"Wenn man sich gegen Rassismus stellt, dann hat das nichts mit Politik zu tun – das ist Menschlichkeit!" Interview mit No Legida über Nazis, Spießbürgertum und Menschlichkeit

No Legida im Interview über das Phänomen Pegida/Legida, ob es tatsächlich ein ostdeutsches Problem ist, Islamfeindlichkeit und dass auch der Sport seine Aufgabe in der Gesellschaft erfüllen muss.

© No Legida

Als im vergangenen Dezember klar war, dass der Pegida-Ableger „Legida“ nach Leipzig kommt, hat sich die Facebookgruppe No Legida gegründet. Sie will informieren, motivieren und die Leute auf die jeweiligen Demos schicken. Das hat für den 12. Januar 2015 auch sehr gut funktioniert. Über 30.000 nahmen an der Gegendemo zur Legida teil, während deren Zahl auf 4.800 geschätzt wurde. Wir haben mit dem No-Legida-Mitbegründer Marcel Nowicki gesprochen über: Pegida/Legida, ob es tatsächlich ein ostdeutsches Problem ist, die rechtsextreme Szene und dass auch der Sport seine Aufgabe in der Gesellschaft erfüllen muss. 

Steckbrief No Legida

Gründungstag: 15.12.2014
Geburtsort:       Leipzig
Begründer:        3
Zweck:              Für eine tolerante Stadt und ein weltoffenes Leipzig
Adresse:            www.facebook.com/nolegida

Montag, der 12. Januar 2015, war ein riesen Erfolg, was zahlenmäßig wahrscheinlich so auch nicht erwartet wurde.
Ja, das war absolut unerwartet. Wir haben irgendwann am frühen Abend gegen 18 Uhr die ersten Zahlen bekommen. Und als wir dann wussten, wie viele Leute bei den einzelnen Demos sind, da war dann schon klar, dass wir die 20.000 knacken werden. Wir saßen in einem Büro im Waldstraßenviertel, sind rausgegangen und haben erst mal Luft geholt. Wir haben das auch erst nicht begreifen können. Das einzuordnen, hat eine Weile gedauert. 

Viele waren enttäuscht, dass die 4.800 Legidas beim Spaziergang nicht blockiert wurden.
Da muss man vorsichtig sein: Man darf in Deutschland nicht zu Blockaden aufrufen – das ist eine Straftat und das dürfen wir nicht machen. Wir planen für die nächsten Gegendemos eine Widersetz-Aktion, dass Leipzig Platz nimmt. Das Aktionsnetzwerk gibt es schon seit vielen Jahren. Und die haben auch schon bei Naziaufmärschen in der Vergangenheit bewiesen, dass das möglich ist und dass ziviler Ungehorsam dort auch notwendig ist. Und das wurde bisher auch immer von der halben Bevölkerungsschicht getragen. Ich kann mich erinnern, dass ich vor ein paar Jahren als normaler Demoteilnehmer eine ältere Dame neben mir gesehen habe, die dafür gesorgt hat, dass die Nazis nicht auflaufen und sich dem entgegengestellt hat. Und es wäre schön, wenn wir sowas bei den nächsten Demos auch hinbekommen. Es ist dazu aufgerufen, sich zu widersetzen. Das heißt aber nicht, dass das das einzige ist. Wir von der Facebook-Seite wollen Leute, für die das nichts ist, was ich verstehen kann, informieren, wie sie zu den stationären oder zu den großen Kundgebungen kommen – denn die wird es auch geben.

Ihr sprecht vom „rechten Aufmarsch“, wenn es um Legida geht. Und tatsächlich zeigten sich bei den ersten Legida-Demos Neonazis und rechte Fußball-Hools. Wie kommt es, dass Leipzig da extremer scheint?
Weil es hier aktuell eine sehr große Nazi-Szene gibt.

Größer als in Dresden?

© Carolin Schreier
Nein, nicht größer. In Dresden fällt es nur nicht so auf, weil da auch viele Spießbürger mitlaufen. Das ist dann nicht ganz so auffällig. Aber man muss eigentlich nur die Augen aufmachen. Das heißt jetzt nicht, dass jeder der mitläuft ein Nazi ist. Aber die Leute müssen sich schon die Frage stellen lassen, warum sie mitlaufen. Auch für die muss es offensichtlich sein. Und wenn man es toleriert, dass neben einem der Mann den Hitlergruß zeigt, dann wird es halt schwierig. Und ich glaube auch nicht, dass es alles nur verirrte Schafe sind, die da mitlaufen. Dass es nur Leute sind, die Sorgen haben, die Angst davor haben, den Anschluss zu verlieren. 

Aber es ist schon auffällig, dass sowohl in Dresden als auch in Leipzig viele ältere Menschen mitlaufen. Meinst du, denen ist das tatsächlich bewusst?
Einerseits kann man sagen: „Nee, die haben ja keine Ahnung. Das ist alles ganz naiv.“ Das ist aber nicht mein Bild, das ich von Menschen habe. Ich gehe bei allen Menschen davon aus, dass sie ein gewisses Maß an Grundbildung haben und ich gehe davon aus, dass sie wissen, was um sie herum passiert. Wenn ich das nicht tun würde, wäre ich beleidigend. An der Stelle habe ich einfach ein positives Menschenbild. Deswegen denke ich auch, dass wenn die Leute die Augen aufmachen, dass sie sehen, was so passiert und wer mit ihnen läuft. Zumal das ja auch alles Leute sind, die wissen, was in den letzten zwei Jahrzehnten gelaufen ist. Die wissen von dem brennenden Asylbewerberheim und den Naziaufmärschen, die es in den 90er und 00er Jahren gegeben hat. Wenn die das wissen, aber die Augen davor verschließen, dann muss man sich auch den Vorwurf gefallen lassen.

Wie setzt sich Legida zusammen?
Meiner Einschätzung nach setzt sich Legida aus drei großen Teilen zusammen: Ein großer Teil aus Nazis und Hools, ein Teil aus Rentnern sowie normalen Hausfrauen – also Kleinbürger, und der dritte Teil besteht aus Verschwörungstheoretikern, die gegen Amerikanisierung und Co. protestieren. Wenn es nur aus dem zweiten und dritten Teil bestehen würde, wäre die Bewegung ziemlich klein, und dann könnte man sich damit auch ganz anders auseinandersetzen. Aber solange der große Teil aus Nazis mitläuft, wäre es schön, wenn sich viele Leute den Widersetz-Aktionen anschließen, um denen wenigstens die Möglichkeit zu nehmen, die 89er Route zu laufen. Denn das ist das Perverseste an diesem Mittwoch (21.1.2015): Die mutigen Leute, die sich 1989 für Freiheit und Einigkeit ausgesprochen haben, will die Legida ausgrenzen. Und das darf man einfach nicht zulassen. 
Ich möchte auch nicht jedem, der bei Pegida/Legida mitläuft unterstellen, dass derjenige jemals die Hand gegenüber einem Migranten erheben würde. Aber: Es werden Stimmungen geschaffen. Und es gibt dann immer diesen einen, der es macht. Sowas schafft Bestätigung für die Leute, die militanter sind und dann tatsächlich solche Aktionen planen und gegen Menschen vorgehen. Und diese Motivation muss man bekämpfen. 

Was ist der Unterschied zwischen Legida und Pegida?
Der Unterschied ist einfach das Auftreten – alleine das der Organisatoren. Man kann den Organisatoren in Dresden nicht stichhaltig nachweisen, dass sie rechtsextrem angehaucht oder stark rechtskonservativ wären. Das ist bei den Organisatoren in Leipzig schon mal anders. Silvio Rösler, der Mitanmelder, ist an der Stelle schon bekannt. Bei den Teilnehmern sieht man es in Leipzig auch schon deutlicher. Aber schlussendlich gibt es da keinen großen Unterschied, weil das schon deckungsgleich ist, was die Leute und auch die Redner in Dresden äußern. 

Warum läuft in Leipzig so eine Masse gegen die Bewegung, während der Widerstand in Dresden deutlich geringer ausfällt? 
Das kann ich nicht sagen. Es kann vielleicht sein, dass es in Dresden kein übergreifendes Bündnis gibt. In Leipzig gibt es ein übergreifendes Bündnis aus der Bürgerschaft. Das ist nicht nur ganz links und das sind nicht nur Initiativen, die sich gegen Rassismus generell auflehnen, sondern es ist auch die Bürgerschaft hier in Leipzig. Die kommen alle an einen Tisch und sprechen miteinander, was man machen kann. Und sie sind dann auch, wenn es zu Gegendemos kommen sollte, solidarisch miteinander. Das ist ganz wichtig, dass man sich gegenseitig unterstützt. Vielleicht fehlt das ein bisschen in Dresden. Aber ganz sicher, kann ich das nicht erklären.

Ist ein Indikator, dass z.B. in Leipzig eher SPD und Die Linke gewählt werden und in Dresden die CDU?
Ich bin mir nicht ganz sicher, dass das Ganze mit irgendeiner Pateizugehörigkeit zu tun hat. Mich würde es nicht wundern, wenn man bei den Pegida- und Legida-Demonstrationen auch linke Wähler sehen würde.

Ernsthaft?

© Carolin Schreier
Ja. Das liegt daran, dass da auch Leute hingehen, die sich einfach ausgeschlossen fühlen. Und das trifft auch auf viele linke Wähler zu. Es gibt viele Rentner, die Die Linke wählen. Und es ist schon so, dass die unter bestimmtem Dingen hier im Osten zu leiden haben. Es gab auch Interviews von Leuten, die mit Legida/Pegida demonstriert haben, weil sie eine sehr kleine Rente bekommen und sich dagegen aussprechen wollen. Deswegen würde ich das nicht unbedingt so auf die Wählerschaft fokussieren. Da wird man dann wahrscheinlich Überraschungen erleben.

Und genau das zeigt auch, dass das Rattenfängerei ist, was da betrieben wird. Dieser bürgerliche Rassismus und die stark rechtskonservative Richtung hüllen sich nur in ein bestimmtes Kleid. Auch diese Positionspapiere sind Gewäsch. Man muss nur mal hinschauen, was da für Leute kommen und dort für Ansichten artikulieren. So ein Punktepapier ist wie in der Politik: Wenn sich Politiker in Koalitionsgesprächen einigen, dann sind ganz viele Menschen immer wieder überrascht, auf was sich geeinigt wird und dass sich viele Dinge plötzlich ganz stark von dem unterscheiden, was in einer Wahl vorher gefordert wurde. Und so ist das auch mit solchen Positionspunkten. Die sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden. 

Schlussendlich ist wichtig, was auf diesen Demos passiert, wie die Leute agieren und wie sie sich äußern. Und das weicht sehr stark von den Positionspapieren ab. Wobei in Leipzig ja schon von Kriegsschuldkult gesprochen wurde. Da war es ja offensichtlich. Die haben sich da wohl jetzt in einem neuen Positionspapier gemäßigt. Aber gleichzeitig gibt es auch einen großen Aufruf der Legida am Mittwoch (21.1.2015), dass man die deutsche Kultur bewahren wolle. Und das ist natürlich weiterhin Ausgrenzung par excellence. Damit grenzen die auch mich aus, weil ich mich mit der Kultur nicht identifiziere und darum nicht dazugehöre. Die haben die Idee, dass es nur diese eine Kultur gibt und das ist der erste Schritt zur Ausgrenzung. Dann gibt es vernünftige Anschlusspunkte in dem Papier, um zur bürgerlichen Mitte zu finden. Und da gilt es, aufzuklären und dagegen zu protestieren. Es ist eine Politik der Angst, die betrieben wird. Man versucht mit Angst, Leute zu mobilisieren. Und Angst ist immer ein sehr schlechter Ratgeber. 

Auf der No Legida-Demo am 12.1.2015 hat sich die Politik bzw. haben sich die Politiker klar positioniert. Hingegen wurde der Dialog zwischen Politik und Pegida/Legida bisher vermieden. Ist das der falsche Weg? Werden die Leute dadurch vielleicht noch mehr angestachelt?
Ich glaube, mit denen nicht zu sprechen, ist nicht der falsche Weg. Das Problem ist nämlich, sobald die Politik mit denen anfängt zu sprechen, verschafft sie denen eine Legitimation. Und das ist etwas, was man nicht machen darf. Da bin ich ganz klar dagegen. 
Was Politik aber machen muss, ist auf die Leute zugehen, die eben nicht die rechten Positionen teilen, sondern mit der Welt oder ihrer Situation nicht mehr klarkommen. Und das hätte schon viel früher geschehen müssen. Spätesten ab dem Zeitpunkt, als klar war, dass die Forderungen immer diffuser wurden. Und diesem Vorwurf muss sich Politik im Allgemeinen auch machen lassen. Aber dass die mit der grundsätzlichen Pegida/Legida nicht sprechen, das ist absolut korrekt. 

Gibt es eine Erklärung, warum diese Bewegung ausgerechnet im Osten von Deutschland so boomt?
Das ist schwierig zu beantworten. Ich glaube schon, dass es hier ein großes Maß an Spießbürgerlichkeit gibt und dass manche Menschen in den letzten 20 Jahren nicht unbedingt eine gute Zeit durchgemacht haben. Der Transformationsprozess im Osten war für alle anstrengend und hat hier viele Opfer gefordert. Wir haben hier mehr prekäre Arbeitsverhältnisse, eine höhere Arbeitslosigkeit, die Löhne sind niedriger. Es ist hier schwieriger, ein auskömmliches Leben zu haben als das woanders der Fall ist. Das heißt nicht, dass es hier nicht möglich ist. Aber es ist einfach nicht die Regel. Das prägt die Leute. 
Und dann gibt es hier, meiner Meinung nach, dieses latente Desinteresse für die Welt und was außerhalb der eigenen vier Wände passiert. Das schafft natürlich eine gewisse Stimmung. 
Ein weiterer Punkt ist, dass hier ein größeres rechtskonservatives Denken herrscht. Deswegen nimmt das dann solche Ausmaße an. 

Siehst du das als ostdeutsches Problem, wie es in den Medien oft deklariert wird?
Da würde ich nicht notwendigerweise zustimmen. Das kommt immer darauf an, welchen Themenbereich diese Gruppierungen abdecken. Wenn man z.B. diese Islamfeindlichkeit betrachtet, dann ist es ein gesamtdeutsches Problem. Es gibt islamfeindliche Blogs, die seit Jahren hetzen. Und die stammen alle aus den alten Bundesländern. 
Das sind Sachen, auf die sich Anders Breivik bezogen hat. Den vergessen ja im Moment alle. Aber der hat genau den Kram, den jetzt Legida/Pegida postulieren, genutzt. Also das ist kein ostdeutsches Problem! Nazis per se – sind auch kein ostdeutsches Problem. Ganz Deutschland hat diese Probleme. Man muss im Moment nur nach Dortmund gucken. Ich bin z.B. BVB-Mietglied, ich weiß also, wie es dort aussieht und die haben dort tatsächlich auch eine rechte Szene. Und man darf ebenso nicht vergessen: Auch in Solingen hat es gebrannt. 
Was aber ein ostdeutsches Problem ist, sind die Applaudierer, die sich in Hoyerswerda hingestellt und geklatscht haben. Das sehe ich im Westen so nicht – ich kann aber auch nur nach meinen Erfahrungen gehen. 

Einiges spielt der Legida/Pegida zurzeit in die Hände. Das Attentat von Paris, was instrumentalisiert wird oder die linksautonomen Ausschreitungen in der Leipziger Südvorstadt. Besteht die Gefahr zu mehr linksautonomer Gewalt?
Das weiß ich nicht. Die Aktion in der Südvorstadt am 15.1.2015 hatte auch nur bedingt was mit Legida/Pegida zu tun. Der Auslöser war eher der Tod des Asylbewerbers in Dresden. Und prinzipiell ist gegen Spontandemos an sich auch nichts einzuwenden. Eine Spontandemo ist legitim. Was natürlich gar nicht geht, sind die Taten, die zum Teil ausgeführt worden sind. Wir distanzieren uns auch klar von sowas. Man kann Argumente nicht mit Gewalt untermauern. Das ist kontraproduktiv. Inwiefern das jetzt die Stimmung aufheizt und mehr werden wird, ist Spekulation. Und was die Propagandamöglichkeiten der Legida/Pegida angeht, sollte man das nicht überbewerten – die finden immer Argumente, sei es die sogenannte „Lügenpresse“ oder „Alle gegen uns“.

Ich bin auch niemand, der die Antifa verteufelt – ganz im Gegenteil. Oft wird durch gewalttätige Ausbrüche vergessen, dass ein großer Teil der Antifa gewaltfrei für ihre Ziele kämpft. Das ist zum Teil die einzige Gruppe, die Nazis im öffentlichen Raum etwas entgegensetzt. Auch wenn das gerne so behauptet wird, friedliche Blockaden sind nicht illegal. Es ist ein legitimes Mittel. Und die erfüllen an der Stelle einen ganz wichtigen Zweck – an Stellen, wo es sich andere nicht mehr trauen. 

Apropos trauen: Was ratet ihr Menschen, die mittlerweile Angst haben, sich auf der Straße zu engagieren?

© Carolin Schreier
Die Frage kam auch bei Facebook schon öfter. Die sollen sich keine Sorgen machen. Es kann sich jeder aussuchen, wo er mitläuft. Es gibt mehrere Kundgebungen. Wir werden die alle bewerben und wir werden auch Infos geben, was die Leute bei den Kundgebungen erwartet. Es muss keiner Angst haben, dass er in irgendeiner Art und Weise in einen Trubel gerät. Es kann schon mal passieren, dass es in einer Demo etwas rauer wird, aber es passiert eigentlich nie etwas. Damit will ich nicht das brennende Auto und eingeschmissene Fenster kleinreden, aber die Leute können auch für die folgenden Gegendemos erwarten, dass es friedlich zugehen wird. 

Wie findest du es, dass in den meisten Fußballstadien keine politischen Banner, zB. gegen Legida, zugelassen wurden?
Ich glaube, das ist bei allen Fußballvereinen auch ein Lernprozess, dass man sich dort positionieren muss – bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Fußballvereine vergessen gerne, dass sie ein Spiegelbild der Gesellschaft sind. Viele betrachten sich nur als Wirtschaftsunternehmen. Und die blenden dann gerne aus, dass Vereine eine starke zivilgesellschaftliche Wirkung haben. Die haben dort auch eine Aufgabe, sonst wären sie nicht ein e.V. Manche haben diesen Lernprozess schon gemacht und manche sind von vornherein bereits positioniert wie z.B. St. Pauli, Babelsberg oder hier in der Stadt Roter Stern und Chemie Leipzig. Und andere machen halt gar nichts, so wie Lok Leipzig*. Als das mit Legida losging, haben sie ein Bild und einen Satz gegen Rassismus gepostet. Aber nach ein paar Tagen war klar, dass sie von ihrer eigenen Anhängerschaft so viel Druck bekommen haben, dass es nur noch darauf hinauslief: „Keine Politik im Stadion“ und dass ihre Anhänger, die zur Legida gehen, doch bitte keine Lok-Trikots tragen sollen. Das ist natürlich Heuchelei. 
Fakt ist doch, wenn man sich gegen Rassismus, Antisemitismus, also diese ganzen „ismen“, stellt, dann hat das nichts mit Politik zu tun – das ist Menschlichkeit! Das ist der erste Satz unseres Grundgesetzes, das ist die UN-Charta. Wenn man das christlich-jüdische Abendland zitieren will, dann sind das die 10 Gebote. Das hat Allgemeingültigkeit, das hat nichts mit Politik zu tun, sondern mit dem Grundkonsens unseres Zusammenlebens. Und der wird ja angegriffen. Und an der Stelle zu sagen, man wolle nichts mit Politik zu tun haben, ist sehr unverständlich. Dass einfache Geister darauf reinfallen – ok. Aber Leute, die Verantwortung haben und vielleicht aufgeklärter sind, die sollten dem schon entgegentreten. 

Was will No Legida erreichen?
Es reicht nicht, nur auf eine Demo zu gehen. Der Kampf gegen Rassismus, Alltagsignoranz und für die vernünftige Betreuung von Flüchtlingen ist ein täglicher Kampf und der ist nicht mit einer Demo vorbei. Aber es ist eine gute Gelegenheit, die Leute zum Denken anzuregen und das Bewusstsein ein bisschen zu öffnen. 
Das ist auch der große Unterschied: Legida/Pegida postulieren Forderungen und Lösungsansätze und meinen, damit alle Probleme aus der Welt geschafft zu haben. Aber so funktioniert das nicht. So funktioniert nicht Politik, so funktioniert nicht Gesellschaft. Das ist einfach nur Populismus. 

Es geht nicht nur darum, den Legida-Leuten zu zeigen, dass wir sie und ihre Stimmen hier nicht wollen. Es geht auch vor allem darum, den Migranten, Flüchtlingen und Angehörigen der nicht-christlichen Religion wie Hindus, Muslimen, Rastafaris … zu zeigen, dass sie willkommen sind. Und dass wir uns vor sie stellen und ihnen zeigen: Ihr gehört zu uns. Und da ist es wichtig, dass so viele Menschen wie möglich kommen. Ich wünsche mir auch, dass sich möglichst viele Menschen der Widersetz-Aktion anschließen, denn das ist schlussendlich das einzig wirksame Mittel, um den Nazis, die mitlaufen, den Raum zu nehmen. 

Denn eines ist auch klar: Wenn man auch hier in Leipzig nur ein bisschen von der Norm abweicht, zieht man Blicke auf sich. Das muss noch nicht einmal die Hautfarbe sein. Das kann auch ein zotteliger Bart sein. Und ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das für einen Migranten oder einem dunkelhäutigen Deutschen ist. Das trifft nicht nur Migranten, das trifft nicht nur Muslime oder Flüchtlinge. Das trifft Deutsche, die nicht weiß, blond, blauäugig sind und Müller, Schmidt und sonst wie heißen. 

Das Gespräch wurde am 17. Januar 2015 geführt

*Anmerkung zu Lok Leipzig: Am 22. April 2015 distanzierte sich der 1. FC Lok Leipzig in einer Pressemitteilung von Legida: „Der Verein möchte sich mit Vehemenz dagegen wehren, dass er als Unterstützer oder Befürworter einer als rechtspopulistisch angesehenen Gruppierung erwähnt wird.“ Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage wurden laut Lok Leipzig sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Schritte gegen den Versammlungsleiter der Legida, Silvio Rösler, eingeleitet sowie ein Hausverbot ausgesprochen. Mehr erfahrt ihr hier.