Leipzig, es wird heiß! Auf heißer Spur: Ein Glühwein-ABC

Die Lichter funkeln, die Würschtl brutzeln und die Weihnachtsmärkte fordern uns wieder zum heißesten Tanz des Jahres auf. It’s Glühwine-Time!

Die Lichter funkeln, die Würschtl brutzeln und die Innenstadt läutet die Adventszeit ein. Seit dem 28.11. fordert uns der Leipziger Weihnachtsmarkt wieder zum heißesten Tanz des Jahres auf: Es ist Glühweinsaison und das Rudel-Geschlürfe kann losgehen. 

© Carolin Petereit
Aldi, Lidl, Netto und Co. haben es natürlich längst begriffen und reiben uns schon seit zwei Monaten die „Frohe Weihnacht“ unter die Nase. Da wundert es uns kaum, dass der September der umsatzreichste Monat für Spekulatius & Co ist. Diesem Hype muss natürlich niemand folgen. Aber spätestens wenn der Herbst sein Gold verliert, machen wir es uns ja gern gemütlich. Und egal ob draußen oder drinnen: Deutschlands liebster Dauerbrenner ist und bleibt der Glühwein.

Die inneren Werte

Die Basis im roten Klassiker bildet ein kräftiger Wein wie der Spätburgunder, im weißen Glühwein ein Riesling oder Silvaner. Abgerundet mit Gewürzen wie Zimt, Sternanis, Gewürznelken, Orangen, Zitronen, Kardamom und Pfeffer wird er auf knapp 70°C erhitzt und je nach Belieben mit Zucker oder Honig gewürzt.

Viele gebrauchen Punsch übrigens als Synonym zum Glühwein. Dabei trägt dieser seine Wurzeln in Indien und wird aus Saft, Milch, Hochprozentigem und/oder schwarzem bzw. buntem Tee hergestellt. Das einzig geschwisterliche sind die Gewürze.

Wer hat’s erfunden?

Man mag es kaum glauben, aber schon vor 2.000 Jahren verzierten die Römer ihren Wein mit Gewürzen und Honig, um seine Säure zu mildern und ihn haltbarer zu machen. Erst um 1500 konnte dem Wein Schwefel zugesetzt werden für eine längere Haltbarkeit, welche bis dahin der Zucker des Honigs erledigen musste.

Demnach ist das heiße Kultgetränk sehr viel älter als man denkt und schlägt mit seiner Beständigkeit sogar die Weihnachtsmarkt-Tradition. In seiner Form, wie wir ihn heute kennen – mit Zucker und Gewürzen – wird er erst seit 1956 abgefüllt und getrunken.

Recherchiert und aufgeklärt: Geht Glühwein schneller in’n Kopp?

Ist der Alkohol im Blut, tritt der Rausch ein. Soweit klar. Bis er allerdings ins Blut gelangt, muss er erst mal an Magen und Dünndarm vorbei. Da der Dünndarm es eher kuschlig statt kühl bevorzugt, fundiert der Magen als Ofen und bringt kalte Getränke und Speisen zunächst auf Körpertemperatur. Erst danach darf weiter gewabbert werden zum Endgegner – die Dünndarmschleimhaut –, die letztlich den Alkohol ins Blut befördert. Folglich ist der Glühwein ein echter Stargast mit seiner molligen Temperatur und saust ohne lange Wartezeit direkt hindurch. Hinzu kommt, dass die Hitze auch die Gefäße zum Brodeln bringt und durch die erhöhte Blutzirkulation eine größere Menge Alkohol resorbiert werden kann.

Wir wollten es wissen: Was sagt der Experte?

Der Weinkenner schimpft, der Laie liebt’s. Wo Anis und Orangen hinzugefügt werden, wird der heißen Dampfmischung aus Zimt und Nelken oft vorgeworfen, den Wein zu berauben, die eigene Note entfalten zu können. Er wird sogar als „weinähnliches Getränk“ beschrieben, wobei dieser Kosename eher weniger als Lob gesehen werden darf.

Beim Weinkenner und Inhaber der Weinbar Renkli, Fatih Demirbas, nachgehört, stoßen wir auf ganz andere Resonanz. Schon fast schwärmerisch strahlt er über beide Ohren, als wir ihn zum Thema Glühwein interviewen. Aber auch er rät beim Verzehr unseres Winterlieblings: „Auf jeden Fall selber machen“ und unterstreicht dabei deutlich, dass Wein keinem Dogma unterliegt, sondern Spaß machen soll. Sein Tipp: „Nutze genau den Wein, den du auch privat gern trinkst und gib ihm bei der Glühweinherstellung sein eigenes Make-up“, wobei letzteres liebevoll die individuelle Mischung an Gewürzen beschreibt.

© Carolin Petereit
 

Im weiteren Gespräch erfahren wir, was eigentlich den Unterschied macht zwischen gut und „weniger gutem“ Glühwein. Der Fachmann erklärt: Günstigere Weine kommen zu ihrem Preis, da die Ernte vollautomatisiert abläuft und innerhalb von wenigen Stunden mehrere Hektar abgegrast werden. Dabei landet dann aber eben auch alles an Trauben im Wein, ungeachtet dessen, ob faulige oder gar schimmlige Trauben enthalten sind. Seinen trotzdem angenehm empfundenen Geschmack bekommen diese Weine und Glühweine dann vor allem durch „Schönungsmittel“, die Fatih hier jedoch nicht weiter erläutert. „Sie sind nicht schädlich oder so, aber eben nicht aus der Traube entstanden“.

Der „gute“ Wein/ Glühwein hingegen darf sich über eine echte Handverlesung freuen. Getreu dem Motto: „Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“, werden hier die schlechten Trauben selektiert, die keinen unwesentlichen Teil zu der nachträglichen Katerstimmung beitragen. Dass so eine Bearbeitung natürlich Manpower und Tage statt Stunden beansprucht, liegt da nicht fern. Und mal ganz ehrlich: Bei dem Gedanken an hochwertige Gewürze statt Verstärkermanier, greifen wir dann doch ganz gern den einen oder anderen Euro mehr aus der Tasche.

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© Carolin Petereit
Genug der Theorie, es folgt der mutige Selbstversuch: Dazu genutzt haben wir einen von Fatih selbst empfohlenen Rotwein („Der rote Schuh“, Jungwinzer Matthias Schuh aus Sörnewitz) und beeindruckten uns selbst mit einem himmlisch fruchtigen und wunderbar süffigen Ergebnis.

Unser Rezept: 1 Flasche Rotwein – 1 Orange in Scheiben – 2 Stangen Ceylon-Zimt – 3 Stück Sternanis – 3 Esslöffel Zucker/Honig – 3-4 Gewürznelken nach Geschmack – Kardamom / alternativ 1 Zitrone

Das ganze kurz erwärmt ohne zu kochen, zieht der Do-It-Yourself-Glühwein für eine Stunde im Kochtopf durch, um danach von seinen Zutaten abgefiltert zu werden. Gelagert im Kühlschrank oder direkt geschlürft, kann die Adventssause losgehen. Wer es hierbei gern charaktervoller mag, verpasst seinem Glühwein „einen ordentlichen Schuss zwei bis drei Jahre alten, dunklen Rum“, so der Kenner von renkli.