urbanite präsentiert: ALLIGATOAH – WIE ZUHAUSE TOUR 2019 am 27. Januar 2019 in der Arena Leipzig „Ich war ein lieber kleiner junge vom Dorf“ – Alligatoah im Interview

Lukas Strobel aka. Alligatoah gehört auf die großen Bühnen des Landes! Gut, dass er im Januar und Februar wieder mit all seinen Songs und Persönlichkeiten im Gepäck auf „Wie Zuhause“ Tour geht.

Lukas Strobel aka. Alligatoah gehört auf die großen Bühnen des Landes! Gut, dass er im Januar und Februar wieder mit all seinen Songs und Persönlichkeiten im Gepäck auf „Wie Zuhause“ Tour geht. Auch Leipzig wird er beehren, das alles andere als unbekanntes Terrain für ihn ist. Im Interview mit uns spricht er u.a. über seinen (für alle) etwas verstörenden Auftritt auf der LitPop 2014, seinen Traum vom Gangsterrapper-Sein und welche Drogen seine liebsten sind. 

© Presse Landstreicher Konzerte


Hi. Als erstes müssen wir natürlich klären: Wie willst du angesprochen werden? Lukas? Herr Strobel? Alligatoah?

Lukas ist ok.

Alligatoah – was bedeutet das? Seid ihr eine Band oder Crew? Ist es Lukas Strobel als Rapper oder Kaliba69?

Also ich muss sagen, dass in den ersten drei Jahren meiner künstlerischen Existenz nicht ganz klar war, was Alligatoah bedeutet. Ich habe mich zunächst als Band dargestellt und viele Leute dachten tatsächlich, dass Kaliba69 und DJ Deagle real existierende Personen sind. Später habe ich dann enthüllt, dass es sich bei beiden Bandmitgliedern um mich handelt und dass es sich sozusagen um eine Ein-Mann-Band handelt. Also ist beides richtig. Alligatoah – Das bin ich. Allerdings ist Alligatoah auch als Band zu verstehen. Ich bin eben auch schizophren und mache den Rap und die Produktion.

Ich habe gehört, dass du und dein Umfeld in der Jugendzeit sehr Punkrock-geprägt wart. Wie kommt es, dass dieses Genre deine Musik so gut wie gar nicht beeinflusst?

Ich finde schon, dass es sie beeinflusst. Es ist richtig, dass die Umgebung, in der ich groß geworden bin, sehr punkrocklastig war. In meinem Umfeld hat man vor allem die Ärzte, Terrorgruppe usw. gehört und ist auf Punkkonzerte gegangen. Ich habe mich allerdings eher für Metal interessiert. Ich war von der New-Metal-Zeit in meiner Jugend wirklich sehr angetan. Es war diese Härte der Musik, die mich interessiert hat. Dieselbe Härte und Radikalität habe ich dann auch in der Rapmusik wiedergefunden. Und das ist beides in meine Musik eingeflossen, sowohl textlich als auch musikalisch – kompromisslos zu sein beim Komponieren verschiedener Soundwelten zum Beispiel. Und wenn man sich mein neues Album „Schlaftabletten, Rotwein Teil V“ anhört, hört man die Rockgitarren und die Metaleinflüsse, die mich persönlich eben viel mehr beeinflusst haben als später die Deutsch-Rap-Zeit.

© Presse Landstreicher Konzerte

Vor einiger Zeit hast du dich als Schauspielrapper bezeichnet. Wieso bringst du so viel Schauspiel mit ein und schlüpfst immer wieder in andere Rollen? Reicht dir eine Person nicht oder ist deine Musik allein nicht abwechslungsreich genug?

Mich haben wie gesagt diese Härte und Kompromisslosigkeit in der Rapmusik fasziniert. Als ich mich dazu entschlossen habe, dass ich das auch machen möchte, habe ich überlegt, wo diese Eigenschaften bei mir zu finden sind. Ich war aber kein harter Gangster und kein Straßentyp. Ich war ein lieber kleiner Junge vom Dorf. Aber ich hatte fiktive Figuren und Märchen im Kopf, die ich erzählen wollte. Deswegen habe ich die Härte vom Battlerap genommen und meine eigenen Geschichten dazu erfunden. Ich musste sie erfinden, denn es gab keine harten Geschichten in meinem Leben. Und somit sind die verschiedenen Rollen und das Schauspiel in meiner Musik zustande gekommen.

Würdest du sagen, dass das der entscheidende Unterschied zwischen dir und anderen deutschen Rappern ist?

Das könnte man so sagen. Aber an dieser Stelle möchte ich auch darauf hinweisen, dass ich nicht der einzige bin, der Phantasie hat. Bei mir ist aber das Besondere, dass ich immer in eine Rolle schlüpfe und aus dieser Rolle heraus die Möglichkeit habe, Figuren darzustellen, denen ich selbst sehr kritisch gegenüber stehe oder gar furchtbar finde. Ich habe Terroristen, Frauenhasser, Choleriker und fremdenfeindliche Menschen gespielt. Da ist alles dabei gewesen und das macht meinen Spielplatz so groß und die Bandbreite von dem, was ich erzählen kann, so fantastisch.


Auch dein neues Album „Schlaftabletten, Rotwein V“ ist sehr gesellschaftskritisch. Konsum, Hass innerhalb der Gesellschaft und Terror spielen eine Rolle. Welche Themen liegen dir besonders am Herzen und wofür setzt du dich auch außerhalb deiner Texte ein?

Jedes Thema, was ich im Album anspreche, ist mir ein Herzensthema. Man muss dazu auf jeden Fall wissen, dass ich Texte nicht mal eben so an einem Wochenende runter schreibe. Texte entstehen bei mir über einen sehr langen Zeitraum. Manchmal liegen sie monatelang herum. Nach ein paar Wochen nehme ich sie dann wieder in die Hand und manchmal kommt etwas Neues hinzu. Insgesamt ist es ein sehr langer Reifeprozess. Ein Thema, das ich dadurch wirklich in die Hand nehme und diesem ganzen Prozess unterziehe, muss eben auch ein Thema sein, was mir am Herzen liegt und was mich so sehr beschäftigt, dass ich darüber schreiben möchte. Gerade Themen, die ich in der Gesellschaft als relevant ansehe, wie eben das Auseinandersetzen mit dem eigenen Konsumverhalten, haben für mich in unserer heutigen Zeit eine hohe Gewichtung.

Am 14. September erschien das neue Album. Die anderen Schlaftabletten-Rotwein-Veröffentlichungen wurden als Mixtapes bezeichnet. Was ist der entscheidende Unterschied beim gleichnamigen Album?

Eigentlich ist das kein großer Unterschied und sorgt meiner Meinung nach unnötig für Verwirrung. Wobei „Schlaftabletten, Rotwein V“ als Album bezeichnet wurde, um diese Verwirrung zu vermeiden. Im Grunde genommen waren alle Schlaftabletten-Rotwein-Veröffentlichungen Alben. Ich wusste nur nie richtig, wie ich mit den Begriffen umgehen soll. Man kann es aber nennen wie man will. Fakt ist aber, dass diese Schlaftabletten-Rotwein-Reihe für mich einen Sonderstatus hat. Anders als bei meinen anderen Alben wie zum Beispiel „Triebwerke“ oder „Musik ist keine Lösung“ lässt sie mir mehr Raum für Experimente. Es gibt keinen roten Faden, an dem ich mich thematisch lang hangeln muss. In der Schlaftabletten-Rotwein-Reihe gehe ich komplett frei in alle Themen rein und lasse auch mal dem Blödsinn freien Lauf.

Das Releasekonzert hast du in Kenia gespielt. Wie kamst du auf diese Idee und welcher Sinn steckt dahinter?

Die ursprüngliche Idee war, ein Releasekonzert in der Natur zu spielen. Nicht wie man es normalerweise kennt: Vor einer Crowd von Leuten auf einer Bühne. Ich fand es interessant, eine Band zu zeigen, die vor niemandem spielt und als Gruppe deshalb komplett anders agiert. Wir hatten kein Publikum zum Interagieren, sondern nur uns selbst und die Natur. Ich vermutete schon von Anfang an, dass daraus etwas ganz Schönes entstehen würde. Deswegen haben wir lange überlegt, wo wir das Konzert geben würden. Am Anfang war mir klar, dass wir es irgendwo in Europa machen würden zum Beispiel in Spanien oder auf Teneriffa. Meine Leute haben mir dann aber extrem zugeredet und meinten, dass wir auf jeden Fall groß denken müssen. Letztlich ist es dann die Savanne in Kenia mit Blick auf den Kilimandscharo geworden. Den Berg hätte man übrigens perfekt gesehen, wenn sich nicht eine riesengroße Wolke während des Konzerts davor geschoben und die Sicht versaut hätte (lacht). Trotzdem war es ein einmaliges Konzert und das sollte es eben auch sein.

Okay, jetzt stelle ich dir eine Frage, die du bestimmt schon eine Millionen mal gehört hast. Ich bin allerdings durch den neuen Song „Ein Problem mit Alkohol“ wieder auf das Thema gekommen. Und weil bereits 2013 Drogenkonsum in „Willst du“ wortwörtlich eine Rolle spielt, kommt die Frage noch einmal: Wie stehst du wirklich zum Drogenkonsum? Was ist ok und wo liegen deine Grenzen?

Tatsächlich ist das eine Frage, die mir erst sehr selten gestellt wurde. Ich glaube die meisten Interviewer haben vorgefertigte Meinungen über mich und denken entweder: „Der nimmt sowieso Drogen“, oder: „Der ist super clean, weil er nur satirisch darüber redet.“ Aber sehr schön, sich mal darüber äußern zu können. Ich selbst konsumiere keine Drogen. Ich bin schon immer der Meinung, dass es eine wunderbare Erfindung ist, wenn man sich quasi auf Knopfdruck durch eine Substanz Hochgefühle kaufen kann. Also dass man durch das Einnehmen einer Substanz chemische Prozesse im Körper auslösen kann, die dafür sorgen, dass es einem gut geht und tolle Gefühle ausgeströmt werden. Das finde ich an sich eine super Sache. Ich persönlich habe mir das Auslösen von schönen Gefühlen immer selbst geholt und auf natürliche Weise erzeugt, zum Beispiel indem ich einen Song geschrieben oder ein ganzes Album produziert habe. Wenn ich so etwas schaffe, habe ich ein unglaubliches Glücksgefühl, was ich von keiner Droge bekommen könnte. So führe ich mir rauschartige Zustände zu. Drogen wären eine zu einfache Abkürzung. Ich gehe lieber den etwas umständlichen, aber ehrlichen Weg.

Am 27. Januar 2019 führt dein Weg dich zu uns in die Leipziger Arena. Wie gut kennst du Leipzig und hast du besondere Erinnerungen daran?

Ich bin schon öfter in Leipzig aufgetreten. Aber das erste Mal als ich hier aufgetreten bin, hatte ich kein reguläres Konzert. Ich bin auf einer LitPop-Veranstaltung aufgetreten, die im Rahmen der Leipziger Buchmesse stattfand. Dort waren unter anderem Vorlesungen und ein bis zwei andere musikalische Acts, aber ich war der einzige, der ein bisschen was Wilderes gemacht hat. Es waren keine anderen Rapper oder Rockmusiker oder ähnliches da. Es war weder poppig noch laut. Und plötzliche komme ich auf die Bühne mit meinen komischen Kostümen und meiner schrägen, lauten und schrillen Musik und brülle irgendwas von „fick ihn doch“. Und ich habe gesehen wie in diesem Saal, der voll mit literaturinteressierten Menschen, das ein oder andere Gesichtszug langsam entgleist ist. Ich glaube, bei denen habe ich einen Eindruck hinterlassen. Nicht unbedingt einen positiven, aber einen Eindruck und das ist ja alles, worauf es ankommt (lacht).

Und jetzt meine letzte Frage, passend zum Jahreswechsel. Was sind deine guten Vorsätze für 2019?

Ganz klar: Ich werde ganz bestimmt die Blues-Tonleiter lernen.

ALLIGATOAH – WIE ZUHAUSE TOUR 2019

27. Januar 2019, Arena Leipzig –> Achtung! Der Termin wurde krankheitsbedingt verschoeben, neuer Tourtermin: 14.09.2019 – Tickets behalten ihre Gültigkeit

Einlass: 17:30 Uhr, Beginn: 19:30 Uhr

Tickets im VVK 37 € zzgl. Gebühren