Fan-Beschwerde: „Na toll, schon wieder Leipzig – wie immer." Clueso im Interview: „Ich bin musikalisch ziemlich untervögelt“

Der Erfurter Clueso hat sein sechstes Album „Stadtrandlichter“ veröffentlicht und findet sich – wie soll es anders sein – auch in Leipzig damit ein. Warum er die Heldenstadt eine Weile meiden musste, erfahrt ihr im Interview.

Der Erfurter Clueso hat sein sechstes Album „Stadtrandlichter“ veröffentlicht und findet sich – wie soll es anders sein – auch in Leipzig damit ein. Was er an der Heldenstadt mag, warum er sie eine Zeit lang meiden musste, damit er sich den Zorn vom Rest der Republik nicht weiter auf sich zieht, wer eine skurrile Mischung aus Michael Jackson, Serge Gainsbourg und Ozzy Osbourne ist und vieles mehr erfahrt ihr im Interview.

© Christoph Koestlin

Du hast bis Mitte 2013 in Eigenregie zwei Alben produziert, die vorerst in die Schublade wanderten. Warum hast du die nicht released? 
Das eine ist entstanden, da habe ich sehr viel Zeit mit meinem Großvater verbracht. Er macht auch Musik. Und ich habe das aufgenommen, weil ich es für seine Kumpels festhalten wollte – das war von Anfang an nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Er hatte damals über die Möglichkeiten im Studio so gestaunt. So kam das dann. Mit ihm ticken die Uhren ganz anders. Er war oft in der WG mit vielen Künstlern. Und da hat er immer ganz gut reingepasst. Das war einfach ein schöner Spiegel, wie Musik funktioniert.
Das andere Album sind gesammelte Songs auf Reisen. „Stadtrandlichter“ und das Reisealbum sind zeitgleich entstanden und ich musste mir das noch mal anhören. Man hört bei dem Reisealbum viele Hintergrundgeräusche. Vielleicht ist das ja das Geile oder vielleicht muss ich das noch ausproduzieren. Die Songs gehören irgendwie nicht so auf Stadtrandrandlichter. Auch wenn das gute Songs sind. 

Werden diese Songs irgendwann mal veröffentlicht?
Vielleicht. Keine Ahnung. Manchmal spiele ich mit Freunden ja auch so einfach Songs und mache Musik, ohne dass das an die Öffentlichkeit muss, sondern einfach aus Spaß für uns.

Du sagtest mal, dass wenn man 30 wird, durch alle Zimmer seiner Jugend läuft. Denkst du über das Älterwerden nach?
Ja, natürlich. Ich denke darüber nach, dass ich nichts von dem mache, was man so macht, wenn man so alt ist wie ich (lacht). Ich bin irgendwie immer noch so … (überlegt) … frei wie vor einigen Jahren. Das Ding ist, ich schaue mehr in die Zukunft als früher. Jetzt mit 34 kriegt man halt irgendwie so ein Gefühl für die Endlichkeit. Man sieht, wie die Eltern und Großeltern älter werden, wie die Kinder von Kumpels rumrennen und anfangen zu quasseln. Ich bin eigentlich kein Typ, der zurückguckt, doch jetzt tue ich das manchmal. Das spiegelt sich auch an manchen Stellen in meinem Album wider. Dass ich eben auch mal eine Rückblende mache. Es ist aber auch nicht so, dass ich eine Entscheidung treffe, das Lenkrad rumreiße und sage: So, und jetzt müssen wir alle mal da lang (lacht). Es macht aber auch Spaß, einfach mal in den Rückspiegel zu schauen. 

Gefällt dir, was du da siehst oder würdest etwas anders machen?
Natürlich würde ich bestimmte Sachen anders machen. Wenn ich die Möglichkeit hätte, dass ich noch mal zurückkann, etwas anders zu machen, würde ich sagen: OK.

Was zum Beispiel?
Ich würde vielleicht ein bisschen eher mit meinem Großvater Zeit verbringen. Ich mag den Typen einfach. 

Du trittst am 7. Dezember 2014 in der Arena Leipzig auf. Können sich die Leipziger auch mal wieder auf ein Spontankonzert auf der Sachsenbrücke freuen?
Das habe ich sehr gerne gemacht. Aber ich musste dann irgendwann die Leipziger ein bisschen vernachlässigen, weil ich durch meine Connections zu sehr hier präsent war, nicht nur auf der Sachsenbrücke, sondern auch in Fußgängerzonen, im Conne Island und im Park. Am Ende haben wir das auch gar nicht mehr über Facebook veröffentlicht, sondern das hatte sich dann schon einfach so rumgesprochen. Irgendwann habe ich dann damit aufgehört, weil die Leute in Deutschland angefangen haben zu sagen: „Na toll, schon wieder Leipzig – wie immer“. Aber ich denke, ich werde so was schon nochmal provozieren (lacht). Aber wo genau und wann genau – das wäre ja Quatsch das zu sagen, es soll ja schließlich ein Spontankonzert sein. 

Bist du immer noch oft in Leipzig?
Ja, ich habe viele Freunde, die nach Leipzig gezogen sind. Es ist der Hammer. Ich mag an Leipzig, das es einen gewissen Grund-Flavor wie Erfurt hat. Erfurt ist ja schon so ein Arbeiterstädtchen irgendwie. Ich finde an Leipzig cool, dass es eine Alternativszene gibt bzw. eine etwas andere Kunstszene, die vielleicht sogar größer ist, als in anderen Städten. Leipzig könnte das Berlin von Übermorgen sein, nur vielleicht mit einer romantischeren Szene.

Was sind deine Lieblingsorte?
Da gibt es so viele, da würde ich ja schon fast was unterschlagen. Es gibt ja auch so viele geile kleine Locations wie in Plagwitz – die sprießen ja gerade aus allen Ecken. Viele Freunde von mir sind da hingezogen – viele kleine Studios, viele kleine Cafés. Ich finde es da ziemlich cool. 

Was ist das eigentlich für ein Udo-Lindenberg-Ding? Du, Jan Delay, Max Herre – ihr scheint ganz verrückt nach ihm zu sein. 
Na er hat das geschafft, was man als Musiker schaffen will: mit der Musik alt zu werden. Das ist gar nicht so einfach. Viele wollen eine Abkürzung nehmen und machen dann komische Sachen, um in der Musik zu überleben und lange dabei zu sein. Aber er nicht. Udo hat natürlich auch eine krasse Geschichte: Eben diese Underdog-Rocky-mäßige Geschichte, dass er noch mal aufsteht und sich den Thron zurückholt, ihn abstaubt und sich draufsetzt. Und er ist dem gegenüber demütig. Er ist einfach eine Mischung aus Michael Jackson, Serge Gainsbourg und Ozzy Osbourne (lacht). Mit ihm rumzuhängen, gibt einem auch ein bisschen das Gefühl, am Zeitstrahl der Musik dran zu sein. Er ist nicht sparsam mit Erfahrung und einer gewissen Selbstironie, gerade als Rocker. Es ist immer lustig. Deshalb sind wir ja auch ein bisschen Musiker geworden – um Peter Pan zu sein.

Was können die Leipziger von deinem Konzert im Dezember erwarten?
Na ich sage mal, dass ich musikalisch ziemlich untervögelt bin und dadurch natürlich richtig Bock habe (lacht). Aber eines ist sicher: Es wird keine Cluesn-Feuershow geben (lacht). 

Ihr könnt heute 2×2 Tickets für das Clueso-Konzert am 7. Dezember 2014 in der Arena Leipzig gewinnen. Viel Glück!!!