Gegen jeden Rassismus 7 Fragen zum Refugees Welcome Release

Jonas Engelmann und Thorsten Nagel wollen mit dem Refugees Welcome Release aufklären, um einem rassistischen Normalzustand entgegen zu wirken. Wir haben Thorsten Nagel zum Release befragt.

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Gegen jeden Rassismus! Das ist die Botschaft des Release „Refugees Welcome“. Ein Projekt von und für Menschen, die für Solidarität eintreten und sich Rassismus entgegenstellen. Mit der Unterstützung bekannter Künstler wie Dirk von Lowtzow (Tocotronic), Frittenbude, Feine Sahne Fischfilet, Egotronic, Mal Elévé (Irie Revoltés) sind dabei exklusive Songs entstanden. In Kooperation mit dem Springstoff Label wurde der Sampler am 8. April. 2016 veröffentlicht. Jonas Engelmann und Thorsten Nagel wollen aufklären, um einem rassistischen Normalzustand entgegen zu wirken. Sämtliche Erlöse des Albums werden lokalen antirassistischen Initiativen zur Verfügung gestellt. Wir befragten Thorsten Nagel zum Release. 

  1. Was war für euch der Auslöser zu sagen: „Jetzt müssen wir etwas gegen Rassismus machen“?

    Die Idee kam uns schon im Sommer 2013. Die Situation für Flüchtlinge in Europa spitzte sich weiter zu, der Rassismus in der Gesellschaft stieg weiter an und wir vermuteten, wenn es weiter so gehe, könnten sich ähnliche Situationen wie Anfang der 90er Jahre wiederholen. (Exkursion: Ausschreitungen in Rostock Lichtenhagen zwischen dem 22. und 26. August 1992. Eine Aufnahmestelle für Asylbewerber wird von mehreren rechtsextremen Randalierern in Brand gesteckt und bis zu 3.000 applaudierende Zuschauer behindern den Einsatz von Polizei und Feuerwehr, bis diese letztendlich abzieht und die Menschen völlig auf sich allein gestellt sind.) Dem wollten wir unbedingt entgegensteuern. Dann haben wir einfach losgelegt. Einen besseren Zeitpunkt kann man sich nicht vorstellen, da die anfängliche Willkommenskultur am Kippen ist. Nach alledem, was sich die Rechten momentan trauen, war es für uns an der Zeit, dem entgegenzusteuern. Im Zuge des letzten Projekts „No Border“ haben wir bereits ein Buch veröffentlicht. Mit der CD wollen wir jetzt vor allem junge Leute erreichen. Der beiliegende Sampler soll Zusatzinformationen liefern und dabei möglichst leicht verständlich sein.

  2. Wie seid ihr auf die Künstler zugegangen?

    Wir haben einfach bei den Künstlern angefragt und viele waren dann gleich positiv eingestimmt und wollten unbedingt extra einen Song für den Release schreiben. Mit „Deutschland, Arschloch, Fick dich“ von Egotronic z.B. schlagen die Lieder teilweise einen sehr rauen Ton an. Muss man das, um die Botschaft rüberzubringen? Das ist schon so gewollt. Die Lieder sollen eine deutliche Position einnehmen. Viel wichtiger war uns aber, eine musikalische Vielfalt zu schaffen, die wir genau durch solche unterschiedlichen Künstler haben.

  3. Sind wir, anlässlich aktueller Geschehnisse, wirklich „der böse Osten“?

    Es ist völlig egal, wo man wohnt, oder wie man gesellschaftlich aufgestellt ist. Rassismus zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten durch und ist sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern vertreten. Das „Wegschauen“ der Politik hat maßgeblich dazu beigetragen, dass vor allem auch die organisierte rechte Szene in vielen Regionen in Ruhe arbeiten konnte.

  4. Was wollt ihr mit dem Projekt erreichen?

    Wir hoffen natürlich, dass sich die CD oft verkauft. Ziel ist es, ein großes Spektrum an Menschen zu erreichen. Daher haben wir in unserem Sampler versucht, die Flüchtlingspolitik für jeden verständlich zu erklären und mit Vorurteilen und Missverständnissen aufzuräumen. Wir wollten vor allem auch Politikverdrossene damit erreichen, um zu signalisieren, dass es jeden etwas angeht. Wenn das dann den Effekt hat, dass sich die CD gut verkauft und Geld für antirassistische Projekte reinkommt, ist das natürlich ein doppelter Gewinn.

  5. Sind weitere Projekte geplant?

    Wir denken gerade über ein Anti-Rassismus-Festival nach. Aber zuerst würden wir gerne mit den Künstlern auf Tour gehen. Die Bands nehmen die CD aber auch ohnehin mit zu ihren Konzerten  und verkaufen sie vor Ort. So streut das Ganze nochmal.

    „Es scheint, als wäre es Trend, contra Refugees zu sein“

  6. Wie wird sich deiner Meinung nach die Situation in Deutschland weiterentwickeln? 

    Die Situation in Deutschland wird sich dieses Jahr weiter zuspitzen und polarisieren. Meiner Meinung nach wird die AfD weiter an Wählern gewinnen. Immer mehr Leute werden auf diesen rechtspopulistischen Zug aufspringen. Bei all dem, was sich die Rechtsextremisten momentan so trauen, scheint es, als wäre es Trend, contra Refugees zu sein. Von daher glaube ich, dass die CD, die jetzt erscheint, total notwendig ist, um gegenzusteuern. Die Grenzen werden de facto dicht bleiben. Immer mehr Menschen werden sich auf die Flucht begeben. Es wird höchste Zeit, eine Debatte hinsichtlich der Verteilung von Flüchtlingen zu führen, denn die Menschen werden weiterhin kommen! Aufgrund des Klimawandels wird vielleicht beispielsweise Bangladesch durch den steigenden Wasserspiegel irgendwann nicht mehr da sein. Oder die Dürreperioden in Afrika zwingen die Menschen zur Flucht, was ja auch völlig nachvollziehbar ist. Aber nicht nur das, es ist auch das Wirtschaftssystem, dass die Menschen aus ihrem Land treibt. Das liegt unter anderem an Wirtschaftsmächten wie Europa, Amerika und Asien, die mit günstigeren Waren den Markt beherrschen. Die Konsequenz ist, dass in vielen Regionen die Lebensgrundlage fehlt. Hier laufen einfach so viele Faktoren ineinander. Es ist meiner Meinung nach keine Lösung, die Festung Europa weiter auszubauen und sich abzuschotten. Es sollte einen absoluten Turnaround in der Politik geben. Aber nicht nur in Deutschland ist die Situation angespannt, in Frankreich bspw. sieht es nicht anders aus. Die An- und Übergriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte werden zunehmen. Das Thema wird uns die nächsten Jahrzehnte noch beschäftigen.

  7. Was kann denn „der Einzelne“ tun?

    Erst einmal ist es wichtig, hinzusehen und sich einzugestehen, dass es so nicht weitergehen kann. Dann sollte man sich informieren und zu guter Letzt nicht von der Masse mitreißen lassen – aus Angst, dass man in der Gesellschaft ausgegrenzt wird.