Party Party, Grusel Grusel: Neuer Berlin-Film seit 26.5. in den Kinos Mein Freund, der Nachtmahr

Im Film von Regisseur Akiz wird eine Berliner Abiturientin von einem besonderen Wesen heimgesucht.

 

© PR Der Nachtmahr
Auf Johann Heinrich Füsslis Gemälde „Der Nachtmahr“, entstanden im 18. Jahrhundert, wird eine schlafende junge Frau von einer abscheulichen Kreatur heimgesucht, die sich auf ihrem Körper niederlässt. Das Motiv ist beklemmend, und der Betrachter fragt sich: Ist das Monstrum nur der „Nachtmahr“, der die Frau plagt, oder ist es wirklich dort, bei der Frau, in ihrem Bett?

Ganz ähnlich verhält es sich im gleichnamigen Film: Die siebzehnjährige Tina, eine privilegierte Abiturientin aus bürgerlichen Verhältnissen, frönt ein Leben zwischen illegalen Poolpartys, Schule und Berghain. Nach einem Blackout und Visionen im Drogenrausch, der mit einem obligatorischen „Ich glaub, ich merk’ jetzt was“ eingeläutet wird, gesellt sich ein Wesen zu ihr, das sie fortan auf Schritt und Tritt begleitet. Ein Umstand, der sie oftmals in missliche Situationen katapultiert – denn die Kreatur, die gleichermaßen Embryo und Greis ähnelt, zeigt sich nur ihr gegenüber. Ihre Freunde und Eltern bekommen sie nicht zu Gesicht.

‚Tinas Berichte über die Begegnungen mit „dem Viech“ enden mit Sitzungen beim Psychiater, der ihr Psychopharmaka verschreibt. Nichtsdestotrotz: Das Wesen bleibt. Aus Tinas anfänglichen Grausen vor der abscheulichen Gestalt entwickelt sich zunächst eine Akzeptanz und schließlich Verbundenheit. Es haust in ihrem Zimmer, ab und zu teilen sie das Bett. Und was dem einen widerfährt, widerfährt auch dem anderen.  So stellt sich heraus, dass die Kreatur offenbar ein Teil von ihr ist, der sich nicht einfach verdrängen lässt.    

Regisseur Akiz ist es gelungen, einen Teenager zur Hauptfigur zu machen, ohne einen Teeniefilm zu drehen.

© PR Der Nachtmahr
Bevor ich mir den Film anschaue, höre ich, dass ich Ohrenstöpsel verwenden sollte – unangenehm laut würde es zugehen, fast schon wehtun. Bedauerlicherweise habe ich keine dabei, stelle aber schon wenig später fest, dass „Der Nachtmahr“ laut sein muss. Der Film tut stellenweise weh, zielt auf alle Sinne ab. Spiegelneuronen treten in Aktion, wenn das Wesen zärtlich an einer Rasierklinge schleckt und sich dabei die kleine, gräuliche Zunge aufschlitzt. Regisseur Akiz ist es gelungen, einen Teenager zur Hauptfigur zu machen, ohne einen Teeniefilm zu drehen. Der Sachverhalt mit all seinen unterschiedlichen Erzählebenen ist komplex und kaum zu erfassen – träumt Tina, ist das jetzt der Drogenrausch, eine Psychose, lebt das Mädchen überhaupt noch? Eine klare 0815-Einteilung in „gut“ und „böse“ entfällt gänzlich, ebenso eine psychologisierende Auflösung des Erlebten.

© PR Der Nachtmahr
Das Spiel der Darsteller überzeugt auf ganzer Linie: Die Dialoge könnten authentischer kaum sein, sowohl die der Teenager während ihrer Drogen-Eskapaden, als auch die der gut situierten, aber überforderten Eltern. Ein gelungener Film über die Schattenseiten einer Generation, der es an Konsumgütern nicht fehlt. Kleines Bonbon für Sonic Youth-Fans: Kim Gordon überzeugt in einer Nebenrolle als verständnisvolle Englischlehrerin und hat einen grandiosen Song für den Abspann beigesteuert.  

Info: Seit dem 26.5. in den Kinos