Mein Viertel: Nürnberger Ei

Woher der Name der kleinen Südvorstädter Grünanlage kommt, ist nicht ganz klar. Eigentlich ist mit dem Begriff „Nürnberger Ei“ nämlich eine Taschenuhr gemeint.

Woher der Name der kleinen Südvorstädter Grünanlage kommt, ist nicht ganz klar. Eigentlich ist mit dem Begriff „Nürnberger Ei“ nämlich eine Taschenuhr gemeint. Eins haben die Uhren, „echte“ Eier und auch die besagte 
Grünfläche jedoch gemeinsam: sie sind oval. Vermutlich ist die Namensgebung unserer kleinen Parkanlage daher primitiver als gedacht. Doch hinter diesem ovalen Platz steckt doch viel mehr, als der Name zunächst vermuten lässt.

Wer in der Straßenbahnlinie 8 einschläft, wird spätestens an der Endhaltestelle wieder wach. Doch befindet man sich dann, nicht wie erwartet, am Ende der Welt, sondern im westlichen Teil der Südvorstadt – gar nicht so weit vom Zentrum gelegen. Umgeben von gemütlichen Wohnanlagen und universitärem Trubel findet man sich auf der Achse Nürnberger Straße, zwischen Hübnerstraße und Bernhardstraße, auf einer ovalen Grünfläche wieder. Zugegeben, im Winter erscheint die Platzanlage eher grau, doch gibt sie mit ihren mächtigen Linden und den zum Verweilen einladenden Sitzecken einen recht passablen Anblick ab. Die Geschäftigkeit rund um das Nürnberger Ei ist groß: In vielen Läden tummeln sich die Leute und besorgen hektisch noch den letzten Einkauf. Wie fleißige Ameisen laufen die Studenten von A nach B und ab und zu kommt die Straßenbahnlinie 8 durch ihre Gleisschleife gefahren. Dabei lohnt es sich, einmal innezuhalten und die Umgebung des „Eis” genauer unter die Lupe zu nehmen, denn der Platz steckt voller Geschichten aus längst vergangenen Zeiten. 

Viele Gesichter voller Erinnerungen 

Die Chronik des Nürnberger Eis beginnt vor mehr als 100 Jahren. Während des Baus der angrenzenden Nürnberger Straße um 1900 wurde die Platzanlage ursprünglich als Grundstück für eine Kirche erschaffen. Es sollte die Zionskirche sein, die jedoch das Nürnberger Ei nie schmücken durfte, da sie ab 1901 an anderer Stelle der Nürnberger Straße gebaut wurde. Die freie Fläche blieb somit unbebaut und entwickelte sich nach und nach zu einer parkähnlichen Anlage. Jedoch war es eine nervige Sache, wenn man jedes Mal, um auf die andere Seite des Platzes zu kommen, entweder um den kleinen Park herum gehen musste oder zu einem Rasenlatscher wurde. Da sich die meisten für zweiteres entschieden und der Rasen sich so oder so zu einem moderigen Weg verselbstständigt hatte, wurde später nachträglich die Liebigstraße gebaut. Sie teilt heute den Park an der breitesten Stelle in zwei Hälften. Auf der einen Seite findet man eine reine Grünfläche, bestückt mit vielen altehrwürdigen Bäumen. Die andere Seite besteht aus einer kleinen Anlage mit vielen Sitzbänken, gesäumt vom Blumenbeeten, Rosenhecken, einem Grünstreifen und dem dahinterliegenden Bahnhäuschen mit der Endhaltestelle der Bahnlinie 8. Auch der berühmte Bildhauer Vinzenz Wanitschke verewigte sich auf dem Ei. Seine Skulptur „Kleine Liegende” ist neben den großen Werken (wie der Brunnen am Hotel Bellevue) eher unscheinbar, gibt dem Platz am Nürnberger Ei jedoch eine musische Note. 

Doch jede Medaille hat zwei Seiten, so auch das Nürnberger Ei. Nicht nur ein gemütlicher Park wurden hier verewigt, sondern auch Andenken, die an die Schreckenszeiten des Nationalsozialismus erinnern. Rund um den Platz befinden sich viele kleine Goldplatten in den Gehwegen – die sogenannten „Stolpersteine”. Sie sind Gedenksteine für ehemals jüdische Bewohner des Viertels, welche der Zeit des Dritten Reiches zum Opfer fielen. 15 Stolpersteine sollen an die Schreckenserlebnisse der damaligen Bewohner erinnern. 

Ein besonders mutiger Bewohner 

In früheren Tagen säumten prächtige Villen und ehrwürdige Hochschulbauten den Platz. Doch wie der Großteil Dresdens, blieb auch die Gegend um das Nürnberger Ei nicht von den Luftangriffen 1945 verschont. So wurden viele der Villen bis auf den Grund zerstört. Jedoch haben drei der wohl ältesten Häuser rund um die kleine Parkanlage den Krieg überlebt. Im Jahre 1905 wurden die Häuser als Teil eines prächtigen Ensembles im Jugendstil erbaut. Sie umsäumten den gesamten Platz und wurden ursprünglich vom Königlichen Stab als Wohnanlage genutzt. In der Bombennacht vom 13. Februar 1945 wurden dann jedoch alle Häuser, bis auf diese drei, zerstört. Sie blieben wie durch ein Wunder unbeschadet. Dieses Wunder ist einem sehr mutigen Hausbewohner zu verdanken. Unter Lebensgefahr rannte dieser in die obersten Geschosse des Dreiergespannes und warf die gefährlichen Brandbomben vom Dach. Wer der Retter der alten Villen war, bleibt bis heute unbekannt. Eines ist jedoch klar: Ihm verdanken wir es, dass dieses Stück der Häuserreihe noch heute in seiner alten Pracht und als stolzes Denkmal erstrahlt. 

Ein Platz voller Leben 

Die Umgebung um das Nürnberger Ei war seit jeher hauptsächlich vom Wohn- und Hochschulbetrieb geprägt. Doch wie es meistens mit so einem Platz ist, wird er Zentrum des geschäftigen Lebens. So bekam die Gegend in den 1960er Jahren seine eigene Ladenzone. Zwischen 1994 und 1996 wurden zusätzlich die damals gleichnamige Wohngebietsgaststätte „Nürnberger Ei“ durch ein Wohn- und Geschäftshaus mit ovalem Grundriss – um dem Ei gerecht zu werden – ersetzt. Heute findet sich rund um den Platz eine belebte Geschäftsstraße. Verschiedene Lädchen mit Lebensmitteln, Blumen, Haushaltswaren, Spielzeug, Mode, Schmuck usw. erfreuen sich des stetigen Treibens am Nürnberger Ei. Aber auch Apotheke, Bibliothek, Friseur, Post und Arztpraxen ermöglichen hier ein passables Leben, ohne jemals einen Fuß außerhalb der Gegend um das Nürnberger Ei setzen zu müssen. Natürlich darf jedoch das Wichtigste nicht fehlen: das Essen! Wer nicht zu Hause kochen möchte, kann sich in einem der vielen Bars und Restaurants den Bauch vollschlagen. Da ist garantiert etwas für jeden kleinen und großen Hunger dabei – von gemütlichem Café und Bäckerstube über Dönerbude bis hin zum schicken Italiener und libanesischen Restaurant. Getrunken werden darf natürlich auch. In der urigen Studentenkneipe „Campus” gibt’s nicht nur für Studenten Durstlöscher! Jeder, der einen gemütlichen Abend mit Bier und Burger verbringen möchte, ist hier herzlich willkommen. 

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