Profifußballer, Diplom-Betriebswirt, Sportjournalist, Rampensau Ein Tag mit: Sportjournalist Guido Schäfer

Wir haben uns an die Fersen von Guido Schäfer geheftet – seines Zeichens Profifußballer, Diplom-Betriebswirt, Sportjournalist, Rampensau …

Manche meinen, wegen seiner Berichte, Kolumnen, Kommentare und Interviews wird die Leipziger Volkszeitung überhaupt noch gekauft. Auch RB Leipzig-Sportdirektor und Neu-Trainer Ralf Rangnick attestiert Guido Schäfer einen ganz eigenen Schreibstil. Man könne zehn Artikel zu einem Thema vor sich haben, man wisse immer, welchen davon Guido Schäfer geschrieben habe. Dass es dabei nicht immer um die pure Faktenlage in der Vor- bzw. Nachberichterstattung geht, sondern auch mal um die Beinbehaarung von Fatima im türkischen Belek, wo RB Leipzig sein Trainingslager absolviert, oder um die ukrainische Grillwurst bei der Europameisterschaft 2012, macht ihn für den einen zum Alleinstellungsmerkmal im Leipziger Sport- und Boulevardjournalismus, für den anderen zum nervigen Hofberichterstatter des unbeliebten Retortenclubs, der den lokalen Fußball verunreinigt.


„Es gibt viele Profifußballer, die Alkoholiker geworden sind – aber es gibt nur einen Alkoholiker, der Profifußballer geworden ist.“ Mit diesem Satz beginnt unser Tag mit Guido Schäfer – dem Sportjournalisten und Chefreporter der LVZ. Dass er von sich selbst sagt, dass er gerne Menschen unterhalte, hätte sich der 50-Jährige sparen können. Um den Tag des Journalisten zu rekapitulieren, bedarf es einigen Vorerklärungen, wer er war und wie er zu dem wurde, was er heute ist. Guido Schäfer war Profifußballer beim 1. FSV Mainz 05, dort bestritt er neben Jürgen Klopp in der 2. Bundesliga 177 Spiele. Während seiner Fußballerzeit machte er seinen Diplom-Betriebswirt, nach der aktiven Karriere absolvierte er ein Volontariat bei der Allgemeinen Zeitung Mainz, arbeitete als Redakteur und im Jahr 2000 verschlug es ihn nach Leipzig.

Seitdem wurde er beim FC Sachsen in Leutzsch vom Ordnungsdienst aus dem Stadion getragen und er hat aufgedeckt, dass Red Bull einen Verein in Leipzig gründen will. „Dass ich das herausgefunden hatte, war eigentlich Zufall. Doch ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Das sei übrigens eine der wichtigsten Voraussetzungen für seinen Job, sagt Guido, während er eine halbe Stunde auf dem Ergometer radelt. Wir treffen uns gegen 10 Uhr im Fitnessstudio. „Die Leute müssen wissen, wer du bist, nur so kriegst du auch Infos. Deswegen bin ich so viel unterwegs – auch in Kneipen. Da kommen lustige Geschichten herum – und man kriegt hier und da Infos, die man sonst nicht bekommen hätte.“ 

Königsdisziplin exklusive Infos: Wettlauf zwischen RB Leipzig und Guido Schäfer

Dass ihm das ganz gelegen kommt, muss er nicht extra erwähnen. Zwar sei er nicht jede Nacht unterwegs und liege betrunken in der Ecke, aber „ein Stubenhocker bin ich auch nicht“. Es bringe nichts, den ganzen Tag in der Redaktion rumzuhocken. „Du musst rausgehen, netzwerken – nur so kriegst du Stories.“ Eigentlich hat Guido diese Woche Urlaub, doch er schreibt trotzdem. „Ich weiß gar nicht, wann ich mal einen Tag nichts geschrieben habe.“ Während er erzählt, klingelt immer wieder sein Handy. „Soviel Spaß der Job auch bringt, als Sportjournalist muss man jeden Tag Geschichten bringen.“ Neue Infos wie Transfers, Abgänge, Veränderungen in Vereinsstrukturen …, kurz gesagt: exklusive Infos vor anderen herausfinden. „Das ist die Königsdisziplin in dem Bereich. Wenn ich weiß, ich habe eine Story, wird der Tag entspannt.“
Ein Mitarbeiter von RB Leipzig sagte einmal, dass es mit Guido wie ein Wettlauf sei. Wer ist schneller? Mal gewinne die Kommunikationsabteilung, mal Guido. Dass er oft als Hofberichterstatter des Zweitligisten bezeichnet wird, stört ihn nicht. „Aber ich brauche auch nicht alle drei Tage darüber zu schreiben, wie viel Geld die haben. Das weiß man mittlerweile. Und irgendwann ist auch mal gut. Wenn es was zu kritisieren gibt, dann schreibe ich das auch. Klar, lässt man sich manchmal mitreißen, wie beim Siegtor vom RB-Keeper Fabio Coltorti gegen Darmstadt. Aber Sport ist ja auch Unterhaltung – das vergessen viele.“ Er nicht.

Interview mit Thierry Henry: „Da habe selbst ich ein paar Gläser Wodka weniger getrunken“

Auf dem Weg zu seinem Büro in der LVZ, es ist 12 Uhr mittags, telefoniert er Spekulationen und Gerüchte ab. Bleibt Beierlorzer? Was ist mit den Kandidaten, die die BILD ins Spiel gebracht hat? Gibt es Namen, die bei der Trainerfrage bisher noch nicht erwähnt wurden, aber zur Auswahl stehen?
Es gibt Tage, da beehrt der Chefreporter die Redaktion der Tageszeitung erst gegen 14 Uhr. Er betritt die Sportredaktion, liefert sich ein nicht ganz ernst gemeintes Wortgefecht mit den Redakteuren, setzt sich an seinen Computer … und telefoniert. Dieses Mal mit einem Leseranrufer, der mit seinem Artikel in der gestrigen Ausgabe nicht zufrieden war. 

Neben seinem Job bei der LVZ, macht er noch die Sendung „Schäferstündchen“ im MDR, tritt in Halbzeitenpausen bei RBL-Heimspielen vor die SKY-Kameras, ist Host bei Sportveranstaltungen und stattet hier und da TV-Talkrunden einen Besuch ab. Rampensau? „In gewisser Weise schon. Aber man muss auch vorbereitet sein.“ Wie beim Interviewtermin mit Welt- und Europameister

Thierry Henry, von dem er erst Freitagnacht, wenige Stunden davor, erfahren hatte. Auch wenn in dieser Nacht der Aufstieg des SC DHfK Leipzig in die 1. Bundesliga frenetisch gefeiert wurde – „da habe selbst ich ein paar Gläser Wodka weniger getrunken“. Lobenswert. Und sollte er sich doch mal auf etwas eingelassen haben, bei dem er nicht vorbereitet war, wie bei der Comedy Roast Show, bei der Sebastian Krumbiegel geroastet wurde, redet er einfach einige Minuten, wie Gastgeber und Stadionsprecher Tim Thoelke sagt, über sein Lieblingsthema: Guido. Außerdem über die Niederlage gegen den SV Meppen, die Dosenteufel, Sekretärinnen bei der LVZ …
Wie viele Stunden er am Tag arbeitet, könne man nicht wirklich berechnen. „Wenn man es genau nimmt, zählt der Kneipenbesuch nach einem Spiel ja mit dazu.“ Wir erinnern uns. Außerdem ist er der festen Überzeugung: „Wenn man eine gute Geschichte herausbringt, die eine Stunde Arbeit gekostet hat, ist das doch besser, als wenn man acht Stunden lang nichts zustande bekommt.“ 

Schwierig, nach dem Profisport eine neue Herausforderung zu finden

© Geli Megyesi
Ob er die aktive Zeit als Fußballer vermisse? „Total! Ich träume ganz oft, dass Jogi anruft und sagt: ‚Wir brauchen dich.’ Dann erkläre ich ihm, dass ich eine Titanhüfte habe. Er meint dann immer, das sei egal.“ Es sei schwer für einen Profisportler, nach der Karriere eine neue Herausforderung zu finden, die auch erfüllt, „denn nichts schüttet mehr Glückshormone aus, als zu gewinnen“.
Seine Berufung nach dem Profisport hat er in und mit Leipzig gefunden. Auch wenn der ehemalige RBL-Trainer Alexander Zorniger sich dessen nicht immer ganz sicher war. So erklärte Zorniger dem Sportjournalisten im Schäferstündchen, nachdem Guido sein BWL-Diplom vor dessen Nase hielt, dass ihm sein Studium der Geografie und Sport auch nicht dazu befähige, Greenkeeper zu werden. Guido freut sich über solche Interviews. „Du musst auffallen, und du musst anders berichten als andere – sonst wird es langweilig.“