Es war surreal! Mike + The Mechanics schwelgen in Berlin-Erinnerungen

Mike Rutherford, Andrew Roachford und Tim Howar über ihre erinnerungswürdigsten Berlinerlebnisse …

© Patrick Balls
Am Freitag ist „Let Me Fly“ erschienen, das neue Album der Band um Ex-Genesis-Mitglied Mike Rutherford, der hier wieder in satten Pop-Rock-Melodien schwelgt und überhaupt einen großen Optimismus in seiner Musik pflegt. Wir haben Rutherford, der sich, typisch britisch, vor dem Interview am Nachmittag erst mal ein Tässchen Tee gönnt, und seine beiden Sänger Andrew Roachford (bekannt auch als Frontmann der Band gleichen (Nach)Namens, die mit „Cuddly Toy“ Ende der Achtziger einen Hit hatten) und Tim Howar nach ihren besten Berlin-Erinnerungen befragt…

Mike Rutherford

Es war wohl nicht mein erster Trip nach Berlin, aber ich erinnere mich gut an eine Trifekta von Besuchen. Da war zunächst der Gig, den wir 1987 mit Genesis vor dem Reichstag spielten – und hinter uns kam es in dieser Nacht zu Krawallen und Ausschreitungen. Die Polizei kickte die Menschen von der Mauer! Damals wusste man von so etwas noch nicht lange im voraus, es gab ja noch keine Smartphones. 1989 kehrte ich zurück an die gleiche Stätte, um Roger Water mit „The Wall“ zu sehen, und 1992 spielten wir nur ein paar Meter weiter, am Potsdamer Platz – in einer vereinten Stadt. So konnte ich Berlin innerhalb kurzer Zeit in drei verschiedenen Zuständen kennen lernen. It was a moment in time.

Andrew Roachford 

Mein erster Besuch in der Stadt war 1989, kurz vor der Maueröffnung. Ich kam am Intercontinental in West-Berlin an, doch dort wusste man nichts von der Buchung. Ich telefonierte also mit meinem Label, das mir mitteilte, es handele sich um das Hotel der gleichen Kette im Osten der Stadt, ansonsten sei es aber die gleiche Angelegenheit. Natürlich stimmte das nicht im Geringsten. Ich erinnere mich, dass mein Raum komplett in Grün und Gelb gehalten war – das war das Farbschema! (lacht) Damit kam ich gar nicht klar und beschloss also, mit meinem Manager in die Bar hinunter zu gehen, um uns zubetrinken. Von der Bar aus konnte man auf die Stadt hinunter gucken – und ich sah keinerlei Farben, als wäre die Stadt in Schwarz-Weiß aufgenommen worden. Die Bar war voll mit Hausfrauen, die sich nebenbei als Prostituierte verdingten, und alle tanzten zu James Brown. Es war surreal! (lacht) Später konnte ich die Stadt im Sommer kennen lernen – und da erst verstand ich sie richtig. Ich saß im Park, Musiker spielten und ich fühlte mich an New York erinnert. Seitdem bin ich großer Fan.

Tim Howar

Im Jahr 2005 waren ich und meine damalige Band El Camino von der Britischen Botschaft eingeladen worden, im Rahmen der Popkomm in Berlin aufzutreten, um Großbritannien als eine der besten ungesignten Bands des Landes zu repräsentieren. Wir waren mit dem Auto in die Stadt gekommen und hatten schon verdammt viel Spaß mit dem niederländischen Radio gehabt. Wir kamen in Berlin an, luden unser Zeug in der Botschaft ab und beschlossen, vor dem Gig noch mal loszuziehen. Wir landeten… wir landeten… (lacht)… das ist fürchterlich! (lacht) Wir landeten in einer Art Gentlemen’s Club, wie ich es mal nennen möchte, und unser eigentlich sehr schüchternen Keyboard-Player landete irgendwann mit einigen Tänzerinnen auf der Bühne und sang „With Or Without You“ von U2 – ohne Shirt. Wir zogen uns vier Red Bull rein, um den Gig zu überstehen, rockten die Show – und zogen dann noch mal los! Wir fanden uns in einem ehemaligen Flughafen-Hangar in Ost-Berlin wieder und feierten in einem ausgebauten Jumbo-Jet mit Bands aus Kuba und Russland. Es war der Wahnsinn.
 
Mike Rutherford:  …und dann bist du aufgewacht, oder was! (lacht)