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Der schönste Alltag: Neufundland im Interview

Nachdem Neufundland sich als Vorband durchgeschlagen hat, steht nun endlich die erste eigene Tour ins Haus.

Nachdem die Indie-Band Neufundland als Support für Größen wie Von Wegen Lisbeth, Die Höchste Eisenbahn, Wanda oder Thees Uhlmann  gespielt hat, steht nun endlich die erste eigene Tour ins Haus. Passend dazu findet sich seit Mitte November ihr Debütalbum „Wir werden niemals fertig sein“ im gut sortierten Plattenregal. Am 16.12. statten sie auch der GrooveStation einen Besuch ab. Vorab haben wir Sänger Fabian beiseite genommen. 

Inhaltsverzeichnis

 

Über euch ist ja noch nicht allzu viel bekannt. Wie habt ihr denn überhaupt zusammen und zur Musik gefunden?

Ein Teil von uns kommt aus der gleichen Stadt in Nord- deutschland, wo wir seit Kindertagen Musik gemacht haben. Obwohl sich zwischenzeitlich zwecks Studium und so alles etwas zerstreute, ließ uns die Musik nie richtig los, sodass wir beschlossen, das so richtig in Angriff zu nehmen. In Köln fanden wir dann auch unseren Bassisten und Gitarristen und wenn man so will, entstand auch hier erst die finale Struktur für Neufundland (lacht). 2013/14 folgten dann die ersten Gehversuche, um rauszufinden, was Neufundland überhaupt sein könnte. Dafür haben wir lange gebraucht. Die Öffentlichkeit kriegt davon selten etwas mit, aber vermutlich machen das viele Bands durch. Den eigenen Sound zu entwickeln dauert einfach. Von daher ist das jetzige Album unsere erste umfassende Ansage, von wegen: Hier, das ist Neufundland.

 

Wie lebt es sich denn so als Berufsmusiker? 

Mal gut, mal schlecht, so wie in vielen anderen Berufen auch (lacht). Es ist ein Feld, in dem man viel kämpfen muss und auch viel darüber nachdekt, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist. Aber gleichzei-tig schafft er auch viele Freiheiten und natürlich ist es eine Sache, die man selbst gewählt hat. Im Grunde ist es der schönste Alltag, den ich mir wünschen kann.

„Ich mach Musik, Scheiß auf euch und ich nehm‘ mir meine Zeit“ singst du in „Alles was bleibt“. Ist das eine besungene Zusammenfassung der Karenzzeit zwischen EPs und erstem Album?

Es geht ja noch weiter: „12 Jahre alt und halb so viele Saiten in der Hand.“ Zeitlich geht’s hier also bis in die Kindheit zurück; als man zur Musik fand und gemerkt hat, dass es das Allerschönste ist – bis hin zu dem Punkt, an dem wir jetzt sind. In dem Song geht’s auch vor allem darum, sich von äußeren Zwängen und dem Druck, doch bitte mal was Anständiges zu machen, freizumachen (lacht). Wir spielen diesen Song bei Konzerten immer als erstes und vielleicht ist das auch jeden Abend aufs Neue der Appell an mich selbst – zu wissen, warum ich da überhaupt bin und wie man da gelandet ist. Mein Mantra sozusagen (lacht).

Ihr habt eurem Debüt den Titel „Wir werden niemals fertig sein“ gegeben. Wie darf man das verstehen? Dauerbaustelle Neufundland?

Ja, der Titel ist schon programmatisch. Einerseits ist ein künstlerisches Projekt, egal ob Band oder etwas anderes, immer eine Art Dauerbaustelle. Das hört nie auf. Gleichzeitig meint es aber auch unsere eigene persönliche Entwicklung, die eben auch nie endet. Vielleicht hat man mal mit 16 gedacht: „Später, dann bin ich mal diese Person und es wird alles so und so sein. Alles ist cool. Ich bin fertig“. Aber so ist es halt nicht und letztlich stellst du fest: So wird es auch nie sein. Du bist immer im Umbau und veränderst dich die ganze Zeit. Möglicherweise ist es auch ein wenig zeitdiagnostisch, weil ich schon glaube, dass unsere Generation zwischen 20 und 35 Jahren in so einer komi-schen Übergangsphase steckt, in der alle nur noch in irgendwelchen Zeitverträgen hängen, keiner hat eine Festanstellung oder weiß, was in den nächsten zehn Jahren mit ihm passieren wird … Ich glaube, das alles trifft sich auf diesem Album. Künstler, Mensch und Angestellter, der zig Nebenjobs macht, um Musiker sein zu können. (lacht)

 

Da du es jetzt selber angesprochen hast: Man verleiht ja ganz gern den Titel „Stimme einer Generation“ – seht ihr euch so?

Nein, gar nicht. Ich glaube, da hat man auch viel zu sehr mit sich selbst zu tun. Ich tue mich auch mit diesem Generationsbegriff schwer. Ich meine, in seiner Zeit bildet man natürlich mit dem, was man erlebt, eine Art Schicksalsgemeinschaft, aber außer dem gibt es glaube ich nicht viel mehr, was die Leute eint. Aber trotzdem ist es auf dem Album schon so, dass man merkt: Man hat vielleicht Probleme, die andere auch haben und steckt an denselben Stellen fest. Aber auf der Platte sind das eher so kleine, persönliche Geschichten, als dass ich jetzt die Faust in die Luft werfen und behaupten will: Das ist jetzt das Testament unserer Zeit (lacht). Das auf gar keinen Fall.

Welche kleine persönliche Songgeschichte liegt dir denn am meisten am Herzen? 

Das wechselt jede Woche und geht auch immer in beide Richtungen. Es gibt schon Tage, an denen man bei dem einen Song denkt: Boah, der gefällt mir gar nicht mehr und dafür ist plötzlich der, den ich letzte Woche blöd fand, der schönste Song der Welt. Die Nähe ist auch einfach zu groß; so als würde man 10 cm vor einem Bild stehen und sieht nur noch Pinselstriche, aber nicht mehr das große Ganze. Von daher ändert sich das mit den Lieblingssongs fast alle paar Minuten bei mir. 

Wenn die Wechselstimmung so schnell ist, wie habt ihr dann überhaupt das Album zustande gekriegt? 

Am Ende ist das Umfeld ganz wichtig. Auch unser Produzent meinte: „Jungs, alles was ihr braucht, ist jemand, der euch mal sagt, dass es jetzt fertig ist.“ Das stimmt schon und ich glaube, das geht wirklich allen oder zumindest vielen so. Irgendwann bewegt man sich nur noch schrittweise und ändert im marginalen Bereich, ohne dass es besser oder schlechter wird. Dann ist es gut, wenn jemand von außen kommt und feststellt: „Ja geil, fertig und Punkt.“

Welche Musik inspiriert euch denn? 

Ich glaube, es gibt zwei Ebenen von Inspiration. Die eine ist sehr bewusst. Wir wollen uns gar nicht so sehr an deutscher Popmusik orientieren, sondern suchen unsere Referenzen eher im Angloamerikanischen. Ich hab das Gefühl, dass die deutsche Indieszene und auch die Popmusik lange Zeit feststeckten. Wirklich was Neues kam nicht. Möglicherweise hat es viel damit zu tun, dass man sich immer wieder auf die gleichen Referenzen bezogen hat, was irgendwann langweilig wird. Erst in den letzten Jahren hab ich das Gefühl, es passiert wieder was Erfrischendes, weil Leute da sind, die was wagen, neue und andere Referenzen suchen. In so einem Rahmen entstehen Bands wie Bilderbuch … Andererseits meint Inspiration für mich ein viel allgemeineres Feld, bei dem man eben nicht so genau sagen kann, woher das Gefühl gerade kommt. Es ist also gar nicht so sehr das „Abgucken“ und selber was Ähnliches machen wollen, sondern vielmehr der Moment, in dem man Bock bekommt, kreativ zu sein. Das kann halt auch passieren, wenn ich mir ein Shakira-Konzert angucke. Man weiß nie, aus welcher Ecke es kommt (lacht).

Passt das denn, sich international zu beziehen und auf Deutsch zu singen?

Wenn es allein darum ginge, könnte man natürlich sagen, man sollte auf Englisch singen, allein schon, um mehr Leute zu erreichen … ich persönlich bin der Meinung, dass es gerade gut ist, in der eigenen Sprache zu singen, weil es nicht darum geht, sich immer zu wiederholen. Und auch, weil man in der Muttersprache am präzisesten ist. Letztlich ist es auch das, was ich so sehr an Independent-Musik mag. Höre ich mir ein altes Tomte- oder Tocotronic-Album an, ist es die Sprache, woran ich wirklich Spaß habe, weniger die Musik.

 

Ihr scheut euch auch nicht vor politischen Aussagen. Warum ist euch das so wichtig?

Es ist nicht so, dass es uns über alle Maßen wichtig ist, ich habe nur das Gefühl, allen anderen ist es nicht wichtig genug. Wenn ich das Radio anmache, ist alles egal und es gibt keinen Inhalt mehr, sondern nur noch die Form und die wird immer und immer wieder repliziert, damit es jeder singt und mitsummen kann. Inhalte gibt’s da nicht mehr. Das finde ich enttäuschend. Ich will keine Politband sein. Wenn ich Bock drauf habe, möchte ich zehn Liebeslieder schreiben können, aber es ist wichtig, dass man nicht vergisst, dass es eine riesige Bandbreite an Themen gibt. Zur Zeit verdichtet sich ganz viel Musik gerade auf ein Nadelöhr von Inhalten, sodass es drum herum nichts mehr geben kann. Wir wollen aber mit unserer Musik alle Spektren des Lebens abbilden können. Von daher würde ich mir schon wünschen, dass mehr Bands eine politische Aussage treffen, aber ich glaube so langsam passiert das auch.

 

So unbedingt allein seid ihr damit ja tatsächlich nicht: Von wegen Lisbeth, Faber oder – in die Mainstream-Chart-Richtung geblickt – sogar Adel Tawil hat politische Songs auf seinem Album. Ist das gerade Zeitgeist?

Also man tendiert natürlich schnell dazu, ein zeitdiagnostisches Urteil zu fällen. Vielleicht fangen die Mittzwanziger so langsam an, jetzt doch zu merken, dass sie mal eine Aussage treffen müssen, wenn gerade überall Pegida und Vergleichbares rumsteht. Aber es kann auch hundert andere Gründe haben. Ich habe ehrlich gesagt keine Antwort drauf. Mir war das schon immer recht wichtig und wenn ich mir so die Fabers und Von Wegen Lisbeths dieser Welt anschaue, habe ich auch das Gefühl, dass das alles keine Leute sind, die auf den Kopf gefallen sind. Vielleicht ist es jetzt gerade mal wieder Zeit für solche Musik. Das würde ich mir auf jeden Fall wünschen.

 

Eure Songs und dabei besonders die, in denen ihr politisch werdet, muss man sich erst erschließen. Ihr liefert die Message wahrlich nicht frei Haus, was einerseits ganz spannend ist – aber befürchtest du nicht, dass es irgendwann zu anspruchsvoll werden könnte?

Ja, schon. Man muss auch immer eine Balance fin-den. Es ist tatsächlich was anderes, ob du einen Text liest oder ihn in Form von Musik hörst. Ich kenne auch viele deutsche Alben, bei denen ich mir irgendwann denke, ich kann mir das nicht mehr anhören, weil es mich gerade überfordert.

Auch weil man in diesem Popmusikkontext nur seine drei oder vier Minuten hat, in denen man was erzählt. Und von daher bin ich auch immer Fan von einem klaren, schönen Chorus, in dem die Botschaft runtergebrochen wird. Ich glaube, das ist oft im Interesse der Musik und muss nicht den Inhalt verkürzen. Neufundland ist schon der Versuch eines Mittelwegs zwischen Inhalten, die sich nicht in einem Satz kommunizieren lassen, aber trotzdem noch Spaß machen. Das ist jedenfalls das Ziel, und wie gut das dann gelingt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich hoffe es klappt ganz gut (lacht).

Eure erste eigene Tour steht ins Haus, bei der ihr euren Mittelweg ja gleich mal zur Bewertung präsentieren könnt. Aufgeregt?

Ja, ein bisschen. Nicht in einem extremen Maße, weil wir jetzt schon so unglaublich viel gespielt haben, aber ich bin neugierig und freue mich, den Abend mal alleine gestalten zu müssen. Ich freue mich einfach über jeden, der kommt, um mit uns gemeinsam das Album zu feiern. Ich glaube, das wird sehr schön. Es ist für uns jetzt auf jeden Fall etwas Besonderes, weil wir so viele Festivals und so viele Supports gespielt haben, dass sich das jetzt wie der nächste logische Schritt anfühlt. Und darauf freue ich mich.

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