"... einfach nur, um die Menschen zu ärgern!" Frank Turner über Erwartungen, Punk und typisch deutsche Eigenschaften

Frank Turner kommt mit seinem neuen Album „Positive Songs for Negative People“ nach Berlin. Der sympathische Folk-Punk verrät uns, wie er am liebsten Leute ärgert, was wahrer Punk bedeutet und was an Deutschen merkwürdig ist.

© James Medina
Frank Turner kommt mit seinem neuen Album „Positive Songs for Negative People“ nach Berlin ins schon lange ausverkaufte Huxleys. Grund genug, sich mal wieder mit dem Briten, der so liebenswürdig flucht wie kein anderer, gepflegt zu unterhalten. Der sympathische Folk-Punk verrät uns, wie er am liebsten Leute ärgert, was wahrer Punk bedeutet und was an Deutschen merkwürdig ist.

Du bist ständig auf Tour, dazwischen schreibst du Songs, produzierst ein Album und spielst noch in der Band Mongol Horde. Du scheinst dich schnell zu langweilen.
Das stimmt, ich habe einen ziemlich straffen Terminplan gerade. Ich glaube, mein Booking Agent versucht, mich fertig zu machen. Wir haben gestern bis 5 Uhr früh gespielt und sind gerade in Kansas City angekommen. Und dasselbe machen wir morgen in Mexico City. Es ist gerade ziemlich verrückt. Aber ich mag das so. Deswegen: keine Beschwerden.
Normalerweise brauche ich drei, vier Tage nach einer Tour, um wieder runterzukommen und auch Sachen zu erledigen. Aber es stimmt, ich langweile mich wirklich ziemlich schnell. Ich hatte Ende letzten Jahres einige Zeit frei, in der ich nicht wirklich was gemacht habe und nicht in der Öffentlichkeit stand. Aber das tat mir nicht gut und ich habe das auch nicht wirklich genossen. Ich habe zu viel getrunken und hatte das Gefühl, in meinem Leben nichts zu erreichen. Das war nicht gut für mich. 

Wie würdest du dein neues Album „Positive Songs for Negative People“ beschreiben?
Nun, es ist meine neue Platte. Es ist ein Album über das Aufstehen, nachdem du gefallen bist. Vielleicht ist es noch zu früh, das zu sagen, aber ich denke, es ist ein guter Abschluss zu meinen vorherigen fünf Alben. Vielleicht. Ich weiß nicht.

Würdest du von dir sagen, du bist ein positiv denkender Mensch oder siehst du die Dinge eher negativ?
Das hängt davon ab, an welchem Wochentag du mich fragst (lacht).

Im Song „Demons” singst du „Life gave me demons, but I made friends with the devil, So I’m invincible“. Welche Dämonen meinst du?
Jeder Mensch hat seine eigenen Probleme und Dämonen. Ich denke, die Lösung ist sehr oft Humor. Die Art und Weise, wie man den Ärger in seinem Leben betrachtet, ist wichtig. Ich glaube, so kommt man auch schneller zu Lösungen. 

Was sagst du zu der ständig aufkommenden Kritik des Ausverkaufs, sobald jemand kommerziellen Erfolg hat?

© Tara Novak
Das erste ist: Jeder, der sich entscheidet, erfolgreich sein zu wollen, besonders wenn er aus der Punkrockwelt kommt, muss vorhersehen, dass er dafür kritisiert und ihm der Sellout-Vorwurf gemacht wird. Mir ist das ziemlich egal. Das ist nichts, worüber ich nachdenke.

Witzigerweise haben ausgerechnet die Leute aus der Punkrock-Szene ziemlich konservative Ansichten. Sie wollen eine Band, die exakt immer das spielt, was sie gemacht hat, als sie diese Band zum ersten Mal gehört haben. Ich kann verstehen, warum die Leute so denken. Aber für mich als Künstler sehe ich die Pflicht und die Verantwortung, mich zu verändern. Und wenn ich mich nicht verändern würde, würde ich etwas falsch machen. Ich denke, deshalb sind einige Menschen davon ziemlich angepisst. Aber das ist mir völlig egal!

Würdest du dich immer noch als Punk bezeichnen? 
Ich gebe nicht so viel auf Definitionen, wie ein Punk sein sollte und ob ich nun immer noch einer bin oder nicht. Normalerweise erzähle ich Leuten, die keine Punks sind, dass ich einer wäre, und Punks sage ich, ich sei keiner. Was auch immer die Leute am meisten nervt … einfach nur, um die Menschen zu ärgern (lacht).

Wie würdest du denn Punk beschreiben?
Für mich bedeutet Punk Selbstfindung. Punk bedeutet das Recht auf innere Befreiung. Punk ist eine Entscheidung, die Person zu sein, die man sein will und die man erschafft, und nicht jemand zu werden, der man sein sollte.
Meine Eltern schickten mich auf gute Schulen und sie wollten, dass ich ein Arzt oder Anwalt werde. Aber ich habe mich entschieden, das nicht zu werden und auch nicht sein zu wollen. Ich habe mein Leben selbst gestaltet. Und das ist Punk. Einfach zu den Erwartungen von anderen „fuck it“ sagen und sein eigenes Ding machen. 

Du vermisst bei etablierten Bands und Künstlern oftmals die Frische, die sie auf ihren ersten Alben hatten. Wie kann ein Musiker nach vielen Jahren im Business die Freshness erhalten?
Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage (lacht). Das ist schon merkwürdig: Je mehr man in die Musik eintaucht und sie mehr und mehr versteht, umso schwieriger wird es mit der Frische. Aber Musiker wie Bruce Springsteen und Neil Young oder Björk sind Leute, die genug zu sagen haben. Und dann gibt es Leute, die haben ein, zwei Sachen zu sagen – das war es dann aber auch schon (lacht). Die machen dann ein Album und das immer und immer wieder. Ich möchte nicht so sein. Ich möchte weiterhin interessante Dinge zu sagen haben. 

In den letzten Jahren warst du sehr oft in Deutschland unterwegs. Was magst du an Deutschland?
Awww, Germany is fucking great! Wir lieben Deutschland. Die Shows dort sind immer sehr cool. Das deutsche Publikum ist sehr treu. Die Leute in England kotzen mich manchmal echt an. Sie sind sehr wankelmütig und ändern ihren Geschmack relativ schnell. Als wenn es die eine Woche cool sei, zu meiner Show zu kommen und ein Jahr später geht es ihnen am Arsch vorbei. In Deutschland habe ich das Gefühl, wenn sich Leute für einen Künstler und dessen Musik entscheiden, dann für eine sehr lange Zeit. Und das mag ich an den Deutschen. 

Was ist merkwürdig an Deutschen?
Die Fragen (lacht). Eigentlich gibt es da einige Sachen. Ich liebe euch Deutsche, aber ihr habt eine typische Eigenschaft: Ihr seid sehr direkt. Auch in euren Fragen. Ich erinnere mich, vor langer Zeit habe ich mit einer deutschen Punkband getourt. Die erste Frage, die der Sänger stellte, nachdem er mich auf der Bühne sah, war: „Das letzte Mal wart ihr großartig. Jetzt gerade nicht. Warum?“ Ich dachte nur: Scheiße, was sage ich jetzt darauf? (lacht). Ein Engländer hätte niemals so eine Frage gestellt – schon gar nicht, wenn es die erste gewesen wäre.