Trendsetter der Tradition Made in Leipzig: Blüthner Pianofortefabrik

Große Komponisten wie Mahler, Ravel oder Debussy komponierten darauf, die Beatles spielten ihren Welthit
„Let It Be“ damit ein und sogar in „Iron Man“ hat es eine Gastrolle

Große Komponisten wie Mahler, Ravel oder Debussy komponierten darauf, die Beatles spielten ihren Welthit „Let It Be“ damit ein und sogar im Kinofilm „Iron Man“ hat es eine Gastrolle: die Rede ist vom Blüthner-Klavier. In unserer Serie „Made in LE“ darf der weltbekannte Klavierbauer natürlich nicht fehlen. Wir durften die Pianomanufaktur besuchen und sprachen mit Geschäftsführer Dr. Christian Blüthner.

© Max Hunger

Wir betreten die Eingangshalle der Pianofabrik am südlichen Stadtrand Leipzigs und uns beschleicht sofort ein Gefühl der Ehrfurcht. Neben modernen Meisterflügeln und skurrilen Designermodellen stehen historische Instrumente aus den Händen berühmter Komponisten wie Franz Liszt. „Schon mein Urgroßvater hat Blüthner-Pianos mit dem Dampfschiff in den südasiatischen Raum, nach Japan und in viele andere Länder exportiert“, erzählt Christian Blüthner, Leiter des Familienunternehmens in der fünften Generation. Auch heute ist Blüthner bei Pianisten weltweit ein Begriff. In über 100 Länder auf allen Kontinenten exportiert das Unternehmen, etwa 90 % des Umsatzes kommen aus dem Ausland. Heute sind vor allem China und die Golfregion vielversprechende Märkte.

© Max Hunger

Über 160 Jahre sind vergangen, seit Gründer Julius Blüthner mit einer kleinen Manufaktur im Leipziger Westen das Unternehmen ins Leben gerufen hat. Im Gegensatz zu den meisten der zwischenzeitlich über 200 Klavier- und Flügelbauern in Leipzig hat Blüthner sich gegen die vielen asiatischen Konkurrenten durchsetzen können. Das Erfolgsrezept klingt dabei so überzeugend, dass es schon fast wieder widersprüchlich ist: „Bei vielen Unternehmen wird die Produktidentität in der Marketingabteilung geschaffen, bei uns passiert das an der Werkbank“, sagt Blüthner. Die Verbindung zum Standort Leipzig liegt ihm dabei besonders am Herzen. Produziert wird nicht etwa in Osteuropa oder einem fernöstlichen Dumping-Lohn-Land, sondern ausschließlich hier, in Leipzig. Und nur in Handarbeit. „Wir sind kein Montagebetrieb, der Bauteile aus der ganzen Welt zusammenfrickelt. Wir machen alles selber, von A bis Z.“
So wird bei der Produktion nichts dem Zufall überlassen: „Bei uns kommt das Holz noch mit Rinde an. Wir wissen genau wo es gewachsen ist.“ Und das ist nicht, wie es so oft der Fall ist, in tropischen Gefilden: Das Gros der wertvollen Tonhölzer für die Klaviere stammt aus deutschen Wäldern, etwa aus dem Harz. Denn wer hätte es gedacht – hier wächst die beste Rotbuche, ein besonders hartes Material.

© Max Hunger

Der vielleicht wichtigste Rohstoff für die Herstellung ist aber nicht das Holz, sondern: Zeit. 18 Monate dauert allein die Fertigung, nicht zu vergessen die mindestens 10 Jahre dauernde Lagerung der Hölzer vor Produktionsbeginn. Zwischen den Arbeitsschritten müssen die Klaviere und Flügel immer wieder abgelagert werden. Denn: Trocken muss das Holz sein! Dafür hat die Fabrik spezielle Lagerräume, in denen eine gegen Null gehende Luftfeuchtigkeit herrscht. Schließlich soll ein echter Blüthner seinen Klang auch noch nach Jahrhunderten behalten. Die Herstellung eines Klaviers wirkt wie aus einer anderen Zeit ohne Overnight-Express oder 30-Tage-Rückgaberecht. Eine Zeit, in der Besitztümer an Kinder und Enkelkinder weitergegeben wurden. Und so trifft hier ein besonders abgedroschener Spruch mal wieder den Nagel auf den Kopf: Was lange währt wird endlich …
… gut! Ja aber was ist denn nun ein gutes Klavier? „Auf einem guten Instrument kann man nicht nur laut und leise spielen, sondern all unsere menschlichen Emotionen abbilden. Das ist die Stärke unserer Instrumente!“, sagt Blüthner. Wir können uns davon selbstverständlich vor Ort überzeugen, doch wie Klanggewalt in Worte fassen? Christian Blüthner wagt einen Versuch: „Ein warmer Bass wie dicke Schokolade. In den Höhen perlend und prickelnd, immer klar, nie mulmend oder aggressiv. Wie ein Fluss, der über viele Stromschnellen kommt und dann ruhig und warm wird.“

© Max Hunger

Ein akustisches Instrument versprüht Faszination. Eine Faszination zum Preis eines Neuwagens: Für einen neuen Flügel sollte man mindestens 30.000 bis 40.000 Euro auf der hohen Kante haben, Klaviere beginnen etwa bei 10.000 Euro. Bei Sonderanfertigungen und Premium-Modellen ist der Preis nach oben offen. Keine unrealistische Kalkulation, betrachtet man die hochwertigen Materialien und den zeitaufwändigen Herstellungsprozess – schließlich ist alles Handarbeit. Doch ist das in Anbetracht der immer besser werdenden und deutlich günstigeren elektrischen Pianos aus Fernost noch marktfähig? Diese Frage hat sich auch Blüthner gestellt und sich vorgenommen, das traditionelle Instrument ins 21. Jahrhundert zu bringen: „Man kann sich der Digitalisierung nicht komplett entziehen. Natürlich wollen wir den digitalen Klaviermarkt den Asiaten nicht kampflos überlassen!“ So bietet Blüthner auch digitale Instrumente in verschiedenen Varianten an. Die ermöglichen das Spielen mit Kopfhörer oder zu gestreamter Musik. „So kann der Herr zuhause die Fußball-WM gucken und der Junior nebenbei Klavier spielen“, sagt Blüthner. An einem lässt er jedoch keinen Zweifel: Zwischen einem akustischen Meisterinstrument und einem digitalen Piano liegen immer noch Welten. „Das wissen wir aus eigener Erfahrung. Selbst wenn wir einen Blüthner samplen, bleibt das Sample nur ein Sample.“ Der Grund dafür ist in erster Linie technischer Natur: Die Fülle an Information eines natürlichen Klangs können auch moderne Prozessoren nicht vollends wiedergeben. Einen besseren Klang würden besonders leistungsfähige, gekühlte Chips ermöglichen, aber wer möchte schon einen brummenden Lüfter in seinem Klavier?

© Max Hunger

Spricht Christian Blüthner über sein Unternehmen, versprüht er einen nahezu greifbaren Idealismus: „Klavierbau ist keine Branche die von Rendite getrieben wird. Wir sind ein Familienunternehmen, bei dem wir – und auch unsere Mitarbeiter – stolz auf unsere Geschichte sind“. Dieser Haltung wird mit einer kleinen Geste Ausdruck verliehen, die zu unserer Serie über Leipziger Firmen nicht besser passen könnte. Mit sichtbarem Stolz verrät er uns zum Abschluss: „Bis heute schreiben wir in jedes Instrument hinein: ‚Made in Leipzig‘.“

www.bluethnerworld.com
www.bluethnerleipzig.com