Wein ist Emotion! Im Gespräch mit Christian Wilhelm „Sommelier des Jahres 2018“

Wer zuvor noch dachte, Wein sei ein Getränk, der wird von Christian Wilhelm eines besseren belehrt. Der Sommelier lebt und liebt seine Weine im erstklassigen FALCO Restaurant.

© Ralf Müller
Eine echte Rarität, ein Wanderfalkenpärchen, lebt und brütet auf dem Dach des Westin Hotels. Den seltenen Vögeln hat das FALCO seinen Namen zu verdanken. Etliche Etagen weiter unten, im Keller des Hochhauses, lagern ganz andere Kostbarkeiten. Sie sind das Fachgebiet von Christian Wilhelm. Wir haben den Fahrstuhl bis in die 27. Etage genommen und treffen dort den Meister der Weine, der erst kürzlich von Gault&Millau zum „Sommelier des Jahres 2018“ gekürt wurde.

Mit seinen zwei Michelin Sternen ist das FALCO das erste und einzige Restaurant seiner Art in den neuen Bundesländern. Ein Abend zu zweit kann hier schon mal über 1.000 € kosten. Aber auch für deutlich weniger Geld lässt es sich hier durchaus gut aushalten (z.B. mit dem Rookie Menü für 144 € p.P.) und dazu gibt es, unabhängig von der Größe des Geldbeutels, einen phänomenalen Blick über die Stadt. Wer hier auf ein Glas Wein vorbeischaut, wird von Christian Wilhelm höchstpersönlich beraten. Seit sieben Jahren hat er nämlich keinen Tag auf der Arbeit verpasst – es gibt also sozusagen eine Garantie, ihn live erleben zu dürfen. Klingt nach Entertainment und Bühnenprogramm? Ist es irgendwie auch!  

„Es ist keine Arbeit, es macht ja Spaß“

Christian Wilhelm kennt die Weinkarte mit ihren 1.000 Weinen wie kein anderer. Er hat sie ausgewählt und erneuert das Angebot ständig. „Wenn die Karte gedruckt ist, ist sie schon wieder alt“, erklärt er uns. Er weiß außerdem ganz genau, wie jeder einzelne Wein schmeckt und kann zu jedem eine kleine Anekdote erzählen. Die Weine, „das sind meine Babys“, so Wilhelm. Wir werden neugierig und wollen wissen, wie das Entertainmentprogramm rund um die Weine eigentlich aussieht. Christian Wilhelm erklärt es uns und wir, die zuvor noch dachten, Wein sei ein Getränk, werden eines Besseren belehrt. 

Wein muss man verstehen

„Sie können einen Wein aufdrehen und einfach ausschenken und sagen: das ist dieser und jener Wein, aus dieser Region, viel Spaß dabei! Wahrscheinlich schmeckt er nach Ananas. Oder man kann Emotionen transportieren, um den Tropfen ganz anders wahrzunehmen und die Gäste mitzureißen. Wenn ich die Geschichte hinter dem Wein kenne und eben auch zu jedem Wein was erzählen kann – zum Beispiel, dass der Winzer einmal im Jahr im Weinberg schläft, um die Grillen zirpen zu hören und um den Wein zu verstehen – dann kommt das anders beim Gast an. Wir vermitteln hier eben Emotionen!“ Diese ganzen Geschichten kann Christian Wilhelm erzählen, weil er neben seiner Arbeit vor Ort ständig unterwegs ist, um sich Weingüter anzuschauen oder auf Weinmessen neueste Trends einzusammeln. „Die Arbeit mit dem Winzer in der Natur, zum Weinberg fahren, den Berg hochlaufen, mit der Hand in den Boden greifen … Wenn ich das alles kenne und dafür brenne, kann ich das den Gästen auch ganz anders vermitteln.“ Für ihn ist Wein nicht nur ein alkoholisches Getränk, es ist Sentimentalität. Gast bei Christian Wilhelm zu sein, ist nicht selten ein Akt der Selbstreflexion. „Wenn man mal einen Wein hat, der 20 Jahre alt ist, und dann mal mit den Gästen redet und ihnen vor Augen führt, dass dieser Wein jetzt 20 Jahre lang gelegen hat und dann fragt: ,Was haben Sie denn so in den letzten 20 Jahren alles erlebt?’ Dann geht es in den Köpfen der Leute los … und so kann Wein Emotionen wecken.