Sportfreunde Stiller bei MTV Unplugged Akustisch mit Udo Jürgens in New York

Eigentlich wollten sie gerade eine längere Pause machen, doch dann fragte MTV an: Ob die Sportis nicht gerne in die Fußstapfen von Nirvana und Die Ärzte treten würden?

Eigentlich wollten sie gerade eine längere Pause machen, doch dann fragte MTV an: Ob die Sportis nicht gerne in die Fußstapfen von Nirvana und Die Ärzte treten würden? Am Ende ging es gar nach New York und Udo Jürgens sang mit. Dementsprechend begeistert war Sportfreund Flo‘ „Rakete“ Weber:

urbanite:

Wie habt ihr reagiert, als euch das Angebot zum Unplugged unterbreitet wurde?

Flo:

Im ersten Moment haben wir erstmal den Telefonhörer verloren, ihn dann wieder aufgehoben und nachgefragt, ob das wirklich wahr ist. Wir waren schon sehr überrascht, dass wir gefragt wurden und haben allerdings auch nicht lange überlegen müssen. Die Anfrage kam ein bisschen zum falschen Zeitpunkt: Wir wollten eigentlich – nachdem wir das Fußball-Album und gleich danach La Boum gemacht haben – eine Pause machen.
Dann haben wir uns aber natürlich dafür entschlossen. Das ist ein schöner Ritterschlag und eine Ehre für einen Musiker ein akustisches Album aufnehmen zu Dürfen bei MTV Unplugged. Wir waren sehr erfreut und wussten natürlich aber gleichzeitig, dass es eine große Herausforderung ist – vor allem für uns, die eigentlich nicht als Virtuosen bekannt sind und eher aus dem Lärm ihre Energie ziehen. Aber im Nachhinein muss ich sagen: Wir haben das super gemacht und es hat auch unglaublich viel Spaß gemacht.

urbanite:

Wie hast du dein erstes MTV Unplugged erlebt?

© Gerald von Fotis
Flo:

Das war definitiv Nirvana. Da ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass es so eine Form von akustischen Konzerten gibt. Nirvana waren für uns als große Grunge-Fans – wir sind ja in dieser Ära aufgewachsen – ein Muss. Ich würde auch sagen, dass das für mich weiterhin das beste Unplugged war. Diese reduzierte Umsetzung haben die ganz gut gemacht.
Wir haben natürlich auch überlegt: Wie machen wir es? Halten wir es eher klein oder blasen es gescheit auf? Und dann ist uns der Mittelweg zwischen Nirvana und Die Ärzte als ganz gut vorkommen.

urbanite:

Ihr habt also auch bewusst frühere Unpluggeds für das Konzept zu Rate gezogen?

Flo:

Genau. Es war auch ein Anreiz eine ganz besondere Örtlichkeit zu finden, weil vor allem Die Ärzte mit der Rock’n’Roll-Realschule ein thematisch sehr gutes Album gemacht haben; das fanden wir schon spitze. Wir wollten auch so eine Art Motto haben und haben dafür vierzig, fünfzig Orte besucht und geschaut, was wo, wie möglich ist. Wir waren in Elektrizitätswerken, in Turbinenhallen, auf Ponyhöfen, im Swingerclub, auf Dampfschiffen, in Fliegern und haben eben geschaut, was man umsetzen könnte. Dann sind wir aber von unserem Regisseur auf diese Kulisse hingewiesen worden, haben uns das im Netz angeschaut und sind dann nach Münden-Geiselgasteig rausgefahren und sind begeistert gewesen. Sehr viele Ideen waren dann dort auch prompt vorhanden. Wir haben eine filmische Szene entwickelt und uns in diese New Yorker Straßenkulisse reinversetzt – alles ein wenig im Stil der 70iger-Jahre aufgebaut und die Instrumentalisten in Gangverkleidung. Das hat Spaß gemacht.

urbanite:

Welche Rolle spielte die West-Side-Story?

Flo:

Das ist ein ganz guter Vergleich. Wir haben uns das sogar angeschaut und irgendwann haben wir uns auch überlegt, wie wir die Kleidung daraus übernehmen können. Ich habe auch „American Gangster“ mit Denzel Washington gesehen und dachte, wir müssen auf jeden Fall solche amerikanischen Gangster sein. Wir haben dann uns Lederjacken gekauft und mit diesem Bild auch richtig gespielt. Mit unserem Kulissenbauer haben wir dann noch einige Details ausgearbeitet. So hatten wir dann unser eigenes Bier mit extra Etiketten dabei, die Gegendschilder wurden mit unseren Namen versehen und ein Plattenladen, Ruede-Records, aufgebaut. Wir haben uns da ausgelebt.

urbanite:

Wie fühlt mich sich als Zentrums einer derart großen Filmproduktion?

Flo:

Dadurch, dass das alles so stimmig war, waren wir nicht sonderlich nervös. Das war so oft geprobt worden, war fast schon automatisiert gewesen, sodass wir vor dem Auftritt gar keine Angst mehr hatten. Die Nervosität, die da war, war eher nicht durch den Gedanken an ein Scheitern, sondern durch eine positive Aufregung geprägt. Wir haben uns da sehr wohl gefühlt und es hat uns tatsächlich auch geholfen, dass wir zwar verkleidet waren, uns aber nicht so gefühlt haben. Wir haben uns also unglaublich stark auf die Musik konzentrieren können und fanden uns da schon fast wie im Film wieder. Es war ein Ausflug in eine andere Zeit und auch ein Abschalten von der Realität; Eintauchen, die Atmosphäre aufnehmen. Das Publikum war dann auch schnell begeistert und hat immer gleich zu klatschen angefangen, wenn es ein Lied erkannt hat. Das war also eine richtig gute Aktion.

urbanite:

Dennoch bleibt das Wichtigste die Musik. Wie habt ihr die Songs ausgewählt?

Flo:

Man merkt schon, dass das sehr schwierig ist das akustisch zu spielen, weil man steht ja fast nackt da, hört jeden Ton, hört jeden Verspieler noch mehr als bei einem normalen Konzert. Deswegen haben wir schon danach ausgewählt, wie ein Lied ohne Vollgas, ohne Verzerrung funktionieren könnte. Dann haben wir fünfzig Lieder aufgeschrieben, mussten aber auf fünfundzwanzig runter. Das war auch ein heftige Diskussion. Wir haben auch mal dreißig aufgeschrieben und das dann ausprobiert und gemerkt: Es geht nicht. Deshalb sind wir dann bei sechsundzwanzig hängen geblieben. Bei denen waren dann drei neue dabei und zwei Cover-Lieder. Es gab keine direkten Vorgaben. Wir haben einfach gemerkt: Das muss rein, das macht keinen Sinn.

urbanite:

Wie seid ihr zu den Covern gekommen?

Flo:

Lustigerweise haben wir dabei von Anfang an an Udo Jürgens Lied gedacht; da stand die Kulisse noch gar nicht fest und wir haben schon „Ich war noch niemals in New York“ geprobt. Deshalb hat es dann auch umso besser gepasst, dass wir dann diese New-York-Kulisse gefunden hatten. Somit war dieses Cover dann auch als eine Art Soundtrack mit dabei.
Wir haben unsere Version Udo vorgespielt, er fand es super und hat sich dazu bereit erklärt. Das Blöde war nur, dass er keine Zeit hatte als wir den Auftritt hatten. Er ist dann später nochmal nach München gekommen und wir haben mit ihm ein paar Gesangsspuren aufgenommen, weil es eine andere Tonart war und dann ist er gefilmt worden und ihn quasi virtuell dazugespielt während unseres Auftritts.
Das andere Lied war mit The Subways, einer englischen Band, die uns ans Herz gewachsen ist. Im letzten Sommer haben wir die auf einigen Festivals getroffen und sie zu lieben gelernt, weil die so energetisch zu Werke gehen. Wir haben sie dann in München getroffen, ihnen die Idee unterbreitet und die fanden es total super, haben gecheckt, ob es zeitlich funktioniert, und dann zugesagt.

© Gerald von Fotis
urbanite:

Wie kann man sich denn eine Freundschaft zwischen Udo Jürgens und den Sportfreunden vorstellen?

Flo:

Es war keine große Distanz da. Wir waren schon ehrfürchtig, aber er hat das sofort locker genommen, hat uns gleich gesagt: Du, ich bin der Udo, sag ‚du‘ zu mir. Wir waren dann gar nicht so sonderlich nervös. Es hat nicht zu einer Freundschaft gereicht – innerhalb von zwei Stunden haben wir uns dann doch nicht so sehr kennen gelernt –, aber es geschah auf einer freundschaftlichen Ebene. Also ich habe jetzt nicht seine Telefonnummer, aber er war immer wieder mit dabei.

urbanite:

Was kannst du über die drei neuen Songs des Albums aussagen?

Flo:

Eines davon ist auf einer Berghütte entstanden, auf der wir uns eine Woche lang eingesperrt hatten. Dort haben wir auch die Zigeunerversion von „7 Tage, 7 Nächte“ (ursprünglich vom 2002er Album „Die Gute Seite“) im Schnaps-Delirium entwickelt. „Lass mich nie mehr los“ also ist eher sehr… eine Art Liebeslied. Das hatte auch gar nicht so vorher festgestanden. Ich hatte bloß eine Idee, habe sie den anderen gleich vorgespielt und die meinten: Komm mach weiter, da machen wir was daraus! „Hallo Du!“ ist insofern interessant, dass Peter und ich da in a capella anfangen zu singen bis dann die ganze Mannschaft einsteigt. Da haben wir durch unsere Gesangslehrerin, mit der Peter geübt hat, unsere verdeckte Harmonie gelernt. Und „Supersonnig“ ist unser Beitrag zur Wetterlage.

urbanite:

Wie fällt deine ganz persönliche Bilanz mit der Songauswahl aus?

Flo:

Also ich habe meinen Lieblingslied nicht mit einfließen lassen können, aber das Schöne ist, es hat keiner seines reingebracht. Offenbar kann jeder auf stur schalten. Ich hätte gerne „10:1“ ausprobiert, weil ich es erstens sehr gerne mag – es ist sehr wortwitzig – und mich interessierte, wie man so ein Hip-Hop-artiges Stück umsetzt. Der Peter musste auf „Ohne deine Liebe“ von La Boum verzichten und Rüdiger wollte immer „Sodom“ spielen, da haben wir aber gemerkt, dass das Lied mit Halbgas keinen Sinn machen würde. Da ginge die Energie einfach zu sehr flöten und das Lied funktioniert nicht mehr.

urbanite:

Habt ihr euch durch die Unplugged-Erfahrung persönlich verändert?

Flo:

Menschlich sind wir vielleicht etwas offener anderen Musikgenren gegenüber geworden, auch dadurch dass wir mit klassischen Musikerinnen zusammen gespielt haben. Das war schon eine große Erfahrung. Musikalisch hat sie uns auf alle Fälle verändert. Es kam bei der Instrumentierung jetzt auch mal vorkommen, dass wir bei einem Konzert einen Kontrabass dabei haben, oder dass, wenn wir mal ein neues Album schreiben sollten, die musikalische Vielfalt mehr zum Tragen kommt.

urbanite:

Das Unplugged-Album ist das zweite Album nach dem erfolgreichen WM-Album. Hat es euch insgeheim eigentlich beruhigt, dass „La Boum“, das Album dazwischen, nicht an den Erfolg des WM-Albums anknüpfen konnte?

Flo:

Nein eigentlich nicht. Natürlich waren wir ein wenig enttäuscht, denn irgendwie hatten wir schon gehofft, dass wir die Hörer des WM-Albums irgendwie halten zu können. Das war dann leider nicht der Fall. Allerdings muss ich sagen, dass jetzt wo ich darüber nachdenke, muss ich dir eigentlich Recht geben. Da war schon irgendwie ein Gefühl der Gewissheit, und dass man wieder zur Normalität zurückkehren konnte. Das hat uns schon beruhigt, denke ich jetzt.

Das Konzert wird am 21. Mai 2009 um 20 Uhr ausgestrahlt und erscheint als Live-Album am Folgetag.