Dem Tod seinen Schrecken nehmen Ein Tag mit: dem Bestatter Hans-Günter Kröger

Das Bild des buckligen, mürrischen Finsterlings, der des nachts im Fackelschein auf dem Friedhof die Grube buddelt, ist zum Glück längst überholt. Doch wie arbeitet ein Bestatter? Hans-Günter Kröger aus Leipzig, Bestatter und Trauerbegleiter, hat uns einen Einblick in seine Arbeit gewährt.

Der bucklige, mürrische Finsterling, der des nachts im Fackelschein auf dem Friedhof die Grube buddelt – an dieses klassische Format aus der Gruselliteratur glaubt wohl heute keiner mehr so ganz. Doch was treibt ein Bestatter tatsächlich? Für die Reihe „Ein Tag mit…“ hat urbanite diesmal einen Einblick beim Bestatter und Trauerbegleiter Hans-Günter Kröger aus Leipzig bekommen.

In abgedroschene Totengräber-Klischees passt Hans-Günter Kröger ganz und gar nicht. Der freundliche, ältere Herr mit dunklem Pullover sitzt in seinem beschaulichen Büro und stimmt telefonisch mit einer Hinterbliebenen den Termin des Hausbesuchs ab. Für den Mann ist das tägliche Routine, denn Kröger arbeitet als Bestatter und Trauerbegleiter.
Das Besondere: Eigentlich ist der 67-Jährige schon Rentner und könnte sich längst zur Ruhe gesetzt haben. Doch das steht für ihn momentan noch nicht zur Debatte. Stattdessen hat er sich der professionellen Hilfe im Trauerfall verschrieben – eine Aufgabe, die für den langjährigen Wahl-Leipziger geradezu eine Berufung ist.

© Lucas Böhme
Sieben Tage die Woche und rund um die Uhr muss er erreichbar sein. Den typischen Arbeitstag gibt es nicht, denn der Tod hält sich weder an Schlafenszeit noch Sonntagsruhe. Klingelt das Telefon, rückt Kröger sofort aus – bei Tag und Nacht, Sonnenschein und Schneesturm. Da er allein arbeitet, fordert er im Sterbefall die Hilfe eines Subunternehmens an. Das stellt ihm Leichenwagen, Träger und Kühlräume bereit. Kröger kümmert sich derweil um Administratives wie etwa Sterbeurkunden, die Versorgung des Toten und vor allem den Kontakt mit den Angehörigen, er schaltet die Todesanzeige und plant die Beerdigung. „Betroffenen Zeit zu lassen ist wichtig“, sagt der Mann, der mit manchen Kollegen hart ins Gericht geht, die Trauernde in ihrer Hilflosigkeit überrumpeln und ihnen teure Angebote aufschwatzen. 

Warum Bestatter werden?

Kröger weiß, wovon er redet: Der gebürtige Rheinländer, der ursprünglich im Softwarebereich arbeitete und lange in Hamburg lebte, verlor 2002 völlig unerwartet seine Ehefrau. „Hals über Kopf und heulend“ ging er damals zum nächstbesten Bestatter, der ihn über den Tisch zog und einen hohen, vierstelligen Geldbetrag abnahm. Der Schicksalsschlag und die schlechte Erfahrung danach änderten sein Leben von Grund auf: Kröger wollte es besser machen.
Er begann in der Altenpflege, ließ sich zum Sterbebegleiter im Hospiz ausbilden und war zwei Jahre bei einem Leipziger Bestattungsunternehmen angestellt, bevor er in die Selbständigkeit ging. Er setzt auf Ehrlichkeit und Transparenz beim Tarif, bietet kostenlose Erstberatungen im Sterbefall an und ist verärgert, wenn in seiner Branche mit Billigbeisetzungen geworben wird, die am Ende das Doppelte und Dreifache des scheinbaren Niedrigpreises kosten.
Vor allem aber will Kröger dem Tod seinen Schrecken nehmen, indem er Hinterbliebene selbst in die Verabschiedung von einem geliebten Menschen einbindet. Bei Trauerreden steht er nicht am Pult, sondern läuft zwischen den Gästen umher und baut eine Brücke zu ihnen, ermuntert sie zu offenen, letzten Worten in Richtung des Toten. Funktioniert das so einfach? „Im ersten Moment schrecken sie zurück, aber am Ende sind sie erleichtert und dankbar. Alles andere ist so, als würde ich meinem besten Freund auf seiner Hochzeit nicht gratulieren“, zeigt sich Kröger überzeugt. Und die sehr guten Rückmeldungen von dankbaren Kunden und Trauergästen geben diesem Konzept recht. 

Den Abschied erträglich gestalten

© Hans-Günter Tröger
Die Chemie muss stimmen, das ist ihm sehr wichtig – auch wenn Kröger versteht, dass sich nicht jeder Bestatter im knallharten Konkurrenzkampf diesen Idealismus leisten kann. Gleichwohl hat er bisher nur sehr wenige Anfragen abgelehnt. Das waren diejenigen, bei denen es um eine „reine Totenentsorgung“ ging. Etwa 90% der von ihm betreuten Sterbefälle erfüllten das Schema „Im hohen Alter friedlich eingeschlafen.“ Damit kommt Kröger inzwischen gut zurecht. Doch Abweichungen davon machen auch dem agilen Pensionär mitunter noch sehr zu schaffen, bekennt er offen – mit jung Verstorbenen hatte er es bereits ebenso zu tun wie mit Selbstmördern oder Verbrechensopfern.

Einige Jahre möchte der Vater eines erwachsenen Sohnes auf jeden Fall noch weitermachen – nicht ewig. „Man darf nie den Fehler machen und sich für unersetzbar halten, und man muss wissen, wann Schluss ist.“ Als Privatmann versucht er, innerlich abzuschalten und findet Entspannung auf den Reisen, die er sich jährlich gönnt. Auch der berühmte schwarze Humor als Ventil ist natürlich erlaubt, sofern er nicht auf Kosten Dritter geht. Auf Prognosen über die Entwicklung des Bestattungswesens möchte sich Kröger nicht festlegen – außer dem in Deutschland noch immer so strikten Friedhofszwang, der seiner Ansicht nach kippen wird. Einen Anfang machte übrigens Bremen: Dort sind Beisetzungen auf Privatgelände seit Januar 2015 unter gewissen Bedingungen erlaubt worden. 

„Ich lebe bewusster“

Hat seine tägliche Arbeit Hans-Günter Kröger verändert? „Ja, ich lebe bewusster, bewusster über die Endlichkeit des Lebens. Und ich hoffe, dass auch die Menschen bewusster leben und sich über Tod und Leben noch mehr Gedanken machen.“ Die manchmal sehr banalen Alltagsprobleme bekämen bei der täglichen Konfrontation mit dem Tod plötzlich viel weniger Gewicht, meint Kröger. Gleich muss er noch zu einem Hausbesuch, dann fährt er nach Hause. Das Handy liegt stets griffbereit.