Der Dresdner Iron Man

Stellt euch einen richtig guten Superhelden vor. Was muss er können? Das richtige Timing haben? Mutig sein? Sich für das Gute in der Welt einsetzen? Wissen, dass man die Unterhose unter das Kostüm anzieht? Oder wie wäre es denn einfach, wie in diesem Fall mit: Real sein?

Stellt euch einen richtig guten Superhelden vor. Was muss er können? Das richtige Timing haben? Mutig sein? Sich für das Gute in der Welt einsetzen? Wissen, dass man die Unterhose unter das Kostüm anzieht? Oder wie wäre es denn einfach, wie in diesem Fall mit: Real sein? 

Ich war nie besonders gut im Schätzen. Aber der Mann Anfang 30, der jetzt mit einem leicht bübischen Lächeln vor mir steht, ist etwa um die 1,75 m. Er ist schlank, aber kein Typ, der wöchentlich McFit aufsucht. Wenn man also rein vom Äußerlichen ausgehend auf der Straße nach einem Superhelden Ausschau hielte, würde man ihn wohl nicht in Rocco vermuten.

Doch nach dreieinhalb Jahren intensivstem Basteln in der eigenen Werkstatt, ist Roccos finanzielles Äquivalent zu einem Kleinwagen fertig: Sein Superheldenkostüm. Und nicht irgendeins: „Ich bin absoluter Marvel-Fan, da war schnell klar, dass es ein Iron-Man-Kostüm werden würde. Anfangs war es nur der Helm, aber das fand ich langweilig. Es kam immer ein bisschen mehr dazu und schließlich vereigenständigte sich die Sache. So wurde ein komplettes Kostüm daraus”, erzählt Rocco nicht ohne diesen elsterischen Blick in den Augen, der wohl am meisten mitnimmt – auch wenn man sich selbst in komplett anderen Interessenssphären bewegt.

Und ganz nüchtern betrachtet: Das ist ja erst mal nichts Besonderes. Jährlich finden sich Menschen auf Conventions zusammen und übertreffen sich gegenseitig an Originalität selbstgemachter Kostüme, die sie ebenfalls viel Zeit und Geld gekostet haben. Dass ein Kostüm allein nicht reicht, um den sympathischen Superhelden zu mimen, wissen wir ja spätestens nach dem Film „Suicide Squad”. Doch Rocco weiß seine „Verantwortung“ einzusetzen. Durch einen damaligen Schulfreund, 
der an Krebs erkrankte, kam ihm die Idee: „Aufgrund seiner Erkrankung musste er die ganze Chemotherapie-Geschichte über sich ergehen lassen. Dabei ist ihm bei seinen Krankenhaus-Aufenthalten aufgefallen, dass es keine Unterhaltungsprogramme für Kinder gibt. Da dachte ich mir: Für irgendwas muss der Anzug ja noch gut sein”, schmunzelt der geübte Karosseriebauer und Lackierer. Seitdem verschickt der gebürtige Dresdner Anfragen an Krankenhäuser und Stiftungen, die sich mit krebskranken Kindern beschäftigen, und bietet ihnen an, bei genau jenem Unterhaltungsprogramm nachzuhelfen. „Krankenhausbesuche sind aufgrund der hygienischen Bestimmungen schwierig, aber dafür arbeite ich beispielsweise bereits mit dem Sonnenstrahl e.V. zusammen.“ Dieser unterstützt betroffene Familien. Dabei dürfen die Kinder den Superhelden in spe persönlich kennenlernen und mit ihm Fotos machen. „Zusätzlich helfe ich mit dieser Aktion, Spenden für den Verein zu generieren.“

Seit Rocco die Initiative Mitte Januar ergriffen hat, sind bis Mitte Februar um die 200 € zusammengekommen. Das Ziel sind 1.000 €. Dabei regen sich auch Gegenstimmen: „Es gibt natürlich immer diese 10 %, die behaupten, ich würde das Geld in die eigene Tasche stecken – obwohl das nicht möglich ist.“ Zum einen gibt es nämlich ein offizielles Spendenkonto des Sonnenstrahl e.V. und zum anderen wäre das bereits rein rechtlich nicht möglich. Damit Rocco nämlich aus der Aktion Kommerz schlagen könnte, müsste Marvel gegen horrende Summen Rechte an Rocco abtreten. „Das ist zum einen unglaublich aufwendig, vor allem als Privatperson, und zum anderen viel zu teuer“, gibt Rocco an.

Er schöpft seinen Reichtum aus anderen Quellen: Nämlich aus staunenden und zufriedenen Kinderaugen, die er mit seinem Hobby aus dem manchmal tristen Alltag reißen und von ihrer Erkrankung ablenken kann. Zukünftig möchte Rocco auch in anderen Städten Zuspruch für sein Engagement finden, auch gern gemeinsam mit anderen „Superhelden”. Als ich frage, ob neben den bereits durchgeführten Fotoaktionen weitere Punkte auf dem Unterhaltungsprogramm stehen, antwortet er: „Klar, ich möchte sogar noch einen zweiten Anzug bauen. Der, den ich bereits habe, ist zwar bereits so maßstabsgetreu 
wie möglich, aber an Flexibilität fehlt es ihm leider.“ Deswegen soll ein weiterer Superheld folgen. Nicht ausgeschlossen ist dabei, die Marvel-Reihe fortzusetzen und somit ein lebhaftes Entertainment-Programm für die Kinder zu gestalten. Es zeigt sich: Seit den 30er Jahren, in denen die ersten Comics über Superhelden entstanden, sind sie lange nicht mehr nur Helden, die Generationen geprägt haben. Sie haben sich zunehmend weiter entwickelt. Und heute sind sie neben den obligatorischen Adjektiven „mutig“ und „gerecht“ glücklicherweise auch „real“.

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