Auf dem Fahrrad-Highway mitten durch Berlin cruisen Liebes Berlin, wir wollen die Radbahn!

Das wäre oberentspannt: Auf der Radbahn vom Bahnhof Zoo bis zur Warschauer Straße durchradeln!

Von dem Projekt Radbahn sind alle begeistert: Eine Art Straße für Radfahrer, die sich auf der brachen Fläche unter der U1 einmal durch die Stadt schlängelt. Wird der Senat sein „Go“ geben? 

Als Fahrradfahrer in Berlin lebt man gefährlich. Laut einer Untersuchung des Polizeipräsidiums ist das sogennante Verkehrsunfallgeschehen unter Beteiligung von Radfahrern im Vergleich zum Vorjahr um 11% gestiegen. Nach diesem Bericht waren zwar die Hauptverursacher die Radfahrer selbst, aber gleich danach kommen PKW-Fahrer mit einem Anteil von über 42%.

© Radbahn
Die Anzahl der Radfahrer wird in Berlin weiter deutlich steigen. Und so ist es nur zu begrüßen, dass sich mit dem Projekt „Radbahn“ ein achtköpfiges Team gefunden hat, das neue Wege in der Stadt erschließt. In diesem Fall geht es um eine neun Kilometer lange Strecke unter der Hochbahnstrecke der U1 – vom Bahnhof Zoo bis zur Warschauer Brücke. Die Mitglieder des Radbahn-Teams kommen aus den USA, Mexiko, Italien, Finnland und Deutschland. Ende November wurde das Projekt mit dem Bundespreis ecodesign ausgezeichnet, denn „dieses Projekt ist ein vorbildliches Beispiel dafür, wie im urbanen Raum neues Potenzial erkannt und in ein öko-freundliches Gesamtkonzept eingebunden wird“.

Senat prüft Machbarkeit der Idee

Das Team hat seine Idee bei den Fraktionen des Abgeordnetenhauses eingereicht und obwohl der Senat nicht besonders begeistert reagierte („zu teuer“), ist beschlossen worden, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben muss. Dafür, und für weitere Prüfungen anderer Radwege, stehen in den nächsten zwei Jahren nun 400.000 Euro zur Verfügung. Auf der mitten durch die Innenstadt

© Radbahn
führenden Strecke gibt es ein paar neuralgische Punkte, wo vielbefahrene Kreuzungen der Radbahn in die Quere kommen, zum Beispiel an der Möckernbrücke. Simon Wöhr vom Team Radbahn dazu: “Im Grunde gilt für die ganze Strecke, dass sie auch ohne Brücken geplant werden könnte – nur mit Ampelanlagen. Allerdings finden wir, dass Fahrradbrücken visuell reizvoll sind und den Fahrradfahrern Respekt zollen würden.“ Teile der Strecke könnten direkt unterhalb der U-Bahn über eine hängende Fahrbahn verlaufen. Und 80% seien ohne weitere Komplikationen nutzbar. Andere wichtige Abschnitte, so etwa die für Radfahrer sehr gefährliche Skalitzer Straße, würden für Autofahrer attraktiver, weil die Zweiräder hier von den Straßen verschwinden würden. 

Das Radbahn-Team denkt jedoch nicht in Stereotypen, also Autofahrer gegen Radfahrer und umgekehrt: „In einer modernen Stadt wird der Verkehr intelligent verknüpft und die Bewohner werden mehrmals täglich ihre Verkehrsmittel wechseln“, so Wöhr. „Mit der Radbahn wollen wir es beispielhaft schaffen, dass es für Radfahr so attraktiv wird, dass Autofahrer neidisch zur Seite schauen und am nächsten Tag ihr Fahrrad für ihren Weg zur Arbeit aus dem Keller holen.“

Von der Verkehrspolitik der 70er in die Gegenwart

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Beispiele aus Kopenhagen, wo der Fahrradverkehr stark gefördert wird, zeigen ganz deutlich, dass viele Autofahrer gerne wenigstens zeitweise aufs Fahrrad umsteigen – wenn die Anreize stimmen. Das Potenzial ist da, denn zwei von drei Berlinern besitzen mindestens ein Fahrrad. Und attraktiv wird die Strecke allemal: Für die Nutzer sollen auch kleinere Caféstops und Reparatur- und Zubehörläden entstehen. Außerdem: Autos, die sich mit jeweils nur einer Person besetzt kolonnenweise durch den Berufsverkehr schieben, sind einfach nicht mehr zeitgemäß und zehren obendrein an den Nerven. Wöhr: „Es ist verrückt, dass wir derzeit den teuren Raum unserer Städte mit Blechlawinen zustellen, mit Autos, die im Schnitt nur wenige Minuten pro Tag genutzt werden. Die Radbahn wäre für Berlin ein erster Schritt von der Verkehrspolitik der 70er Jahre in die Gegenwart“.

Es spräche also alles für die Umsetzung dieser tollen Idee, die sicher auch über Berlin hinaus Beachtung finden würde. Trotzdem muss man die Planungen der Verkehrsverwaltung, ab Sommer entlang der Hochbahn auf der Gitschiner Straße Radverkehrsstreifen einzurichten, erstmal als Dämpfer sehen. Die wegfallenden Parkplätze sollen demnach nämlich auf den Mittelstreifen unter der U-Bahn-Trasse wechseln. Bleibt zu hoffen, dass dies nicht bereits als Zeichen pro Auto zu verstehen ist.

Von Matthias Kirsch

Mehr Infos zur Radbahn gibt es hier