Endlich Erholung! Bootsfahren, Klettern oder in der Hafenküche die Sonne genießen. Rummelsburger Bucht – ein kleines Paradies

Die Bucht nahe dem Ostkreuz ist ein Paradies für Spreekapitäne, Klettermaxen und alle, die den Stress der Großstadt einfach mal vergessen möchten.

Die Bucht nahe dem Ostkreuz ist ein kleines Paradies – für Spreekapitäne, Klettermaxen und einfach alle, die den Stress der Großstadt einfach mal vergessen und frische Luft genießen möchten. 

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In den letzten zwei Jahrzehnten wurde aus den Industriebrachen am Rummelsburger Ufer und der Halbinsel Stralau im Osten Berlins ein reichhaltiges Erholungsgebiet, in dem es viel zu entdecken gibt. Es ist eine Landschaft im Wandel: Vor dem zweiten Weltkrieg florierte hier ein Industriegebiet mit den Stralauer Glaswerken, der Victoria-Brauerei, Bremsen- sowie Betonplattenwerk und Palmkernölspeicher. In dem heutigen Industriedenkmal wurden bis 1900 Rohstoffe für die Herstellung von Margarine verarbeitet. Davon sind heute nur noch Relikte zu erspähen. Noch aktiv ist das Heizkraftwerk Klingenberg, das den Großteil der Energie für die Hauptstadt stellt. Vom Ufer aus sind die Schornsteine zu sehen, aber sie stören nicht. Heute erstrahlt die Bucht, die offiziell und auf der Karte Rummelsburger See heißt, in neuem Glanze: Saubere Uferböschungen und Wohnviertel, wohin das Auge blickt. Nobelwohnkomplexe wie der Flaschenturm, der als Industriedenkmal neu saniert wurde; der Kratzbruch und die Liebesinsel, die nur mit Fähre zu erreichen sind; der stillgelegte Vergnügungspark Plänterwald, dessen rotes Riesenrad über die Baumkronen am Horizont ragt. Die Rummelsburger Bucht ist heute wie eine einzige große Atempause vom Alltag, es gibt einen Basketballplatz und Skatepark, einen Yoga-Garten, eine Segel- und Wassersportschule, ein Ü30-Diskoschiff. Jährlich findet ein Osterspaziergang sowie ein Boule-Turnier statt. Vom Schweißer zum Bootskapitän, vom Hobbysportler bis zum entspannten Sonntagsmenschen, alle finden hier „ihre“ Bucht. 

Vor 20 Jahren blubberten noch die Ölblasen

Wer schlicht die Natur an der Bucht in all ihren Nuancen genießen will, der kann sich als Angler versuchen – sofern er einen Angelschein hat. „Peitsche raus, Idylle genießen“, so Mark, der seit Jahrzehnten hier seine Leinen auswirft. Barsche und Brassen fängt er vor allem, ein paar Rotaugen, Rotfedern und kleine Zander. Darauf ist er aber gar nicht aus: „Ich bin hier für die Aale“, sagt er gemütlich. Aber eigentlich geht es ihm darum, die Ruhe zu genießen. Essen sollte man den Fisch her eh nicht unbedingt, doch dazu später mehr. In all den Jahren hat Mark viel gesehen: „Ich war vor 20 Jahren schon hier, da kamen noch Ölblasen im Wasser hoch. Dann wurde alles ausgebaggert”, die Wassersanierung schritt voran. Besonders wegen einer Sauerstoff-Pipeline zur Beatmung der Bucht sei sie heute sauber. All die Wohnviertel hätten hier damals auch noch nicht gestanden. Mark hat noch einen einen Tipp für werdende Hobbyangler: Die richtige Stelle macht den Unterschied. Ungünstig sind die Ufer direkt an den Fahrradwegen: „Dann springen dir doch die Hunde in den Nacken.” 

Am Ufer von Paul und Paula 

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Auf den Radwegen ist mächtig Betrieb. Unentwegt schießen BMX-Bikes, Rikschas, Skateboarder vorbei, dazu flanierende Hundebesitzer. Ob aus Richtung der Warschauer Straße oder direkt vom Ostkreuz, die meisten kommen am nördlichsten Zipfel des großen Gewässers an. Paul und Paula Ufer heißt das schöne Fleckchen Erde. Dort haben auch Angela und Thorsten ihr Lager aufgeschlagen: Ihren entspannten Biergarten Rummels Bucht, mit Holzemporen, Bootsloungen und Barständen, haben die beiden mit Freunden aus eigener Kraft und mit reichlich handwerklichem Geschick erbaut. DJs sitzen gemütlich auf der Couch, manchmal kommen Live-Musiker vorbei, aber Klubatmosphäre mit Remmidemmi ist nicht vorgesehen: „Wir brauchen hier keine durchgängige Bespaßung”, nickt Thorsten. Leben und leben lassen, so das Motto. Es gibt sogar eine Grillstation für Selbstbediener: „Wir stellen Besteck und Saucen und jeder kann sein Zeug rauflegen”, freut sich Angela. „Wir haben natürlich noch was für den Notfall da.” So zum Zum Beispiel im neuen Anbau, wo es Pizza und Muffins gibt. In einem kleinen Leuchtturm kann man Erinnerungsfotos schießen, an einer Tischtennisplatte sich austoben. „Obwohl wir nicht wissen, wie lange wir noch haben, bauen wir immer weiter an“, sagt Angela und schaut aufs Geschaffte. Irgendwann in naher Zukunft werden genau hier wahrscheinlich weitere Wohnsiedlungen gebaut. 

„Das Einzigartige ist die unmittelbare Stadtnähe durch den S-Bahn-Knotenpunkt Ostkreuz.“

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Direkt neben der Rummels Bucht hat sich Jan seinen Traum erfüllt: Den Bootsverleih Ahoi Ostkreuz mit 20 Kayaks und drei Tretbooten – darunter eine quietschgelbe Ente und ein rosaroter Flamingo. Den dritten Sommer steht sein Steg schon und erfreut Familien und „fast nur nette, sportliche Menschen aller Couleur“. Ziel seiner Unternehmung: „Dass man sich innerhalb dieser Neubaustrukturen ein wenig heimelig fühlt.“ Auch Jan weiß von den Baumaßnahmen, eventuell steht ein Umzug das Ufer herunter an. „Die planen ja die ganzen Ufer neu.“ Natürlich sei die Lage begehrt: „Das Einzigartige ist die unmittelbare Stadtnähe durch den S-Bahn-Knotenpunkt Ostkreuz.“ Ein Wahnsinnsprojekt namens Coral Park soll entstehen, ein gigantischer Wasserpark mit künstlichen Korallenriffs und Biotopen. Verkauft wurde das Gelände nördlich des Sees aber noch nicht. Wohnquartiere sind ebenfalls im Gespräch, denn Wohnraum ist bitternötig in dieser überquellenden Stadt. Jan nimmt‘s gelassen. Der Bootsverleih hat täglich von 10 Uhr morgens bis Sonnenuntergang geöffnet. Die Saison läuft je nach Wetter bis in den späten Herbst. Boots-Reservierungen sind übrigens nur bedingt möglich: „In der Woche ja, aber am Wochenende keine außer Geburtstage, Junggesellinnenabschiede und Gruppen, die von weiter herkommen.“ Von der Bucht aus kann man fast grenzenlos fahren. „Bis nach Prag oder Hamburg“, scherzt Jan. Bis zur Oberbaumbrücke ist es nicht sehr weit, vorher an der Schleuse geht’s runter über Kreuzberg bis nach Charlottenburg und Spandau. Oder in die andere Richtung: „Immer geradeaus zumMüggelsee, nach Dahme, Köpenick und Erkner.“ Der Müggelsee ist 14 Kilometer weit weg, zwei Stunden Fahrt mit dem Boot rechnet Jan. „Die Strömung in Berlin ist zu vernachlässigen, die spürst du gar nicht.“ Eher den Wind. „Man kann sich‘s nicht vorstellen, aber es ist echt anstrengend. Es kommen auch Leute aus dem Sportstudio, weil sie hier Muskelbereiche trainieren, die sie mit keiner Maschine erreichen.“ 

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Wer an der Wasserqualität der Rummelsburger Bucht zweifelt, dem entgegnet der Bootsverleiher: „Voriges Jahr hat die FU eine Untersuchung mit den Sedimenten gemacht. Die haben gesagt, das Wasser ist wunderbar. Nur der Boden ist nach wie vor belastet.“ Ob man hier baden könne? „Wir gehen hier baden, auch viele junge Leute aus der Innenstadt. Im Sommer ist da hinten ein Betonklotz, den die Kids als Sprungturm nutzen.“ 

Klettern in der Boulderhalle Ostbloc 

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Weiter Richtung Osten geht es an bunten Hausbooten vorbei. Gute zwei Dutzend sieht man im Hochsommer auf dem Wasser. Vorbei an ein paar Wegeswindungen und Liegewiesen baut sich der Hafen auf. Direkt dort liegt seit Dezember 2010 die Boulderhalle Ostbloc. Voraussetzungen fürs Bouldern – Klettern ohne Seil – gibt es keine. „Am besten ist, man macht einmal einen Schnupperkurs (16 Euro) mit. Da ist der Eintritt für den ganzen Tag dabei, die Schuhe, und für die erste Stunde ein Trainer,“ erklärt Co-Chef Eric. „Balance, Spring- und Tritttechnik, Koordination, Kreativität – die kommen erst mit der Zeit.“ Außerdem gibt es Monatswettkämpfe und den Decathlon, einen Jedermannwettkampf. 

Wenn der Hunger nach dem kräftezehrenden Klettern kommt, brauchen ausgelaugte Sportler (und natürlich auch alle anderen) nur um die Ecke zu lugen, da steht die liebevoll eingerichtete Hafenküche. Betreiber Frank kommt von der Mecklenburger Seenplatte, Wasser war schon immer sein Zuhause. „Ich hatte nie die Absicht, Gastronomie zu betreiben. Aber der Standort ist so schön, als blankes Gewerbegebiet wäre es zu schade.“

Führerscheinfrei über die Spree schippern 

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Die Hafenküche liegt hinter dichtem Grün günstig am Uferwanderweg. „Es gibt viele, die eine kleine Flucht aus der Stadt genießen möchten, ohne bis nach Friedrichshagen rausfahren zu müssen.“ Heute steht hier aber weit mehr als die Hafenküche mit Terrasse. Einen Grillplatz gibt es für zwölf bis 20 Selbstversorger oder Grillpaketbucher. Biergarten und Hafenkante sind dazu gekommen, wo man direkt an den Booten in gemütlichen großen Sesseln lümmeln kann.
Die Hafenküche ist das ganze Jahr über geöffnet, und sie hat eine Doppelfunktion, erklärt Frank: „Sie ist auch Kantine für alle, die hier in der Gegend arbeiten und leben. Unsere Bestseller sind dabei Fish & Chips, Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat, unsere echt großen Burger, die es auch vegetarisch gibt oder als Low- Carb.“ Es gibt auch Fischgerichte, aber nicht mit Fisch aus der Bucht: „Von hier sollte man keinen Fisch essen, die Bucht ist belastet. Sportangler gibt es, aber den Fisch hauen sie im Normalfall wieder rein“, ergänzt Frank die Ausführungen vom Angler Mark, der seinen Fang ebenfalls wieder in die Freiheit entlässt. 

Barbeque auf der Schloeppe 

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Aus der Hafenküche heraus ist die Sache mit den Booten entstanden. Acht schwarze Sloepen liegen vor Anker, die für Ausflüge bereitstehen. Mit den malerischen Booten geht es raus Richtung Landwehrkanal, zu einer City-Tour, einem Badeausflug oder einem Barbecue auf dem See. „Alle Boote sind führerscheinfrei, und durch das Bugstrahlruder sehr gutmütig im Fahrverhalten“, erklärt Frank. Er empfiehlt einen vierstündigen Trip, und „man kann sich einen Grill dazu mieten, eine Kühlbox, ein Grillpaket oder Picknick- und Frühstückskorb – auch vegetarisch.“ Im Sinne des Umweltschutzes gibt es auch elektrisch angetriebene Boote. Wer sich das aus der Nähe anschauen will, kann beim Hafenfest vom 4. bis 5. Juni mit Schnupperrundfahrten, Räucherfisch und Piratenschiff-Hüpfburg dabei sein. Wer schon nach wenigen hundert Metern einen Stopp einlegen möchte, der kann in der Casa Di Legno beste iralienische Küche genießen.
Schlussendlich ist die Rummelsburger Bucht ein kleines Paradies. Es ist abzuwarten, was passiert, wenn das Bauland an der Bucht massiv hergerichtet wird – ob mit Wasserpark oder Wohnvierteln. Solange die Pläne noch nicht spruchreif sind, können sich Berliner in die Idylle der Bucht zurückziehen und einfach mal vergessen, dass die Großstadt nebenan ihr wildes Treiben lebt.