Unterwegs im Plattenparadies Hoodcheck Grünau: Zwischen „Kommt da noch was?“ und Kulkwitzer See

Leipzig Grünau: Wir haben die größte Plattenbausiedlung in Sachsen mal unter die Lupe genommen.

Pilgert man eine Weile die Lützner Straße gen Westen entlang (Straßenbahnlinien 8 & 15 Richtung Grünau-Nord bzw. Miltitz) und wird nach geraumer Zeit rechts und links von vielstöckigen Häusern eingerahmt, befindet man sich geradewegs auf einer Hauptschlagader gen Grünau, der größten Plattenbausiedlung Sachsens. In meinem Falle mache ich mich eines (endlich) schönwettrigen Samstagnachmittags auf in eine Radreise durch vergangene Tage; hatte ich doch selbst vier Studentenjahre in Grünau verbracht.

© Bianca Rositzka
Meine Tour startet am geschäftsbetrieblichen Dreh-, Angel- und Massensammelpunkt Grünaus: dem Allee Center (s.u. „Stimmen zum Viertel“). Mit seinen 20 Jahren ist es halb so alt wie Grünau selbst. Hier gibt es nichts, das es nicht gibt; von den Einkaufsmöglichkeiten, aber auch von den Menschen her – ein Ort für Sozialstudien höchsten Ranges! Das hatte mich schon damals immer wieder fasziniert: Grünau ist wie ein eigenes Städtchen: Von mutmaßlicher Abgeschiedenheit und Leere keine Spur. Allein das Center zeigt mit regelmäßigen Ausstellungen, Veranstaltungen und Umbaumaßnahmen alles andere als Stillstand.

Ein Mal gerade durchs Center gelaufen, schlendere ich die Stuttgarter Allee entlang, wo es an Läden auch nicht mangelt: Ich lese An- & Verkauf, Konsum, Ärztehaus, Physiotherapie und Apotheke, Mäc Geiz, Wahlkreisbüro der Linken, Begegnungsstätten für Senioren und Jugendliche, Finanz- und Versicherungsberatung, Döner, Boutique, Friseur, Radladen, Möbelverkauf sowie Wohnungsberatung. Braucht es da noch die Innenstadt? 

Kunst und Sport und Platte
 

© Bianca Rositzka
Ich gehe weiter, denn mein nächster Hotspot ist die seit Mai in der Stuttgarter Allee 4 geöffnete Festivalzentrale anlässlich des im Juni stattfindenden Festivals RASTER : BETON (weiteres: s. „Stimmen zum Viertel“). Interessante Idee: Vor und während des Festivals werfen internationale Künstler, die zu der Zeit vor Ort wohnen und arbeiten, einen zeitgenössischen Blick auf Großwohnsiedlungen und toben sich in Grünau künstlerisch aus. Daneben wird es Ausstellungen, Vorträge, Führungen und Mitmachsachen geben.

Kurz vor der Haltestelle Stuttgarter Allee (Bahnlinien 1 & 2 Richtung Lausen bzw. Grünau-Süd) biege ich nach rechts ab, um den Weg zum Wohnheim Mannheimer Straße ein weiteres Mal, nach inzwischen drei Jahren, zurückzulegen. Gerade spielen die Leipzig Lions gegen die Potsdam Royals auf ihrem Trainings- und Wettkampfplatz schräg gegenüber des

© Bianca Rositzka
Wohnheims. Das Getrommel, die Rufe und die Zuschauer haben für mich schon damals willkommene Action in die warme Wochenendsonne gebracht! Auf dem Sportplatz vor dem Wohnheim wird gerade gegrillt – aber für gewöhnlich auch gejoggt, geklettert oder Volleyball gespielt. Der Wohnheimblock hat vier Eingänge, wodurch man des späteren Abends durchaus mal verwirrt vor dem falschen Zimmer stehen kann … Aber ich finde den Eingang, zu dem ich will; ein fünfter, um genau zu sein: Der des Studentenclubs Oase (s.u.: „Stimmen zum Viertel“). „Die Oase in der Betonwüste“ nennt sich der Studentenclub im Keller des Wohnheims – auch diese Zeit möchte ich nicht missen.

(Freikörper)-Kultur-(schock)!?!
 

© Bianca Rositzka
Ich beschließe, vor meinem Finale zum Kulkwitzer See in Lausen noch einen Abstecher Richtung Robert-Koch-Park zu machen. Denn Grünau kann tatsächlich auch grün sein! Sehr schön sogar. Ich radle am Heizhaus (s.u.: „Stimmen zum Viertel“), der Skatehalle des urban souls e.V., vorbei, am Theatrium, das vom Großstadtkinder e.V. betrieben wird, sehe das Büro des Grünauer Kultursommers (s.u.: „Stimmen zum Viertel“) und bekomme einen klitzekleinen Kulturschock, als ich nach diesen Anzeichen von Scene und Kultur plötzlich den Menschen vor dem „Wirtshaus zum Uhu“ und dem „Grünauer Krug“ begegne, wo die Zeit doch wieder stillzustehen scheint. Aber irgendwie mag ich das, hier trifft eine vergangene Zeit auf eine junge Ära, die das Viertel beleben, ihre Architektur nutzen und zu etwas Einzigartigem gedeihen  will. Und ehrlich gesagt: Ich bin zuversichtlich und drehe in ein paar Jahren gerne wieder meine Runde durch den Kiez! 

© Bianca Rositzka
Nach kleiner Selbstüberschätzung, den Weg zum See auch ohne Karte zu finden, schlage ich doch wieder die richtige Richtung ein und befinde mich auf der Lützner Straße zum Kulkwitzer See. Vorbei am Schiffsrestaurant MS Frieda suche ich mir ein schattiges Plätzchen für mein Abschlussfoto und genieße den ruhigen Moment beim Beobachten des glitzernden Wassers. Es war schön, mal wieder da zu sein!

Grünau (a)live! Veranstaltungen ab Juni 2016: 

© Bianca Rositzka
 

• Nahaufnahme DEFA, 1. bis 29. Juni 2016

Filmreihe des KOMM e.V. zum Jubiläum „40 Jahre Grünau“ im Cineplex 

• Studentenclub Oase

11. Juni 2016: Flunkyball Turnier

23. Juni 2016: Cowboys vs. Wikinger

4. Juli 2016: Semesterabschlussparty

• Grünauer Kultursommer, 4. Juni bis 18. September 2016

„40 Jahre Grünau – 20 Jahre Grünauer Kultursommer“

veranstaltet vom großstadtKINDER e.V. und dem Kulturamt der Stadt Leipzig

• Internationales Festival RASTER : BETON, 17. Juni bis 31. Juli 2016

Festival für Kunst & Architektur: ausgerichtet vom D21 Kunstraum Leipzig e.V.

Angebote & Aktionen u.a.:

Fotoaktion: Dein Foto von Grünau! Ausstellung dann in der Demmeringstr. 17.6.-31.7.

Tour RASTER : BETON: Fahrten im mobilen Kino-Wagen ab 11 Uhr jede volle Stunde

Tanz zwischen den Platten: am 24. und 29.6. Markt Stuttgarter Allee / Alte Salzstraße

Stadtteilrundgang „Typen, Platten, Plastiken“ am 26.6. 15 Uhr

• Grünau Golf-Resort

Schnupperkurs am 24. Juni 2016, 12 Uhr

Turnier für Anfänger und Fortgeschrittene am 16. Juli 2016

• Beatz im Block, 19. August 2016

Im Rahmen des Schönauer Parkfests vom 19. bis 21. August

„Love Music! Respect diversity! Support individuality!“

veranstaltet vom Werk 2 und KOMM-Haus

Antilopen Gang, Waving the Guns und Finna

Stimmen aus dem Viertel

ALLEE CENTER

Petra Köhler, Geschäftsführerin

Leben Sie selbst in Grünau? Wenn ja, wie lange?

Nein, ich lebe nicht in Grünau. Ich bin vor 1,5 Jahren nach Leipzig gekommen und habe zuvor in Rostock gelebt. Da ich dort auch sehr zentral im Zentrum gewohnt habe, bin ich auch in das Leipzig Zentrum gezogen. Bei unseren aktuellen Überlegungen, aus der Innenstadt etwas mehr ins Grüne zu ziehen, steht auch Grünau mit auf der Liste, weil es für mich und meinen Lebensgefährten ein sehr aufstrebendes Viertel mit vielen Grünflächen und einer guten Infrastruktur ist.

Was verbinden Sie mit dem Viertel?

Als Leiterin des Allee-Centers ist das Viertel Grünau nicht nur mein Arbeitsumfeld, sondern auch ein Teil eines Zuhauses. Ich fühle mich in Grünau sehr wohl und verbinde mit dem Viertel nur Positives. Die Grünauer und Grünauerinnen sind sehr offen, sehr kommunikativ, ehrlich und freundlich. Das schätze ich sehr.

Was berichten Sie Außenstehenden von Grünau?

Ich berichte häufig, dass Grünau ein Stadtteil mit vielen schönen Ecken ist und dass das teils noch negative Image, dass der Stadtteil hat, nicht der Wirklichkeit entspricht. Das finde ich sehr schade. Ich hoffe, dass sich das Bild, das Außenstehende (besonders Leipziger) von Grünau haben, verbessert. Ich habe schon von Vielen gehört, die das 1. Mal in Grünau waren: „das ist ja wirklich schön und sehr grün hier“.

Was hat sich mit dem Allee Center für die Grünauer verändert?

Das Allee-Center wurde vor 20 Jahren gebaut und ist somit halb so alt wie der Stadtteil Grünau. Das Center befindet sich im Mittelpunkt des Stadtteils und ist ein Treffpunkt für Jung und Alt. Sehr viele Grünauer kommen regelmäßig hierher, nicht nur um Ihre Einkäufe zu tätigen, sondern auch um sich mit Freunden zu treffen und in Ruhe zu bummeln. Darüber hinaus sind wir regelmäßig eine Bühne für regionale Events und Ausstellungen und engagieren uns aktiv im Stadtteil. Das Center bietet den Grünauern die Möglichkeit, alle Besorgungen an einem Ort zu erledigen.

Wo sehen Sie Grünau in 20 Jahren?

Ich denke, dass Grünau in den nächsten Jahren weiter wachsen wird und somit auch in der Zukunft vom generellen Bevölkerungswachstum in Leipzig profitieren wird. Mit diesem Bevölkerungswachstum wird verstärkt in den Wohnungs- und Häuserbau investiert werden und der Stadtteil weiter an Attraktivität gewinnen.

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FESTIVAL RASTER : BETON

Juliane Richter & Hannah Sieben, Projektleitung

Leben Sie selbst in Grünau? Wenn ja, wie lange?

JR: Nein, aber ich habe mein erstes Jahr in Leipzig im Studentenwohnheim im Titaniaweg verbracht.

Was verbinden Sie mit dem Viertel?

JR: Mein Interesse an DDR-Architektur und Plattenbau im allgemeinen. Auch die utopische Idee dahinter und das Sich-Bewähren bzw. Scheitern in der Realität finde ich sehr interessant. Ich finde es interessant, wie aus einem Ort ohne Geschichte ein differenzierter Ort mit ganz vielen Geschichten wird, wie sich die Bewohner_innen hier einrichten und heimisch werden.

HS: Hinzu kommt auch die Herausforderung und die Neugierde, immer wieder auf Neues zu stossen und die eigenen Bilder im Kopf zu überdenken. Man begegnet sehr unterschiedlichen Menschen in Grünau, führt unerwartete Gespräche, aber auch Muster erfüllen sich. Für mich persönlich kehrt zudem eine spezielle Ruhe ein durch die gegebene Architektur, die sich wesentlich mit wachsendem Grün kontrastiert. Und irgendwo dazwischen sucht man immer noch nach aktuellen Formen und Einlösungen des einstigen, oder auch eines heutigen, utopischen Gedankens. 

Was berichten Sie Außenstehenden von Grünau?

JR+HS: Es ist wirklich sehr grün. Und es hat sehr viele unterschiedliche Gesichter – hässliche und schöne, wie jeder andere Stadtteil auch. Die Leute sind sehr interessiert und freundlich, fragen uns immer, was wir machen, helfen uns aus usw. Und es gibt wahnsinnig viel ziviles Engagement in Grünau – Vereine, Initiativen. Das hatten wir zuvor noch nicht so deutlich vor Augen.

Was wird während des Festivals passieren und welches Ziel verfolgen Sie damit?

JR+HS: Das Festival besteht aus vier Elementen: Einer Ausstellung zeitgenössischer Kunst (Eröffnung am 16.9., 19 Uhr) im D21 Kunstraum mit franz. und dt. Künslter_innen und deren Perspektiven auf Großwohnsiedlungen. Es werden Arbeiten von Margret Hoppe, Andrea Pichl, Laurent Kronental, Ginan Seidl und Ray Peter Maletzki und Anne-Valérie Gasc ausgestellt. Am 17ten und 18ten Juni eröffnen wir in Grünau, an der Festivalzentrale und entlang der künstlerischen Arbeiten, die Vorort entstehen. Wir haben fünf Residenzkünstler_innen eingeladen, die 4 bis 6 Wochen im Viertel wohnen und arbeiten: Bruit du Frigo, Folke Köbberling, Julischka Stengele, zukunftsgeraeusche und Daniel Theiler. Allen künstlerischen Arbeiten liegt zugrunde, dass sie gemeinsam mit den Anwohner_innen entwickelt oder umgesetzt werden und im öffentlichen Raum stattfinden. Dabei versuchen wir ein breites Spektrum der Bevölkerung zu erreichen. Jede Arbeit versucht also auf ihre Weise, mit den Anwohner_innen und Festivalbesucher_innen zusammen das Kunstwerk entstehen zu lassen. Wir hoffen natürlich sehr, dass dies auf Anklang stösst. Außerdem findet ein Symposium (24. und 25. Juni, jeweils 10 bis 20 Uhr, Ort: Völkerfreundschaft Grünau, Stuttgarter Allee 9) statt. Der 25te Juni ist für Vorträge und Diskussionen vorgesehen. Internationale Referent_innen sind dafür zu Gast.  Ausgehend vom lokalen Beispiel Grünau, wird ein Blick auf Siedlungsbau in Frankreich und China, auf die Gegenwart der großen Wohnsiedlung und ihre Zukunftsperspektiven, geworfen. Am Vortag werden verschieden Touren durch Grünau angeboten und die dort entstandenen künstlerischen Projekte werden vorgestellt. Ein Rahmenprogramm zur Kunstvermittlung für Schüler_innen der 94. Oberschule Grünau, in Kooperation mit Franziska Pierwoss und Siska sowie der Galerie für Zeitgenössische Kunst, sowie ein dreiteiliges Filmprogramm, das jeweils von der Bauhistorikerin Tanja Scheffler eingeführt wird, ergänzen das Festival. Dazu gibt es noch eine Reihe von Satelliten-Projekten, die wir nicht selbst organisieren, aber die wir in unser Programm mit aufnehmen. Genaue Termine und Orte können der Webseite http://raster-beton.de entnommen werden. Wie natürlich auch alle weiteren Details und immer wieder aktuelle Informationen zu den Workshops und dem Verlauf des Festivals.

Warum ein eigener Laden zum Festival? Warum genau jetzt?

JR: Wir möchten einfach länger vor Ort sein, Kontakt aufnehmen, präsent sein. Dafür ist eine Festivalzentrale vor Ort sehr wichtig. Sie dient als Anlaufstelle, Info-Punkt, Bookstore. Hier kann man mit uns einen Kaffee trinken, sich über das Festival informieren oder für die Mitmach-Angebote anmelden – z. B. zum Schnupperkurs Golfen mit dem Projekt von Daniel Theiler „Grünau Golf Resort“, oder für eine Tour mit der Performancekünstlerin Julischka Stengele; für eine Fahrt mit dem Kino-Wagen von Bruit du Frigo oder für die Workshops mit Folke Köbberling zur Entwicklung des Wandornaments an der Alten Salzstraße 51.

HS: Und das „Warum Jetzt“ liegt nicht nur am 40ten Jubiläumsjahr seit Grundsteinlegung. Leipzig hat sich in den letzten Jahren stark verändert, ist mittlerweile begehrter Wohn- und Investitionsort und erlangt viel Zulauf, mit all seinen Nebeneffekten, darunter eben auch die durch die Stadtviertel wanderende Gentrifizierung und Verteuerung von Wohnraum. Es ist durchaus anzuehmen, dass auch Grünau in den nächsten Jahren in einen anderen Fokus rückt, das ist ja mitunter schon zugange. Insofern sehen wir es als wichtigen Impuls, genau jetzt eine differenzierte Aufmerksamkeit auf das Viertel zu werfen und Fragen zu stellen, natürlich auch selbstkritische. Wie kann man die Geschichte(n) des Viertels erhalten? Wie kann vermieden werden, dass die Platte zum eindimensionalen hippen Design-Objekt wird? Und welche Rolle spielt eigentlich das künstlerische Arbeiten in dieser spezifischen Architektur und bei der Entwicklung des Viertels?

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STUDENTENCLUB OASE

Wie lange lebt ihr schon in Grünau? 

Da ist von acht Monaten bis fast vier Jahren viel dabei, also sagen wir im Schnitt zwei Jahre. Die meisten sind eher zufällig hier gelandet, da die Studentenwohnheime recht günstige Konditionen aufweisen. 

Was verbindet euch mit dem Viertel? 

Von einer richtigen Verbindung kann eigentlich keine Rede sein. Man lebt eben hier, hat aber mit der schon länger ansässigen Bevölkerung eigentlich kaum etwas zu tun. Auch weil die wenigstens hier groß geworden sind, ist es eher nur temporäre Wohnstätte.

Wie berichtet ihr Außenstehenden von Grünau? 

„Es ist nicht so schlimm wie immer behauptet wird.“ Grünau ist nunmal eine typisch ostdeutsche Plattenbausiedlung in welcher aber einiges an Potential steckt. Man hat hier alles was man zum Leben so braucht und die Nähe zum Kulkwitzer See ist einfach unschlagbar. Wenn man sich auf Grünau einlässt kann man durchaus schöne Orte entdecken und auch der Grünflächenanteil ist bemerkenswert und so kann man schonmal vergessen, dass man eigentlich von riesigen Plattenbauten umgeben ist. Wenn man selbst aus einer Plattenbausiedlung kommt ist es natürlich einfacher sich daran zu gewöhnen. 

Ist die Oase wichtig für das Viertel? 

Nicht direkt für das Viertel, aber für die Studenten welche hier leben. Die Oase ist quasi der Brückenkopf studentischer Kultur im tiefen Leipziger Westen. Besonders, aber nicht nur, für Studenten der Berufsakademie, welche übrigens in Grünau liegt, bietet sie einen Ort zum entspannen vom Studienalltag ohne dabei in die Innenstadt fahren zu müssen. Auch wertet der Studentenclub das Zusammenleben in den Wohnheimen auf und sorgt so für eine angenehme Atmosphäre. 

Würdet ihr derzeit gerne umziehen? 

Nicht direkt, Grünau bietet einem alles was man zum vernünftigen Leben braucht. An einem anderem Ort in Leipzig kann es eigentlich nicht wirklich besser, aber auch nicht schlechter sein. Maximal etwas lauter. Wenn man umziehen würde, dann nur wenn die gesamte Oase mit umziehen würde. 

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HEIZHAUS

Sven Bielig, Einrichtungleiter

Lebst Du selbst in Grünau? Wenn ja, wie lange?

Ich selbst wohne nicht in Grünau, habe hier jedoch seit neun Jahren meinen Lebensmittelpunkt und verbringe fast jeden Tag ein paar Stunden hier. Einige unserer Ehrenamtlichen sind in Grünau wohnhaft und viele unserer Besucher*innen wohnen im Quartier. Mit unserem Angeboten des Jugendkulturzentrums HEIZHAUS locken wir sehr viele Besucher aus der ganzen Stadt und dem Umland nach Grünau und bieten vielen somit einen ersten Berührungspunkt mit dem Quartier.

Was verbindest Du mit dem Viertel?

Insbesondere an unserem Standort in Grünau-Ost gibt es besonders viel Grün. Zudem gibt es in Grünau-Ost eine Konzentration von Jugend(kulturellen) Angeboten wie dem Theatrium, dem HEIZHAUS, das Montessori-Schulzentrum, die Freie Schule Leipzig, die Ringelnatzschule und die Rosenwegschule. Viele Jugend-Angebote mit stadtweitem Einzugsgebiet in einem überalterten Stadtteil. Das ist toll! In Grünau gibt es viele engagierte Bürger und Institutionen. Ich selbst bin Mitglied im Quartiersrat Grünau. Wichtigste Aufgabe des Quartiersrates besteht in der Bündelung der verschiedenen Interessen und Ideen, aber auch in der Informationsaufnahme und -weitergabe aus und in den Stadtteil.

Zudem gibt es einen Arbeitskreis Jugend, in welchem alle Jugendeinrichtungen und Projekte aus Grünau zusammenkommen und der bspw. Am 27. Mai das Jugendevent „Mehr als Chillen“ am Marktplatz in der Stuttgarter Allee durchgeführt hat. Es gibt die AG Campus, an welcher alle Bildungseinrichtungen aus Grünau zusammen kommen, die AG WoWi, welche alle Wohnungsunternehmen an einen Tisch bringt, das Netzwerk Migration/Integration, welche die Akteure in diesem Themenkomplex zusammenführt und aktuell sind wir im Aufbau des Netzwerks Sport.

Was berichtest Du Außenstehenden von Grünau?

Grünau lebt und belebt! Es benötigt noch etwas mehr Input von außen, insbesondere, was die Kultur anbelangt, aber auch hier sind viele Akteure bereits am Planen und Durchführen. Auch wir haben zum Beispiel im Rahmen des Grünauer Kultursommers 2015 ein paar leerstehende Wohnungen der LWB als Ateliers und Künstlerwohnungen genutzt. So konnten wir den Grünauern die Kunst näher bringen und den Besuchern Grünaus einen Ausflug in den zumeist unbekannten Stadtteil verschaffen. Wir freuen uns auf die Aktionen im Rahmen der Feierlichkeiten zu 40 Jahre Grünau.

Welche Rolle nimmt das Heizhaus für die Anwohner Grünaus ein?

In sieben Jahren unseres Schaffens haben wir uns gut eingelebt und viele Möglichkeiten zur Partizipation geschaffen. Wir sind mittlerweile geliebter Anlaufpunkt für eine Vielzahl der Kinder und Jugendlichen aus Grünau. Wir sind auch Anlaufpunkt für viele Familien und haben mit unseren Angeboten im letzten Jahr den Familienfreundlichkeitspreis der Stadt Leipzig gewonnen. Seit mehr als drei Jahren bieten wir zudem auch Angebote für Senior*innen. Aufgrund des großen Interesses haben wir uns im letzten Jahr zudem dazu entschlossen, gemeinsam mit den Senior*innen einen Mehrgenerationen-Treff zu eröffnen.

Nun ist das NEBENAN seit gut einem Jahr geöffnet und erfreut sich wachsender Beliebtheit bei Alt und Junggebliebenen. Der Austausch zwischen den Generationen steht künftig immer mehr im Fokus. Eines haben das HEIZHAUS und das NEBENAN bereits jetzt gemeinsam. Wir hören den Besuchern zu, erfassen ihren Bedarf und bieten dann die Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen. Nicht wir machen die Angebote, sondern die Besucher*innen selbst sind die Akteure.

Wo siehst Du Grünau in 20 Jahren?

In 20 Jahren feiern wir das 60-jährige Bestehen von Grünau. Was Grünau dann ist oder was nicht, das haben die Leipziger selbst in der Hand. Es gibt bereits eine Vielzahl an Beteiligungsmöglichkeiten und die stehen Allen zur Verfügung, um sich selbst zu verwirklichen.

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GRÜNAUER KULTURSOMMER

Anne Lehmann, Projektorganisation

Leben Sie selbst in Grünau? Wenn ja, wie lange?

Ich lebe nicht in Grünau, habe allerdings meine ersten 18 Lebensjahre hier verbracht und arbeite nun hier. Dadurch kehre ich seit über dreißig Jahren immer wieder nach Grünau zurück.

Was verbinden Sie persönlich mit dem Viertel? Was berichten Sie Außenstehenden von Grünau?

Besonders spannend finde ich die Entwicklung, die Grünau durchlaufen hat. Von „Schlammhausen“ zu einem der begehrtesten Wohngebiete der Stadt Ende der 80er mit 85.000 Einwohnern. Und schließlich der Rückbau der letzten Jahre und der damit verbundene Bevölkerungsrückgang auf heute etwa 40.000 Einwohner.

In den 90er Jahren habe ich Grünau als „heißes Pflaster“ empfunden. Rechtsextreme Tendenzen unter den Jugendlichen nahmen zu – ebenso wie soziale Schwierigkeiten nach der Wende. Es gab kaum Kultur- und Freizeiteinrichtungen dafür viel Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit.

Doch in ebendiesen Jahren nach der Wende nahmen sich zahlreiche Vereine und Initiativen dem Stadtteil an. 1991 wurde das Komm-Haus gegründet, 1996 öffnete das Theatrium seine Pforten. Seit 1999 gibt es hier draußen eine große Schwimmhalle und 1996 eröffnete das Allee-Center. Grünau wurde wieder attraktiver.

Dennoch hat Grünau einen schlechten Ruf – wie es wohl allen Plattenbau-Siedlungen eigen ist. Von Leipziger_innen aus anderen Stadtteilen wird Grünau skeptisch, teils mit Argwohn betrachtet. Es wird eine ebenso hohe Kriminalität wie Arbeitslosigkeit vermutet. Grau und trist sei es hier. Die sozialen Probleme bestehen, daran ist kein Zweifel. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt ebenso über dem stadtweiten Durchschnitt, wie die Armut der Anwohner. Dennoch wird eine solch schlechte Sicht dem Viertel nicht gerecht. Umfragen belegen, dass die Wohnzufriedenheit im Viertel kontinuierlich steigt. Gerade durch den Rückbau sind große Grünflächen entstanden, die die Architektur auflockern. 

Letztlich ist Grünau wohl ein Stadtteil wie jeder anderer: Durchaus mit Schwierigkeiten und Herausforderungen. Aber eben auch mit einem eigenen Charme.

Wie war das erste Jahr als Mitveranstalter des Kultursommers? Was erwartet uns dieses Jahr?

Das Theatrium ist zwar erst seit vergangenem Jahr offizieller Mitveranstalter und –organisator des Grünauer Kultursommers, aber als Kultureinrichtung waren wir schon immer Veranstaltungsort dieses seit nunmehr 20 Jahren bestehende Kulturfestivals und leisten so seit vielen Jahren unseren Anteil dazu. Zahlreiche Grünauer Vereine, Initiativen und auch Einzelpersonen melden alljährlich ihre Veranstaltungsideen bei uns an und wir sind jedes Jahr aufs Neue überrascht, wie viel kreatives Potenzial in Grünau schlummert. Und seit der Neuorientierung im vergangenen Jahr, mehr Künstler und Kulturschaffende aus dem gesamten Stadtgebiet zu uns nach Grünau zu holen, gelingt dies immer besser. 

Das Programm ist auch dieses Jahr wieder gewachsen: es wird in dreieinhalb Monaten 89 Veranstaltungen von 35 Kulturschaffenden an 33 verschiedenen Orten in Grünau geben. Das sind zehn Programmpunkte mehr als 2015. Dazu kommen die Veranstaltungen in der Festwoche anlässlich des 40. Geburtstages Grünaus Anfang Juni. Von Ausstellungen zu den verschiedensten Themen über Lesungen, Sommerkino, Kinderfeste hin zum Parkfest, klassischen Konzerten und einem Schreib-Workshop (und unzähliges mehr) ist alles dabei, was das Herz begehrt. Für Jung und Alt, zum Zuschauen oder –hören oder Selbst aktiv werden. Jeder kann in dem vielfältigen Programm die für sich passende Veranstaltung finden.

Wie ist das Feedback zum Kultursommer? Kommen auch viele Leute anderer Viertel?

Das Feedback zum Kultursommer ist sehr gut, und auch dieses Jahr haben wir wieder viele begeisterte Kommentare zu dem vielseitigen und spannenden Programm erhalten, welches von Jahr zu Jahr umfangreicher wird. Woher die Besucher der einzelnen Veranstaltungen genau kommen, können wir leider nicht sagen. Was wir jedoch beobachten ist, dass es mehr und mehr Veranstalter aus anderen Stadtteilen nach Grünau zieht, um im Rahmen des Kultursommers Projekte und Veranstaltungen für und gemeinsam mit Grünauer Bürger_innen zu initiieren.

Welche Rolle spielt der Großstadtkinder e.V. in Grünau?

Seit 1996 ist das Theatrium ein fester Bestandteil der Grünauer Kulturlandschaft und das einzige Theater in ganz Grünau. Auch wir feiern dieses Jahr unser 20jähriges Bestehen. Seit der Eröffnung des Hauses hatten wir rund 121.000 Zuschauer im Haus und rund 1000 Mitmacher standen auf der Bühne. Viele Grünauer Kinder und Jugendliche und auch ältere Mitbürger spielen Jahr für Jahr in unseren Projekten mit. Doch auch Kinder und Jugendliche aus anderen Stadtteilen zieht es nach Grünau, um an unseren Projekten teilzunehmen. Auch im Theatrium führen wir keine Zuschauerstatistik, doch immer mal wieder sprechen uns Besucher_innen an, dass sie von weiter her kommen und nur wegen uns nach Grünau gefahren sind.