Bingobunt | Kinky | Betrübt | ...und ein bisschen kratzig 4 x neue Musik aus Berlin: Venior, Natalia Avelon, Elif Demirezer und Springstoff

Wie jeden Monat haben wir auch diesmal wieder Release-Listen und Blogs durchforstet, um die spannendsten neuen Platten aus und zu Berlin zuammenstellen. Dies sind unsere Highlights im Mai…

Wie jeden Monat haben wir auch diesmal wieder Release-Listen und Blogs durchforstet, um die spannendsten neuen Platten aus und zu Berlin zuammenstellen. Dies sind unsere Highlights im Mai…

Venior: Wildflower

© kreuzberger cecilia
Bislang nur Singles, dafür aber ganz heiße Eisen gibt es von Venior. Als wir die junge Dame vor einigen Wochen im Rahmen der Tallinn Music Week im hohen Norden live auf der Bühne des Sinilind gesehen haben, fühlte sich das schon sehr wie eine der letzten Gelegenheiten, sie in so kleinem Rahmen zu erleben. Verpackt in das reinste Fashion-Wunder von Bühnenoutfit, bemalt in Neon, getunkt in silbernen Glitzerstaub, klingt die Finnin eine Kombination aus Björk, Missy Elliott, M.I.A. und Jamiroquai – mehr Pop auf einmal geht gar nicht. Die jüngste musikalische Realisation dieses Mega-Mash-Ups ist „Wildflower“, das einen dramatischen Ruhepunkt im bingobunten Werk von Venior bildet und en passant unterstreicht, dass – durchaus vergleichbar mit Lady Gaga – hier auch noch eine große Stimme schwingt. Ein Superstar kurz vor der Explosion.

Natalia Avelon: Love Kills

© Kate Bellm
Wer Natalia Avelon bislang ausschließlich aus ihrer Rolle als Uschi Obermaier in Achim Bornhaks „Das wilde Leben“ (2007) bzw. vom Ville Valo-Duett-Cover „Summer Wine“ aus dem dazugehörigen Soundtrack kennt, darf umdenken: Mit „Love Kills“ erscheint nun das Debütalbum der Wahlberlinerin, die vor einigen Wochen in einem kleinen Studio an der Spree vor versammelter Presse ihr allererstes Live-Set überhaupt gegeben hat. Die Nervosität war deutlich zu spüren, eine positive Aufregung aber auch – hier hat jemand richtig Lust auf die Bühne. Für die Aufnahmen zur Platte durfte Avelon, die eigentlich Siwek heißt, auf Unterstützung erfahrenerer Kollegen bauen: So war etwa Guy Chambers am Songwriting beteiligt, und Bela B., anfangs nur eine flüchtige Bekanntschaft aus einer TV-Show, schaut zum dunklen Duett auf „Dark Desires“ vorbei, neben das Highlight der Platte. Kinky kann Natalia Avelon halt am besten.

Elif Demirezer: Doppelleben

© Christoph Köstlin
Man würde Elif Demirezer ja gern fragen, was sie zu Fatma Aydemirs vieldiskutiertem Roman „Ellbogen“ zu sagen hat – behandeln doch beide in ihrer Kunst die Frage von Sozialisation und Selbstdefinition im brüchigen Rahmen nationaler Zugehörigkeit. Ihr zweites Album „Doppelleben“, Nachfolger des 2013er Überraschungserfolg „Unter meiner Haut“, hievt die Fragestellung gleich aufs Cover und ins titelgebende Eröffnungsstück, in dem eine armenische Duduk und die deutschen Texte das Thema weit aufbrechen. Der Ton ist melancholisch, fast betrübt – ein Gefühl von Zweifel, das auch aus den anderen Songs spricht. Keine Mainstream-Musi ohne Hoffnung freilich: Die Liebe heilt auch hier die tiefste Wunde.

Springstoff: Friedrichshain 

© Springstoff
Bonus-Track: Bereits Ende April erschien mit „Friedrichshain“ eine Label-Compilation der Jungs und Mädels von Springstoff: 17 Techno-Nummern von kaum noch heimlichen Producern wie Komfortrauschen, Julian Maier-Hauff und dfumh (don’t fuck up my high) zeigen einen kleinen Ausschnitt von dem, was gerade so geht in den Clubs. Der Platzhirsch auf dem Cover ist allerdings schon eine komische Idee, wenn man den Underground nähren will, und zum Promot-Text – „Authentisch, düster und ein bisschen kratzig. Man könnte auch meinen dreckig, Berlin-Friedrichshain eben.“ – darf sich jeder seine eigenen Gedanken machen. Gechillt sind die auf dem Sampler vertretenen Produktionen aber allemal.