„Jede Künstlerin bezieht das, was man so erlebt hat, mit in die Kunst ein.” Theaterstück „Call me Queen“: Thandi Sebe im Interview

Nach ihrem Erfolgsstück „Jung, giftig und Schwarz” kehrt Thandi Sebe nun mit ihrem neuen Stück „Call me Queen” zurück ins Ballhaus Naunynstraße. Im Interview erzählt sie, wovon das Stück handelt und wie es dazu gekommen ist.

© Roberta Sant'Anna
Thandi Sebe im Interview über ihr neues Stück, Großstädte und Alltagsrassismus. Urauffühung von „Call me Queen“ ist am 25.5.2017 im Ballhaus Naunynstraße.

Nach nur einem Jahr bist du mit einem neuen Stück im Ballhaus Naunynstraße. Wovon handelt „Call me Queen“?

Es geht um zwei Frauen, zwei Freundinnen, in einer deutschen Großstadt, die zusammen Straßenmusik machen. Also so wie man das hier in Berlin kennt: Leute, die sich zusammen auf die Straße stellen, ein bisschen Mucke machen und Geld einsammeln. Das Ganze spielt an einer Straßenecke – also eine sehr urbanes Setting und ein bisschen kammerspielartig. Dort treffen sich die beiden, aber es kommt nicht dazu, dass sie wirklich Musik machen. Der Alltag hindert sie daran. 

Und was genau hindert sie?

Also zum einen kommt die eine Freundin total verspätet an. Sie hat etwas unglaublich Wichtiges zu erzählen. Das macht es schwierig, dass die beiden überhaupt in die Gänge kommen. Zum anderen kommt das dazwischen, was wir so im Alltag in deutschen Großstädten erleben: Irgendwelche Kommentare, Typen, die sie anbaggern. Mal ist es auch ein Polizist, denn man darf nicht einfach irgendwo Musik spielen. Der Straßenlärm, den sie übertönen müssen. Aber vor allem sind es diese Rassissmen und Sexismen im Alltag als Frau, vor allem als schwarze, deutsche Frau. In dem Stück geht es aber auch viel um Identität, um Anerkennung und die Suche nach fehlender Liebe.

Inwiefern sind deine eigenen Erfahrungen in das Stück eingeflossen?

Ich glaube jeder Künstler, jede Künstlerin bezieht das, was man so erlebt hat, mit in die Kunst ein. Das ist schon alles irgendwie inspiriert von meinem Leben, aber „Call me Queen“ ist auf keinen Fall autobiografisch. 

Die Suche nach der eigenen Identität, sich zurechtfinden: Inwiefern sind das Phänomene der Großstadt?

Wir sind immer so überfordert mit allem. Mit Möglichkeiten übersättigt. Vor allem in Berlin sind alle total verloren. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich in diesen Künstlerkreisen bin, wo alle auf der Suche nach Anerkennung sind. Und dann ist da noch dieses kapitalistische Ding: Man hat das Gefühl, man ist nur was wert, wenn man irgendwie gesehen wird und biedert sich die ganze Zeit an. Sei es auf der Straßenecke, an der man Musik macht, oder halt bei Instagram. 

Wie kam es denn zu dem neuen Stück?

Nach „Jung, giftig und Schwarz” war ich in London in Brixton beim Black Cultural Archives. Dort habe ich mich mit dem Gründer des Centers unterhalten. Als ich ihm gesagt habe, dass ich aus Deutschland komme, hat er mich gefragt, ob ich wüsste, dass es eine schwarze, deutsche Prinzessin gegeben habe. Er hat mir Bilder gezeigt und meinte, dass das alles von der Geschichte gewhitewashed wurde, dass sie schwarz war. Dann habe ich ein bisschen recherchiert. Ich habe mir überlegt, was ist denn, wenn ich eine Geschichte schreibe über eine deutsche Frau heutzutage in Deutschland, die eine Verbindung zu dieser deutschen, schwarzen Prinzessin aus dem 18. Jahrhundert hat. Und diese Prinzessin spielt jetzt auch eine große Rolle.

In deinen Stücken geht es immer wieder um schwarze Frauen.

Ja. Ich gucke nicht so viel deutsches Fernsehen, aber wenn man dann mal was sieht und schwarze Menschen mitspielen, dann sind das Drogendealer, Basketballspieler, was gibt es da noch so? Man hat das Gefühl, man kann sich selbst nie wirklich auf der Bühne oder im Film, vor allem im deutschen Film, wiederfinden. Letztens war ich auf dem Markt. Da stand eine Frau neben mir, die gesagt hat, dass sie sich bei „Jung, giftig, Schwarz“ das erste Mal auf der Bühne wiedersehen konnte und sich repräsentiert gefühlt hat. Das ist natürlich schön, so etwas zu hören. Das ist ein Grund, weshalb ich das mache. 

Infos: Ballhaus Naunynstraße „Call me Queen” von Thandi Sebe, Uraufführung 25. Mai 2017, 20 Uhr, 26., 27. & 29. Mai 2017, 20 Uhr / 28. Mai 2017, 19 Uhr. Karten sind online und an den üblichen Verkaufsstellen erhältlich.