"Ab dem 9. November sind wir ja nicht alle auf einen Schlag Westler gewesen" Fritz Kalkbrenner über die DDR, Nervfaktor von Sky and Sand und Hypes

Fritz Kalkbrenner im Interview über die Guten und Bösen in einer illusorisch einfach gestalteten Welt, den runtergenudelten Song „Sky and Sand“ und wo es die Hipsterkinder so hinzieht.

Fritz Kalkbrenner hat sein drittes Album „Ways Over Water“ herausgebracht. Damit kommt er am 26. Dezember 2014 nach Leipzig ins Haus Auensee. Im Gespräch verrät der Berliner vorab, dass ihm der Erfolg von „Sky and Sand“ selbst schleierhaft ist, wann er als elektronischer Musiker am Arsch ist, dass man nicht über Nacht plötzlich Westler wird und warum sich die Urberliner und Urleipziger über ihre Hypes amüsieren sollten.

© Eddy Kruse

Man sagt, das zweite Album ist das schwierigste. Du hast nun dein drittes Album „Ways Over Water“ herausgebracht. Wie schätzt du das ein, arbeitest du heute anders als am Anfang?
Ja, es hat sich schon gewandelt. Wenn man das mit dem ersten Album vergleicht, was man so ein Schlafzimmer-Produzenten-Album nennt, was zu 100% in Einzelarbeit entstanden ist und wo der Wunsch nach Instrumenten noch über den Sampler geregelt wurde. Das hat sich beim zweiten Album gewandelt, wo ich dann Studiomusiker quasi als Experiment ausprobiert habe. Und schlussendlich bleibt die Info für mich, dass mir das Arbeiten mit Studiomusikern doch sehr gut liegt, ich das gut kann und das Ergebnis auch gut dabei ist. Und dass es vom Experiment zum üblichen Einsatz geworden ist – jetzt auch mehr als zuvor. Ich muss gestehen, ich bin gerade ziemlich nah dran mit dem, was ich gerade so produziere, an dem, was ich auch so in meiner Vorstellung habe. Nicht alle schaffen das ja immer – es kann ja eine Schere auseinanderklappen. In dem Fall bin ich froh, ich bin da aktuell sehr dicht dran, an dem was ich wirklich machen möchte. 

Bedeutet das, dass du nicht ganz am Ziel bist?
Nein, ich glaube per Definition ist man niemals 100% dran. Das hieße wahrscheinlich, dass man an einem Album drei Jahre sitzen würde. Das geht ja auch nicht (lacht). Das kann man ja auch nicht machen. Von daher, fehlt da immer so ein ganz kleines Stück. Aber man muss da auch ein bisschen pragmatisch sein. Es geht bis zu einem gewissen Punkt, da muss man dann auch irgendwann loslassen, sonst ginge das ja ewig. Aber da ist es auch ganz gut, dass es da nicht die Quadratur des Kreises gibt. Ansonsten kann man ja nichts mehr danach machen.

Deine erste Single „Back Home“ ist wieder mit Gesang und sehr melodisch. Würdest du sagen, dass das zu deinem Markenzeichen geworden ist?
Klar, es ist schon signifikant und frappierend. Es ist das, was die Leute unmittelbar erkennen. Natürlich ist es nicht ausschließlich das, was ich tue, aber das was sozusagen am Augenscheinlichsten ist und was den Leuten vielleicht am ehesten auffällt. Ich könnte mit dieser Anschuldigung leben (lacht).


Du warst mal Musikredakteur. Wie würdest du deine Platte „Ways Over Water“ beschreiben?
Schwierig. Durch die fortschreitende Diversifizierung der elektronischen Musik – es gibt ja 100.000 Schubladen heutzutage. Eigentlich hat ja fast jeder Künstler eine eigene Schublade. Es ist schon, mit dem Techno- und House-Gedanken ausgehend, mit vielen Einflüssen aus der Vergangenheit sozusagen der Versuch, so einen Dancefloor-Aspekt zu überführen, wo ein Einsatz von Instrumenten und Gesang stattfindet.

Wie viele Punkte würdest du dir geben? Fünf von fünf?
Neeeiiin. Eigenlob stinkt (lacht)! 

Mit deinem Bruder, deinen Eltern und Opa kommst du aus einer sehr künstlerischen Familie. War es abzusehen, dass du einen kreativen Beruf wählst?
Ich glaube gar nicht mal so sehr. Das war zwischenzeitlich mit so einem Bruch versehen. Jetzt im Nachhinein ist man verführt zu sagen: Ja klar, war ja immer so. Nein, ich glaube das stand gar nicht so fest. Oder wenn es sich so durchgesetzt hat, dann hat es das auf anderen Wegen. Es gab jetzt nicht den Versuch, das zu installieren. ich glaube aber auch, dass das die richtige Herangehensweise ist. Bei sehr kommunikativen und guten Familien, wo es viel Austausch gibt, sind solche Bestrebungen gar nicht nötig. Also meine Eltern haben mich jetzt nicht zum Gesangunterricht gepeitscht. Aber es hat ja trotzdem geklappt. Und ich glaube im Gegenzug ist es nicht von Erfolg gekrönt, dass wenn man in einer lieblosen Familie zum Klavierunterricht geschickt wird, selten dann unbedingt ein musischer Mensch draus wird. Das ist dann einfach der menschliche Faktor – der gibt das dann vor und schafft diese Möglichkeit. 

Kannst du dir vorstellen, auch etwas anderes zu machen. Du warst ja auch mal Schreiberling.
Ach, aktuell nicht. Ich glaube, ich war ein ganz guter Journalist. Aber ich habe das jetzt nicht mit Herzblut gemacht. Und jetzt arbeite ich als Musiker hauptberuflich seit acht Jahren. Da hatte ich auch nicht wirklich die Zeit, darüber nachzudenken. Man kokettiert ja immer so damit, dass man irgendwann die große Abkehr vom öffentlichen Leben zelebriert und man Landschaftsgärtner im Havelland wird oder so (lacht). Mal gucken … so was in der Richtung kann es ja auch noch werden (lacht).

25 Jahre Friedliche Revolution – hast du noch Erinnerungen an die DDR?
Ja, na klar. Das ist Kindheit. Und das, was sich hinüberträgt. Es ist ja nicht so, dass wir ab dem 9. November alle auf einen Schlag Westler gewesen sind. Die Erinnerungen sind nicht geschwunden. 

Du bist in Ost-Berlin geboren und nach eigenen Angaben als „klassischer sozialistischer, kleiner Junge aufgewachsen. Würdest du sagen, dass dich das so beeinflusst hat, der zu sein, der du heute bist?
Zum Teil bestimmt. Da gibt es gewisse Dinge – auch natürlich das Brechen damit. Wir wissen, dass das ein Unrechtsstaat war und das ist ja eigentlich die große Herausforderung für uns – kritisch damit umzugehen, auch kritischer als vielleicht manch anderer. Diese Herausforderung muss man auch annehmen. Man soll ja alles prüfen und das Gute nehmen. Die guten Dinge daraus haben mich geprägt, genauso wie das Wissen um die schlechten. 

Was hat dich beispielsweise positiv beeinflusst?
Natürlich das Glück, was man gehabt hat, eine vergleichsweise unbeschwerte Kindheit gehabt zu werden. Das haben ja nicht alle. Zumindest die Illusion einer einfach gestalteten Welt. Da gab es die Guten und die Bösen. Das war ja noch ganz übersichtlich (lacht). Dass sich das dann nicht so bewahrheiten würde, steht auf einem ganz anderen Blatt. Solange man das zumindest als Kind glaubt, hat man eine recht unbeschwerte Zeit. Manchmal lebt es sich ja auch – ich sage mal – mit der nicht ganz vollen Wahrheit ganz gut, jedenfalls für einen Zeitraum. 

Wie stehst du heute zum Song „Sky and Sand“? Nervt er dich? 
Ach, das passiert bei mir in Wellen, wie so eine Sinuskurve. Natürlich wird man dem auch mal überdrüssig. Ich kann nachvollziehen, dass er so viele Leute angesprochen hat, aber warum er sich so lange durchgesetzt hat, ist mir fast schleierhaft (lacht). Ich meine, man muss ja ehrlich dazu sagen, es ist immer noch eine gute Produktion. Und wie er wirkt, weil er runtergenudelt und inflationär gespielt wird, sollte ihn ja eigentlich nicht entwerten. Aber das ist so: Mal mag man’s, mal ist man dem über. Aber das ist bei fast allen Nummern bei mir so. Wie bei allem im Leben: die Balance ist da entscheidend. 

Der Song wird ja auch für die Werbung eines Energiekonzerns genutzt …
Das läuft ja auf unser Gutdünken. Die fragen einen, dann handelt man das aus und dann dürfen die das machen. Ich habe kein unmittelbares Problem damit, aber ich weiß, worauf du hinauswillst. Aber es ist ja kein Waffenkonzern … die stellen ja im Endeffekt genau das bereit, was ich als elektronischer Musiker unbedingt brauche – nämlich Strom. Weil ohne Steckdose bin ich ganz schön am Arsch (lacht). 

Du trittst am 26. Dezember 2014 in Leipzig im Haus Auensee auf. Hast du einen Bezug zu der Stadt? 
Ich war schon öfter da. Ich habe für den MDR gearbeitet. Da war ich viel in der Stadt und meine Eltern haben da ja auch studiert. Ich bin auf jeden Fall immer gerne zu Fuß unterwegs in Leipzig. Man munkelt ja, dass diese Immobilienblase auch Leipzig erfasst hat – also so wie es bei uns in Berlin auch der Fall ist. 

Apropos „wie in Berlin“: Was denkst du über Artikel wie „Leipzig – The better Berlin“?
Ja, ich glaube davon gehört zu haben (lacht). Dass da so die ganzen Hipsterkinder hinziehen. Ich traue dem Urleipziger und Urberliner zu wissen, worum es da geht und dass das so nicht ganz ernst zu nehmen ist. Weil es ja auch eine Verallgemeinerung ist – in die eine wie auch in die andere Richtung. Ich glaube, da gibt’s für beide Seiten was zu lachen. 

Fritz Kalkbrenner tritt am 26. Dezember 2014 um 21 Uhr im Haus Auensee auf. Mehr Infos zu Tickets bekommt ihr unter www.ticketgalerie.de