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Filmrezension Eldorado

Eine Dokumentation, die sowohl einen persönlichen als auch einen umfassenden internationalen Blick auf die Behandlung von Flüchtlingen wirft.

Am Horizont des Mittelmeers lässt sich ein Schatten erspähen, ein düsterer Umriss, der bedrohlich näher treibt. Die Silhouette formt sich zu einem Boot, lässt erst nur Köpfe, dann ganze Personen, alte und junge, schwache, kranke, weinende, aber vor allem ängstliche erkennen. Die meisten der Insassen stammen aus Nordafrika und treiben bereits tagelang hilflos auf dem Wasser – in der Hoffnung auf Rettung und auf ein friedliches, menschenwürdiges Leben auf der anderen Seite des Meeres. 

Die Angst der Geflüchteten davor, nicht gerettet zu werden, sondern kläglich auf diesem Boot verdursten oder ertrinken zu müssen, rückt auf der großen Kinoleinwand beängstigend nah. Der Filmeinstieg konfrontiert den abgestumpften Kinobesucher von Beginn an ungeschönt mit dem Schicksal der Menschen, das die meisten nur aus den Nachrichten kennen. Es lässt den außenstehenden Betrachter beschämend in seinen bequemen, wohlbehüteten Kinosessel fallen. Dabei will der preisgekrönte Regisseur Markus Imhoof mit seinem Film „Eldorado“ in erster Linie nur beobachten, um ein globales Phänomen spürbar zu machen. Die Rettungsaktionen, die Imhoof  dazu vor der lybischen Küste filmt, sind nur der Beginn eines schauderhaften Dramas. Mit Bildern, die u.a. Szenen aus echten Aufnahmelagern und Geschichten von wahren Schicksalen erzählen, stürzt sich der Regisseur mit seiner Kamera in eine Welt, die keiner sehen will. Sein Anliegen, das Unsichtbare sichtbar zu machen, verbindet er mit privaten Erinnerungen, die sein Leben von Kind an geprägt haben. Vor 70 Jahren wählte seine Mutter am Güterbahnhof ein italienisches Flüchtlingsmädchen aus, um es in der Schweiz, dem neutralen Land inmitten des zweiten Weltkrieges, aufzupäppeln. Die Sehnsucht nach Giovanna schenkt Imhoof einen radikalen Kinderblick auf die Thematik und erinnert uns gleichzeitig daran, dass diese Migrationswellen schon einmal da waren. Warum soll das, was in den frühen 1950er Jahren möglich war – nämlich die Aufnahme von viel mehr Geflüchteten als heute – jetzt unmöglich sein? Das kollektive Gedächtnis der Menschheit scheint mit einem Verfallsdatum versehen worden zu sein. 

Migration ist ein globales Thema

Aus den düsteren Booten, die an dem Tag auf dem Mittelmeer umhertreiben, werden am Ende des Einsatzes 1.800 Männer, Frauen und Kinder gerettet und auf das italienische Festland transportiert. Da das europäische Land, das der Geflüchtete als Erstes betritt, für das ganze Asylverfahren verantwortlich ist, entscheidet nun Italien über die Zukunft – den Verbleib oder die Abschiebung – dieser Menschen. Während des Verfahrens darf der Asylsuchende das Land nicht verlassen; viele versuchen es trotzdem. Relativ schnell kristallisiert sich heraus, dass sich das Thema Migration nicht ohne Geld, Globalisierung und Ausbeutung erzählen lässt. Meist sind die Flüchtlinge einem zum Teil korrupten und fremdenfeindlichen globalen Netzwerk ausgeliefert. Markus Imhoof skizziert, dass auf der anderen Seite des Ufers kein hoffnungsvolles Märchen oder Traumland auf die Flüchtlinge wartet. Ganz im Gegenteil: Er dokumentiert eine Flucht aus der Hölle, die für die meisten nicht im Paradies, im erhofften nordeuropäischen „Eldorado“, sondern im Fegefeuer endet. „Vorwärts gehen heißt sterben, sagen sie, zurück gehen heißt sterben. Also besser vorwärts  gehen und sterben, sein Leben aufs Spiel setzen und nicht aufgeben“. Alles oder nichts: Ein Leidensweg, den wir Europäer nur schwer nachempfinden können. 

Nicht einmal das grelle Licht des Kinosaals mag uns aus dieser abgrundtiefen Hoffnungslosigkeit befreien, „Eldorado“ ist definitiv nichts für schwache Gemüter. Aber nicht aufgrund von übertriebener Gewalt, sondern weil der Inhalt des Films nicht fiktiv ist. Die Tatsache, nach Ende des Films nicht einfach aufstehen zu können, um zu gehen und zu sagen „Ist ja nur ein Film“, lähmt. Wir fühlen uns hilflos, obwohl wir helfen wollen – ohne zu wissen wie. Im Kern geht es um den Konflikt zwischen „ich“ und „uns“ und darum, dass sich nichts ändert wird, solange wir nicht dazu bereit sind, unseren Wohlstand mit anderen zu teilen. Schweren Herzens verlassen wir den Kinosaal, um dieser herzlosen Welt entgegenzugehen, einer Welt, der Grenzen wichtiger sind als Menschenleben. 

Info: Eldorado ist eine schweizerische-deutsche Produktion, produziert von Thomas Kufus und Pierre-Alain Meier, die am 26. April 2018 u.a. im Leipziger Passage Kino erscheint. 

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