Maeckes im Interview Maeckes: „Ich bin Deutschraps Urlaubsfotograf“

Am 21. November 2016 präsentiert Maeckes im Täubchenthal zum Tourauftakt sein neues Album. Vorher steht er uns im Interview Rede und Antwort.

© Nico Woerhle
Am 21. Oktober 2016 erschien Maeckes neues Album „Tilt“. Exakt einen Monat später, am 21. November 2016, können wir ihn im ausverkauften Täubchenthal zum Tourauftakt treffen. Bis dahin haben wir genug Zeit, sein Album verstehen zu lernen – das Konstrukt aus Gefühlen zwischen Stagnation, Energie und Aggression bis hin zu einem befreienden Ausatmen, welches uns Markus Winter aka Maeckes im Interview selbst verspricht. Wo er sich in der Deutsch-Rap-Familie positioniert und warum er Menschen gerne unsittlich berührt, verrät er uns übrigens auch. 

Was will uns „Tilt“ erzählen?

Ich glaube, ich wollte mit einem gedämpften, fast schon depressiven Gefühl anfangen und dann einen Weg daraus zeichnen – mit vielen Umwegen. Also eigentlich ist es eine Anleitung aus der Depression des Albums. Man kann sagen, dass man am Ende des Albums versöhnt wird. 

Eine Anleitung zum Glücklichsein also?

Das ist vielleicht zu viel gesagt. Am Ende des Albums ist man wahrscheinlich erst mal nur neutral drauf (lacht).

Ist das Album besonders persönlich?

In irgendeiner Form schon. Wer sich so ein bisschen mit meinem Tausendsassatum beschäftigt hat, weiß, dass ich mich sehr selten auf irgendetwas festnageln lasse, lieber verschiedene Seitenwege gehe. Jetzt habe ich mal wieder gesagt: So, das bin ich. Mit dem Album stehe und falle ich. Man darf aber nicht vergessen, dass ich ja nicht mein Tagebuch veröffentliche und bewerbe: ‚Hi,ich bin Markus Winter, ich habe ein neues Tagebuch geschrieben, es heißt TILT.‘ So ist es ja nicht. Sobald man an einem Lied arbeitet, ist es Fiktion – manche Sachen schmecken real, manche Sachen sind es, manche sind noch schmecken real. 

Schaffst du dir damit eine Distanz zum Hörer?

Ich habe an sich keine Angst, Einblicke zu geben – trotzdem tue ich es sehr wenig. Bei mir herrscht ja irgendwie eine sehr lange Tradition des Nicht-Preisgebens und ich glaube, da bekommt man mit dem Album vermeintlich mehr und wahrscheinlich genau das, was ich bin und vielleicht auch nicht bin. Sollte man Angst haben und richtig krasse Lieder eher für sich behalten? Sollte man gerade die krassen Lieder von sich geben, weil genau diese die Leute berühren können? Ich bin dafür, auch wenn man manchmal hin und her bangen muss, es immer rauszuhauen – man sollte keine Angst haben, Menschen zu berühren. Auch wenn es dann bei einigen Leuten eine unsittliche Berührung zu sein scheint. 

„Gettin jiggy with it“ postuliert, dass wir Menschen das Beste und auch das Schlechteste sind – wie genau? 

Was der Mensch auf seine individuelle Art tun kann wie z.B. Wingsuit fliegen, einen Hund aus einem Sumpf retten usw. – da ist der Mensch der Beste. Oft einfach in kleinen Sachen. Sachen, die einen lachen lassen und bewegen. Der Mensch ist das Schlechteste in Sachen Gier und Profitwunsch – das zieht ja vieles nach sich. 

„Urlaubsfotograf“ ist ein Song über deinen Papa – Wie kann man den verstehen?

Es ist das Gefühl des Liedes, welches im Vordergrund steht. Und mir war gar nicht bewusst, wie viele Leute dieses Gefühl kennen. Es ist nun mal aber ein althergebrachtes Ding, dass Eltern arbeiten müssen, damit der Kühlschrank voll ist und eben nicht da sein können. Und trotzdem irgendwie immer da sind. Dieses Da- und Nicht-Dasein … Ein Urlaubsfotograf eben – ohne den Urlaubsfotografen gibt es die Erinnerungen nicht und doch ist er nicht drauf. 

Hast du selbst ein Lieblingslied auf dem neuen Album?

Das nicht. Das wichtigste Lied bzw. das Lied mit dem tiefsten philosophischen Diskurs ist jedoch „Loser“. Da habe ich eigentlich auch die abstrakteste Sprache benutzt. Welche Türen er aufmacht, an welchen er klopft. Das ist das Lied, wo man im Kreditkartenregen tanzt und Segway-Streifenpolizisten durch die Gegend fahren. Und alle Menschen sind Loser, weil sie sterben werden und nichts dagegen tun können. Man verliert gegen das Leben, welches einem in seinen kleinen Momenten immer so immens wichtig vorkommt (lächelt). Ja, und das alles ist sogar ein sehr tanzbares Lied.

Ist das Zynismus?

Eigentlich nicht. Ich finde es sehr menschlich. In seiner Dummheit eher zu tanzen anstatt zuhause zu sitzen und traurig zu sein – das wäre zynisch.

Was hörst du privat?

Auf meinem Plattenteller liegt immer Bill Calahan mit dem Album „Apocalypse“. Davon will ich dann eigentlich immer nur die D-Seite hören und die startet mit dem Song: „Riding for the feeling“. Seit geraumer Zeit gehört das zum Plattenspieler dazu. Außer, wenn mal Besuch kommt.

Welche Kollegen des Deutschrap-Genres treffen gerade deinen Nerv?

Das letzte Fatoni-Album war super. Edgar Wasser fand ich auch schon immer gut. SSIO ist auch stark – sehr entertainend. Aber im aktuellen Geschehen stecke ich gar nicht, weil ich meinen Kopf gerade so in meinem eigenen kleinen Kosmos habe. 

Wo siehst du dich selbst im Deutschrap?

Das kann ich dir echt nicht beantworten. Manchmal ganz tief drin, manchmal ganz weit weg. Ich bin so ein bisschen der Urlaubsfotograf von Deutschrap. Ich stehe am Rande und mache ganz awkward Bilder. Ich finde die ganzen Deutschrap-Leute komisch, und die finden mich komisch – aber eigentlich sind wir Freunde (lacht).

Wie gehst du denn damit um, dass fast jede deiner Lines schon einmal auf einem verliebten Mädel tätowiert wurde?

Oft finde ich es absurd, oft suhle ich mich darin und lasse mich von all dieser Liebe wärmen. (lacht)