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Auch das Gehirn kann krank werden

Eine Auszeit im Ausland nach Schule oder Studium, verbunden mit dem Wunsch, etwas Sinnvolles
zu tun – dieser Gedanke eint viele junge Leute. Auch Rick Wolthusen und Julia Heupel lernten
einander auf diese Weise kennen. 2012 trafen sich die damaligen Medizinstudenten bei ihrer
Freiwilligenarbeit in der Klinik der ghanaischen Kleinstadt Aflao.

Ihre Erlebnisse in Afrika ließen die beiden nach der Rückkehr nach Deutschland nicht los. Zu prägend und erschütternd war die Erinnerung an brennende Müllhaufen hinter der Klinik, unterernährte Säuglinge und unzureichende medi-
zinische Ausstattung. Kurzerhand sammelten sie genügend Spenden, um einen solarbetriebenen Wassererhitzer, eine Müllverbrennungsanlage und Baby-Spezialnahrung anzuschaffen. Die Idee für „On the Move“ war geboren. Seitdem engagieren sich Julia und Rick, der sein Studium inzwischen abgeschlossen hat, gemeinsam mit rund 20 weite-ren Mitstreitern aus Deutschland und Ghana für ein deutsch-afrikanisches Austauschprogramm, fördern gezielt Hilfsprojekte in 13 afrikanischen Ländern durch Fundraising und leisten konkrete Hilfe vor Ort.

Angekettet, weggesperrt oder gefoltert

Psychisch Kranke in Afrika werden stigmatisiert. Neben dem Austauschprogramm und dem Sammeln von Spenden ist das „Brain Awareness Program“ des Vereins eine Herzensangelegenheit der Aktiven. „Wir wissen, dass in Europa Patienten aufgrund psychischer Erkrankungen stigmatisiert werden“, berichtet Rick Wolthusen, Gründer und Vereinsvorsitzender von „On the Move”. In Afrika sei die Situation deutlich dramatischer, dort würden diese Leute oftmals sogar angekettet, weggesperrt oder gefoltert.
Gemeinsam mit seinen Mitstreitern und Professo-
ren der Harvard Medical School rief Wolthusen daher ein professionelles Aufklärungsprogramm rund um das Gehirn ins Leben. „Wir vermitteln Grundlagen und erklären: Es gibt ein Gehirn, das krank werden kann“, beschreibt Wolthusen. Gleichzeitig sollen Patientenrechte gestärkt werden in einer Umgebung, in der es kaum Präventionsangebote und Behandlungsmöglichkeiten gibt: In Ghana ist im Durchschnitt ein Psychiater für zwei Millionen Menschen verantwortlich.

Ein ganz besonderer Fahrradladen

Arbeit zu haben, bedeutet Teilhabe an der Gesellschaft und vermittelt – nicht nur bei psychischen Erkrankungen – eine stabilisierende Struktur. 2016 eröffnete „On the Move” deshalb in Aflao und auch in der kenianischen Großstadt Kisumu ganz besondere Fahrradläden. „Brain Cycles“ beschäftigt in Buchhaltung und Fahrradmechanik ausgebildete Patienten. „Medizinisch betreut, können diese Leute nun Geld verdienen, Medikamente kaufen und sich wie-
der in die Gesellschaft integrieren“, berichtet Wolthusen. Das Unternehmen „Brain Cycles“ wurde 2017 mit dem Starterpreis der Studienstiftung des deutschen Volkes ausgezeichnet. 2018 wird das Projekt zusätzlich erweitert: Mit dem „Home of Brains“ soll in Ghana ein Zuhause für von psychischen Erkrankungen Betroffene und deren Angehörige entstehen.

„Wir wissen, dass Patienten aufgrund psychischer Erkrankungen stigmatisiert werden“

Preisgekröntes Engagement

Auch in Deutschland engagiert sich „On the Move” und hat mit „Brain Awareness – Ich und die Welt“ ein auf die westliche Kultur zugeschnittenes Bildungsmodul entwickelt, um auch hier Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen abzubauen und Stigmatisierung entgegen zu wirken. Zuletzt war der Verein mit dem Brain-Awareness-Projekt Teil der Langen Nacht der Wissenschaften an der Technischen Universität Dresden. Thema war die Aufklärungsarbeit über den Aufbau und die Funktion des Gehirns in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Dresden. Auch über eine Nominierung für den Deutschen Engagementpreis 2017 dürfen sich die Aktiven freuen. Rick Wolthusen wird bei den anstehenden Veranstaltungen von „On the Move” jedoch erst einmal nicht persönlich dabei sein, er verbringt die kommenden Monate an seiner Alma Mater in Boston – und natürlich in Ghana.

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