Welche Veränderungen gibt es durch den Mindestlohn? Abgerechnet: Mindestlohn in der Gastronomie

urbanite hat einen Kunden, eine Kellnerin und einen Leipziger Gastronomen gefragt, was sich seit der Einführung des Mindestlohns für sie verändert hat.

Ab dem 1. Januar 2015 hat Deutschland den gesetzlichen und flächendeckenden Mindestlohn von 8,50€ für Arbeitnehmer eingeführt. Idee hinter dieser Maßnahme ist es, dass Arbeitskräfte angemessen entlohnt werden und ohne ergänzende Sozialleistungen auskommen können. Vorbehalte gegenüber dem Konzept gab es vor der Einführung unter anderem von Seiten der Gastronomie, da hier das Gehalt der Angestellten bisher oft unter dem jetzigen Mindestlohn lag und somit große Veränderungen ins Haus standen. Auch im Bezug auf die Arbeitszeitenerfassung gibt es nun strengere Regelungen, deren Einhaltung jederzeit vom Zoll überprüft werden kann. Bei Verstößen drohen empfindliche Geldbußen. Wir haben mal bei einem Kunden, einer Kellnerin und einem Leipziger Gastronomen nachgefragt, was sich seit der Einführung für sie verändert hat.

Kundenmeinung: Student Max

© Vanessa Schmitz
„Grundsätzlich zahle ich gerne etwas mehr, damit eine gerechte Bezahlung für Angestellte möglich wird. Ich bezweifle allerdings, dass der Mindestlohn für Kellner und Kellnerinnen wirklich einen so großen Vorteil für diese bringt.“ Er habe schon mitbekommen, dass wohl jetzt weniger Trinkgeld gegeben wird als noch vor dem Mindestlohn. „Ich kann das nicht richtig nachvollziehen. Nur weil ein Getränk jetzt ein paar Cent mehr kostet als noch im letzten Jahr, gebe ich nicht weniger Trinkgeld. Guter Service ist mir noch genauso viel Wert wie vorher, und wenn die Kunden jetzt nicht mehr bereit sind, dafür ein entsprechendes Trinkgeld zu geben, dann haben die Servicekräfte unterm Strich auch nicht mehr Geld als vor dem Mindestlohn.“

Max hat außerdem das Gefühl, dass der Mindestlohn zu früh eingeführt wurde. „Das ging damals alles sehr schnell. Zwischen dem Beschluss, dass es den Mindestlohn geben wird, und der Einführung lagen nur ein paar Monate. Klar, man will natürlich, dass die Angestellten schnell von dem Beschluss profitieren. Aber Arbeitgeber, auch in der Gastronomie, brauchen doch Zeit, um sich darauf einzustellen. Vielleicht hätte man langsamer die Preise immer wieder anheben können, um so die steigenden Lohnkosten besser aufzufangen. Ich glaube, das ganze Konzept hätte auch in anderen Bereichen noch wesentlich mehr Zeit zur Ausarbeitung gebraucht.“

Aus der Sicht einer Angestellten: Kellnerin (bleibt anonym)

© urbanite

„Als feststand, dass der Mindestlohn eingeführt wird, habe ich mit gemischten Gefühlen reagiert. Ein höherer Stundenlohn ist natürlich erst einmal etwas Gutes, nur war ich mir nicht sicher, ob am Ende des Monats durch die höheren Abgaben unterm Strich überhaupt mehr Geld dabei rausspringt.“ Als dann der erste Lohn auf dem Konto war, war sie dennoch positiv überrascht: „Vorher habe ich knapp 6,80€ pro Stunde verdient, jetzt sind es 8,50€. Meine Abgaben waren bisher nicht so hoch, weil ich verhältnismäßig wenig gearbeitet habe, da noch keine Hauptsaison ist.“

Das erste Gehalt unter dem neuen Mindestlohn war also für mich eine sehr positive Überraschung. Wenn ich bald im Sommer wieder mehr arbeite, wird sich dieser bisher positive Eindruck aber vielleicht wieder ändern.“ Rückgänge bei der Höhe des Trinkgeldes hat aber auch sie schon gespürt: „Die Kunden haben auf die erhöhten Preise nicht sehr positiv reagiert, das Verständnis kam meist erst, wenn wir erklärt haben, wieso wir die Preise erhöhen mussten. Weniger Trinkgeld bekommen wir dennoch, ich habe sogar das Gefühl, dass die Kunden denken, wir hätten das jetzt mit dem Mindestlohn nicht mehr nötig. Das ist natürlich falsch, denn mit dem höheren Lohn kamen eben auch die höheren Abgaben. Ich hoffe, dass wird unseren Kunden mit der Zeit noch bewusster.“ Der Arbeitsalltag habe sich auch schon ein wenig verändert. „Durch die höheren Löhne und auch durch die strengeren Regeln bei der Arbeitszeiterfassung, versuchen unsere Vorgesetzten natürlich, nicht unnötig viele Mitarbeiter für eine zu lange Zeit am Arbeitsplatz zu haben. Wir haben aber Verständnis dafür, dass wir auch im Bezug auf unsere eigenen Arbeitszeiten jetzt einfach flexibler sein müssen.“

Die Meinung eines Gastronomen: Ralf vom Café Cantona

© Thomas Meyer
„Wir haben uns schon vor dem 1. Januar 2015 stark mit den neuen Bestimmungen des neuen Mindestlohns auseinandergesetzt. Wir wussten, was da auf uns zukommt. Eine gewisse Furcht war aber auf jeden Fall da.“ Auf die notwendigen Preiserhöhungen im Januar reagierten die Gäste überraschend verständnisvoll: „Nicht eine Meckerei kam uns diesbezüglich zu Ohren.“ Die Einführung eines Mindestlohns und die angemessene Bezahlung von Arbeitskräften hält Ralf persönlich für wichtig, zweifelt aber an den Motiven, die zur Einführung führten und auch daran, dass der Mindestlohn denen etwas bringt, für die er angeblich eingeführt wurde: „Das Thema Mindestlohn ist ein sehr komplexes. Meine Angestellten bekommen zwar nun einen etwas höheren Stundenlohn, haben dadurch aber auch höhere Abgaben. Das Trinkgeld fällt seit der Erhöhung der Preise geringer aus und insgesamt führt das dann dazu, dass der positive Effekt bei den Arbeitnehmern nicht ankommt. Profitieren tun hier vor allem die Sozialkassen, dass wusste man meiner Meinung nach aber auch vorher schon.“

Aushilfen profitieren mehr vom Mindestlohn als Festangestellte

Angestellte auf geringfügiger Basis, also vor allem auch studentische Aushilfen, sehen im Gegensatz zu Vollzeit-Angestellten aber sehr wohl positive Veränderungen auf ihren Lohnabrechnungen, da diese keine oder weniger Abgaben leisten müssen. „Diese Aushilfen bekommen die 8,50€ jetzt ohne Abzüge auf die Hand, obwohl sie oft nur übergangsweise in der Gastronomie sind. Den Festangestellten, die ihr Handwerk erlernt haben und die, die Fachkräfte in diesem Bereich darstellen, merken hingegen kaum positive Veränderungen. Das ist nicht gerecht.“

Die Arbeitgeber haben die Veränderungen durch den Mindestlohn vor allem auch am gestiegenen Verwaltungsaufwand bemerkt, denn die Regelungen zur Arbeitszeiterfassung sind wesentlich strenger geworden. „Der Aufwand, der nun dahinter steckt, ist enorm und die Angst, dabei etwas ungewollt falsch zu machen genauso.“ Bisher reagieren die Kunden zwar auf die neuen Preise verständnisvoll, ein Rückgang beim Umsatz zeichnet sich aber dennoch bereits ab. „Ob sich das mit Beginn der Hauptsaison wieder einpendeln wird, bleibt abzuwarten“, sagt Ralf. Aber auch für ein endgültiges Fazit zum Mindestlohn sei es noch zu früh, denn ob sich das Konzept vielleicht auch für Festangestellte in Zukunft lohnen kann, wird sich zeigen.