„Vertrauen kann man nur zurückgewinnen, in dem man seinen Worten Taten folgen lässt“ HC Leipzig: Präsident Rainer Hennig im Interview

Sicherheit und Vertrauen schaffen, attraktive Profiausbildung für Nachwuchsspielerinnen und vielleicht auch wieder zweite Liga – das sind einige Ziele und Wünsche des „neuen“ HC Leipzig.

Zur Vorgeschichte: Im Juli 2017 vermeldete die namhafte Bundesliga-Mannschaft der HC Leipzig Bundesliga GmbH ihre Zahlungsunfähigkeit. Schulden in Höhe von ca. einer Million Euro bedeuteten Lizenzverweigerung für die aktuelle Spielzeit in der Bundesliga und damit den Abstieg in die 3. Liga. Spielerinnen und Trainer wurden teilweise Monate nicht bezahlt und verließen den Verein. Damit war ein über Jahre erfolgreiches Kapitel Frauenhandball in Leipzig beendet.

© Robby Kunze
Nach wie vor gibt es aber die Jugendabteilung des HC Leipzig, den HCL e.V. Die ursprüngliche Ausbildungsmannschaft für den Profibereich, das Juniorteam, startete zur aktuellen Saison als 1. Mannschaft in der 3. Liga Ost. Die Spielerinnen im Alter von 16-20 Jahren besuchen das Leipziger Sportgymnasium. „Wir müssen uns das Vertrauen innerhalb sowie außerhalb zurückholen“, meint der 70-jährige Rainer Hennig, neuer Präsident des HC Leipzig e.V.

Herr Hennig, man kann den Eindruck gewinnen, dass es im Verein insgesamt etwas ruhiger geworden ist nach den Ereignissen in der ersten Jahreshälfte. Liege ich da richtig?

Also sagen wir es mal so: Ruhe ist noch nicht eingekehrt. Das täuscht. Was stimmt ist, dass unsere journalistischen Aktivitäten nach außen noch besser werden müssten. Wir haben uns erst einmal darauf konzentriert, die Basis für unsere Mannschaften zu schaffen, sodass sie wieder spielen und ordentlich in die Saison starten können. Denn dazu hatten wir ja kaum Zeit. Die Zeitspanne für die Vorbereitung auf die Saison nach der Wahl des Vorstands im August war nur etwas mehr als zwei Wochen. Das ist eigentlich viel zu kurz. Wir sind jetzt dabei, uns Stück für Stück zu sammeln und das Organisatorische auf Vordermann zu bringen. Zum Glück sind alle Trainer bei uns geblieben und wir haben die Sporthalle Brüderstraße als Spielort für die erste Mannschaft.

Sie haben den Verein im August übernommen und arbeiten seitdem ehrenamtlich im Präsidium des HC Leipzig e.V. Was sind Ihre Zielstellungen mit dem Verein?

Wir haben als erstes versucht, von Seiten des Präsidiums und der Trainer den Spielerinnen die Gewissheit zu geben, dass sie sich ganz ihrem Sport widmen können. Wir wollen uns finanziell konsolidieren. Ich glaube, das ist uns bisher ganz gut gelungen. Dass bei den Mädels immer noch eine gewisse Unsicherheit da ist, was man uns glauben kann – nachdem ja in der Vergangenheit leider viele Versprechen nicht gehalten wurden – ist verständlich und damit müssen wir einfach umgehen. Das Vertrauen müssen wir uns innerhalb wie auch außerhalb zurückholen, das ist keine Frage.

Wie wollen Sie wieder Vertrauen schaffen?

Vertrauen kann man nur zurückgewinnen, in dem man seinen Worten Taten folgen lässt. Wir haben Einzelgespräche mit der ein oder anderen Spielerin geführt, haben auch Gespräche mit der Mannschaft geführt. Ich habe es bisher geschafft, bei jedem Spiel dabei zu sein und war auch schon beim Training der Mannschaft dabei. Wir versuchen, Auslagen unserer Trainer und Übungsleiterpauschalen sofort zu bezahlen. Das habe ich mir auf die Fahne geschrieben: Ich möchte nie in die Verlegenheit kommen, unseren Übungsleitern sagen zu müssen: „Ich kann euch nicht zahlen, wartet mal noch zwei, drei Wochen.“ Und bis jetzt klappt es ganz gut. Wir leben nicht im Überfluss, aber wir haben auch viele Sponsoren weiter begeistern können, auch wenn sie natürlich ihre Unterstützung zurückgeschraubt haben gegenüber dem, was mal in der ersten Liga üblich war. Einige Sponsoren haben sich auch zurückgezogen, einige warten ab und schauen, wie wir uns entwickeln. Das ist auch verständlich heutzutage. Wir müssen ohnehin jedes Jahr wieder unsere Finanzen neu aushandeln. 

© HC Leipzig
Der HC Leipzig war jahrelang ein Aushängeschild der Sportstadt Leipzig. Inwiefern kann es derzeit ein Ziel sein, dort wieder hin zu kommen?

Es ist jetzt erst einmal ein Neuanfang. Aber klar, wir wollen die Tradition auch fortsetzen. Den jungen Mädels wollen wir die Möglichkeit geben, hier Leistungshandball unter guten Trainingsbedingungen zu spielen. Das war uns allen, die jetzt den Verein ehrenamtlich leiten, ein großes Anliegen. Das Wichtigste ist, dass wir finanziell ein stabiles Fundament schaffen, um auch in der zweiten Liga bestehen zu können. Weiter möchte ich da noch nicht denken, denn mit der ersten Liga würde finanziell noch einmal ein großer Berg auf uns zukommen.

Es stimmt, wir waren jahrelang die Nummer Eins in der Sportstadt. Das sind wir nicht mehr. Männerhandball ist attraktiver, da brauchen wir uns nichts vormachen. Und was RB leistet und bringt mit der Champions League, das wissen wir ja auch. Wenn es uns aber gelingt, die finanziellen Grundlagen zu schaffen, dann können wir uns sportlich schon vorstellen, wieder an die Leistungen der Vergangenheit anzuknüpfen. Wir müssen natürlich schauen, dass wir auch die jungen Spielerinnen hier halten können. Dafür brauchen wir erst einmal die zweite Liga. Ich denke schon, dass Leipzig noch eine Stadt für Frauenhandball ist. Natürlich sind wir momentan in der dritten Liga sportlich nicht mehr so attraktiv für Nachwuchsspielerinnen. Die wechseln lieber dahin, wo es auch eine Profimannschaft in der ersten Liga gibt. Das ist verständlich. Trotzdem war die Sichtung dieses Jahr seit vielen Jahren wieder einmal qualitativ höherwertig und wir haben, denke ich, schon die Chance, die eine oder andere Spielerin in Leipzig einzuschulen, auszubilden und für den Profibereich vorzubereiten. Leipzig bietet ja auch nach wie vor viel in Richtung Lebensqualität, Ausbildung und Studium – auch durch die Unterstützung vom Olympiastützpunkt. Es gibt da bei den anderen Bundesligisten kaum eine Stadt, die diesen Hintergrund bieten kann. Von der Seite her haben wir denkbar günstige Bedingungen. Aber wir machen uns auch nichts vor: Leipzig ist aufgrund des wahnsinnigen Angebots eine Event-Stadt. Das heißt: Wenn du gewinnst, dann kommen die Leute. Wenn du verlierst, dann bleiben sie weg. Das muss man einfach sagen. So etwas habe ich kaum in einer anderen Stadt erlebt. Und der Frauensport hat es insgesamt schon etwas schwerer.

Im Moment läuft es ja sportlich wieder ganz gut. Sie sind mit ihrer jungen Mannschaft auf dem dritten Tabellenplatz. Der direkte Aufstieg in die zweite Liga scheint möglich. Ist das der Plan?

Sollten wir an einer Stelle stehen, wo es um den Aufstieg geht, werden wir das natürlich nicht ablehnen. Das ist dann allerdings eine Mammutaufgabe für alle Beteiligten. Man muss dazu sagen, dass es bisher noch keine Mannschaft im Frauenhandball, die in die dritte Liga abgestiegen ist, wieder in die zweite Liga geschafft hat. Da wären wir die Ersten, die das schaffen, was auch ein Ansporn für unsere Arbeit im Präsidium ist. Aber für diese Saison will ich das Wort „Aufstieg“ noch nicht so richtig hören. Die Mädels sollen sich erst einmal finden und ein richtig gutes Team bilden. Natürlich ist der Anspruch an die Mannschaft trotzdem größer geworden. In der letzten Saison hat sie unter anderen Vorzeichen dritte Liga gespielt. Da ging es nur darum, das im Training Erlernte im Spiel zu zeigen. Jetzt müssen sie es nicht nur zeigen, sondern auch auf Sieg spielen. Wir bleiben auch nach wie vor Stützpunkt für Handballausbildung vom Deutschen Handballbund und da haben wir die Auflage, dass wir bis 2021 wieder in die zweite Liga aufgestiegen sein müssen. Das wollen wir auf jeden Fall eher schaffen – eigentlich spätestens nächstes Jahr. So lange sind auch noch alle Spielerinnen vom Sportgymnasium zusammen in einer Mannschaft.

© Robby Kunze
Letzte Frage: Wie waren die Reaktionen der Fans nach der Insolvenz der ehemaligen Profimannschaft?

Ich hatte kurz darauf sofort eine Einladung von unseren Fans und auch von unseren ehrenamtlichen Helfern beim Spieltag. Die haben gesagt, dass wir uns überhaupt keine Gedanken machen müssen. Sie machen hundertprozentig weiter. Wir haben auch, nachdem der Spielplan und alles weitere für die Saison geregelt war, innerhalb von ungefähr einer Woche 80 Dauerkarten verkauft. Das hätte ich überhaupt nicht für möglich gehalten. Zur Saisoneröffnung waren fast 300 Fans da. Die Mädels waren völlig geplättet. Das hätten die überhaupt nicht erwartet. Wir bekommen auch bei der Arbeit um den Spieltag herum viel Unterstützung, z.B. unser Hallensprecher, unser Technik-Team, unsere Supporter, beim Druck der Plakate und des Programmheftes, bei der Website – das ist alles ehrenamtlich. Diese Unterstützung ist für unsere Arbeit hier sehr wichtig und das macht uns stolz. 

Nächstes Heimspiel

Am 14. Januar 2018 findet das Derby zwischen dem HC Leipzig und dem SC Markranstädt statt. Anwurf ist 16 Uhr in der Sporthalle Brüderstraße