Zwischen DDR-„Charme“ und Künstlerszene Hoodcheck: Kolonnadenviertel

Die „Innere Westvorstadt“ hat ihren barocken Mantel abgeworfen und blüht seit einigen Jahren als architektonischer und kultureller Mix aus Altem und Neuem mit eigener Szene auf. Wir waren einen Tag im heutigen Kolonnadenviertel unterwegs und haben uns außerdem etwas umgehört.

Die „Innere Westvorstadt“ hat ihren barocken Mantel abgeworfen und blüht seit einigen Jahren als architektonischer und kultureller Mix aus Altem und Neuem mit eigener Szene auf. Wir waren einen Tag im heutigen Kolonnadenviertel unterwegs und haben uns außerdem etwas umgehört.

© Bianca Rositzka
 
Im Herzen des Viertels, das eingrenzbar ist durch die Käthe-Kollwitz-, Friedrich-Ebert- und Karl-Tauchnitz-Straße sowie den Martin-Luther-/ Dittrichring, liegt der Dorotheenplatz und die namensgebende Kolonnadenstraße. Auf diesen unscheinbar wirkenden ca. 250 Metern erwartet den aus der Innenstadt fallenden Park-Gänger oder Nach-Hause-Geher jedoch einiges. Hier reihen sich u.a. Wohnungen, Studentenwohnheim und Bürogemeinschaften, Schule und Kita, Restaurants und Imbisse, russischer Spezialitätenladen, Kneipe und Café, Filmverleih und Späti, Atelier, Kunstbuchladen und Theaterstätten fließend aneinander und lassen eine bunt durcheinandergerührte Szene aus Kreativen und Exoten entstehen. So ein bisschen geht es damit ja „back to the roots“, denn schon Goethe, Schumann und Mendelssohn waren einst in der „Kolle“ unterwegs. 

Zur DDR-Zeit war die „Innere Westvorstadt“ das Vorzeigeviertel Leipzigs. Der eher experimentelle Bau der Häuserplatten entpuppte sich als erfolgreich und es entstanden Delikatessenläden für, man könnte sagen, die „Schönen und Reichen“. Die Fassaden der Läden sind teilweise noch immer mit den Namen der Geschäfte von damals versehen (Blumen, Feinkost, Fleischerei oder Bierstube). Nach der Wende ist das wieder abgeflacht, weil entstehende Einkaufszentren in der Innenstadt zu Geschäftsaufgaben führten. Doch inzwischen ist einiges passiert!

Stimmen zum Kolonnadenviertel 


© Bianca Rositzka
Die Kolle – Bürgerverein Kolonnadenviertel e.V. 

2003 gründete sich der Bürgerverein und arbeitet seitdem mit den Gewerbetreibenden und Anwohnern an neuem Leben im Viertel. Vorstandsvorsitzender Matthias Schätzl erzählt: „Früher war hier ein großer, fächerförmiger Barockgarten als Ort der Erholung und Kommunikation angelegt. Später hieß er Apels Garten, benannt nach seinem neuen Besitzer Andreas Dietrich Apel. Daher auch der Name des Restaurants „Apels Garten“, das mit seinen 25 Jahren von allen Läden die längste Geschichte hat. Mit dem Kunstverein hat dann die Wiederaufwertung des Viertels begonnen. Viele Künstler und Studenten der HGB wurden aufmerksam. Aushängeschild sind das Stoned, unsere Rock`n`Roll-Kneipe, und das Café Tunichtgut. Die sind richtig erfolgreich, und das ist auch gut so. Und nun sind wir der kleinste Bürgerverein Leipzigs, aber mit ca. 1.400 Haushalten auch das kleinste Viertel. Uns geht es gut hier!“  

© Bianca Rositzka
Sappho

Petros Dritsos: „Wir sind seit mehr als sechs Jahren hier. Da war das Viertel noch abgeschirmter als heute. Es kommen immer mehr Leute und neue Geschäfte, die ihm Leben einhauchen. Die Steckenpferde sind auch die Nähe zur Innenstadt und zu den Parks. So kommen mehr jüngere Leute, viele Familien zu uns. Und es hat trotz dieser Zentrumsnähe fast schon Dorfflair hier, es ist ein gutes Gemeinschaftsgefühl!“

© Bianca Rositzka
Memento

Andrea Cornelius, Inhaberin des Filmverleihs und Spätis memento, lobt vor allem die Arbeit des Bürgervereins. „Kollefest, Seniorentreff und Co. – ich glaube, was der Verein hier macht, gibt es so nicht nochmal. Nur die älteren Leute können manchmal nicht mehr SO viel mit dem Viertel anfangen. Da ist dort nun ein Frisörladen in einer ehemaligen Fleischerei und hat gar nicht so viel verändert … Das ist manchmal zu viel für die.“

© Bianca Rositzka
Bürogemeinschaft „Büro Total“

In der Kolonnadenstraße 1 treffen wir auf Toni Schönbuchner: „Wir sind hier acht Leute; Grafiker, Künstler, also durchweg kreative Leute. Seit 2009 ist auch uns das kulturelle Wachsen des Viertels aufgefallen. Alles ist belebter und aufgeschlossener.“

© Café Tunichtgut Leipzig
Café Tunichtgut

Seit Mai 2013 ist das Kolonnadenviertel um eine große Anlaufstelle reicher. Paul arbeitet im Café und hält fest: „Wir haben den Dönerladen abgelöst, der hier drin war, und dem so schon einen Aufschwung verpasst. Aber das tolle hier ist, neben den noch günstigen Mieten, dass es vielen noch nicht so bewusst ist, weil es eben ziemlich abgefuckt aussieht. Aber genau wie die Karl-Heine-Straße gerade einen Hype erlebt, passiert das auch hier. Allerdings ist am Wochenende tote Hose. Die Straße lebt halt durch die Geschäfte.“

© Bianca Rositzka
Libelle – alternativ Leben e.V.

Matthias erwischen wir in der Libelle, einem Treffpunkt und Infoladen verschiedener Initiativen und Projekte. „Ich geh hier schon seit 12 Jahren ein und aus, wohne aber woanders. Trotzdem sieht man schon immer die gleichen Spezis, Kiezler. Und seit zwei, drei Jahren ist auch mir die Veränderung aufgefallen, ähnlich wie im Leipziger Osten. Das Tunichtgut sehe ich als Gesicht der Veränderung. In der ehemaligen Hopfenschänke wird jetzt Theater gemacht, viel Laufpublikum kommt aus der Innenstadt, aber genauso gibt es hier viele Sozialwohnungen. Noch ist es hier günstig, wir haben aber auch einen guten Kontakt zum Eigentümer, sonst sähe das inzwischen sicher schon anders aus.“

© Bianca Rositzka
Mzin

Philipp Neumann vom Magazin- und Kunstbuchladen hat seine Meinung zum Viertel schnell zusammengefasst: „Zentralere Lage, lichtdurchflutete Räume, günstigere Miete. Vorher waren wir sechs Jahre in der Südvorstadt.“

© Bianca Rositzka
Stoned

„Uns gibt es dieses Jahr seit 10 Jahren, wir kamen eher zufällig nach Leipzig und das Viertel hatte es uns von Anfang an angetan. Seit Beginn hat sich viel verändert, es gab mehr Leerstand und es war schwer, Leute ins Viertel zu ziehen. Was sich nicht verändert hat, ist der Zusammenhalt von Anwohnern und Gewerbetreibenden, der war schon immer groß. Wir fühlen uns sehr gut aufgehoben, leben und arbeiten hier, sind Mitglied im Bürgerverein. Unsere Gäste sind so bunt wie das Viertel, von Punks und Metallern über Studenten und Künstler bis hin zu Rentnern. Hier kommen auch Leute aus aller Welt zusammen, die entweder Leipziger sind oder auf der Durchreise.“

Kolle kompakt

GASTRO & EINKAUF

Sappho – Reichelstr. 1

© Bianca Rositzka
Apels Garten – Kolonnadenstr. 2

Favorit – Russische Spezialitäten – Kolonnadenstr. 5-7

Café Tunichtgut – Kolonnadenstr. 5/7

Paradiso Pizza Service – Kolonnadenstr. 22  

Weitere Einkaufs- und Einkehrmöglichkeiten gibt es in der direkten Umgebung. 

Auch die Gottschedstraße wird zum Kolonnadenviertel gezählt.


KUNST & SZENE

Libelle – Kolonnadenstr. 19

Kunstverein – Kolonnadenstr. 6

Stoned – Kolonnadenstr. 15

Atelier Baldauf & Lenk – Kolonnadenstr. 19

Mzin – Kolonnadenstr. 20

Lieblingsstücke – Max-Beckmann-Str. 22


EINKAUF & DIENSTLEISTER

Memento – Kolonnadenstr. 1

© Bianca Rositzka
Haarmetzgerei – Kolonnadenstr. 17

Sattelfest – Kolonnadenstr. 18

Apartment Central – Dorotheenplatz 3b


WEITERE ANLAUFSTELLEN

Stiftung Bürger für Leipzig – Dorotheenplatz 2

Schauspiel Leipzig – Bosestr. 1

Theaterhaus Schille – Otto-Schill-Str. 7

Ehemalige Synagoge mit Gedenktafeln – Zentralstr.

Unitas-Rundbau am Westplatz