahs Generation heute machen, glaube ich: sehr viel Ablehnung zu spüren, ein Gefühl des Nicht-gebraucht-Werdens. Damit verändert sich auch die Bedeutung von Freiheit. Hannahs Freiheit ist keine der endlosen Wahlmöglichkeiten mehr, im Gegenteil, sie hat eigentlich überhaupt keine Wahl – außer der, für sich immer weiter zu kämpfen, tagtäglich, trotz Niederlagen und ohne Hoffnung, dass es irgendwann leichter werden wird. Das muss sie, wenn sie in ihrem Beruf arbeiten will. Insofern ist sie natürlich überfordert mit dieser Freiheit, die für sie vor allem ein sehr einsames, zähes Kämpfen um eine Existenz bedeutet. Wenn Freiheit bedeutet, dass jeder Einzelne gegen alle anderen Einzelnen in einer Art Kampfbeziehung steht, in einem täglichen Dauerkonkurrenzverhältnis, dann ist für mich aus Freiheit etwas ziemlich Trauriges geworden.


Mit sozialen Medien wie Facebook, Whatsapp ud Tinder haben wir eine nie dagewesene Fülle der Kommunikations- und Kontaktmöglichkeiten. Trotzdem ist Hannah einsam. Warum? 

Das ist tatsächlich ein Paradoxon unserer Gesellschaft: Womöglich wurde noch nie so viel kommuniziert wie heute. Kommunikation ist sehr oft der Schlüssel, um Einsamkeit zu vermeiden oder zu bewältigen. Einsam fühlt man sich ja meist, weil man sozial isoliert ist, niemanden hat, mit dem man reden kann. Womöglich ist die Qualität unserer alltäglichen Kommunikation nicht immer sehr gut. Es ist oft eine sehr schnelle, verknappte, kurze Nebenbei-Kommunikation, die wir führen. Gleichzeitig ist man insgesamt dadurch wahrscheinlich oft weniger präsent in seiner realen Umgebung und knüpft so weniger Kontakte – weil man über sein Handy ja alle seine Kontakte theoretisch immer dabei hat.

Der Roman ist in einem ruhigen Stil geschrieben, der zur zurückhaltenden Hannah passt. Der ältere Journalist Martin erklärt ihr einmal, es komme nicht so sehr auf die Qualifikation an, sondern darauf, sich gut zu verkaufen. Muss man Blender sein, um erfolgreich zu sein? 

Was man sein „muss“, um erfolgreich zu sein, möchte und kann ich nicht sagen. Aber was wahrscheinlich kaum jemand bestreiten wird, ist, dass die Performance, die Selbst-Inszenierung, das Self-Marketing oder wie man das nennen möchte, heute eine sehr große Rolle spielt. Dazu kann man stehen, wie man möchte. Man kann es als Faktum hinnehmen und „mitspielen“ – was bleibt einem auch anderes übrig, wenn man einen Platz innerhalb eines gesellschaftlichen Systems, das die Inszenierung so zelebriert wie die unsere, finden möchte. Aber natürlich könnte man auch dagegen einwenden, dass dann anderen Kriterien, die auch sehr wichtig oder wichtiger sind, automatisch weniger, vielleicht zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. 

Infos: Friederike Gösweiner: Traurige Wahrheit. Droschl Verlag 2016, 144 Seiten, 18 Euro