Woran erkennt man guten Wein? Mit “Weinkönner” ins Glas geschaut: Geschmack laut Prädikatssystem

Was macht einen Wein aus? Mit Weinkönner erfahren wir den Zusammenhang von Licht, Glastyp und Wein.

© Anne Gahlbeck

Ende September werden deutschlandweit wieder zahlreiche Rebstöcke um ihre Trauben gebracht. Doch nicht aus jeder Frucht entsteht ein leckerer Tropfen. Wir schauten für euch tief ins Glas und deckten dabei die eine oder andere Weinmythe auf.

Zugegeben, die vollen Weinregale in den Supermärkten sind häufig ebenso wenig aufschlussreich, wie die Etiketten selbst. Tatsächlich könnt ihr einem Wein selten von außen ansehen, ob er euch schmeckt oder nicht. Dennoch lassen sich auf dem Etikett erste kleine, wenn auch vage Hinweise auf einen guten Wein finden. Ohne gewisse Pflichtauskünfte sollte eine Flasche gar nicht erst in eurem Einkaufskorb landen. Dazu zählt neben der Angabe zum Flascheninhalt und dem Alkoholgehalt auch die Aussage bezüglich der Qualitätsstufe. Die einfachste Stufe bei deutschem Wein ist Tafelwein, gefolgt vom Landwein. Die Bezeichnung „Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete“, mit dem Kürzel Q.b.A. gekennzeichnet, heißt: Alle Trauben stammen aus dem gleichen Anbaugebiet. Ab dieser Qualitätsstufe haben Weine eine amtliche Prüfnummer, sind also verkostet worden, was allerdings keine Garantie dafür ist, dass euch der Wein auch tatsächlich schmeckt.

Die Qual der Weinwahl 

Grundsätzlich sagen Weinetiketten deutlich weniger aus, als sich der Verbraucher wünschen würde. In manchen Fällen erhaltet ihr Informationen darüber, wer den Wein gemacht hat. Findet ihr auf dem Etikett den Vermerk „Erzeuger oder Gutsabfüllung“, ist das ein Hinweis darauf, dass der Erzeuger Trauben und Wein selber herstellt und nicht aus anderen Ländern zukauft. Dies kann ein erstes kleines Qualitätsmerkmal sein. An der Spitze stehen aber eindeutig die Prädikatsweine. Dazu zählen Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein. Zu den freiwilligen Angaben, die ab dem Qualitätsmerkmal Q.b.A. immer auf dem Etikett zu finden sind, zählt das Herkunftsgebiet. Der genaue Ort, sowie der Jahrgang, Rebsorte und Geschmacksrichtung sind allerdings freiwillige Angaben, auf die viele Erzeuger verzichten. Stattdessen finden sich auf der Vorderseite lustige Phantasiebegriffe oder Markennamen. Trotz Etikett braucht es also jede Menge Erfahrung, gute Beratung oder ein Smartphone für die erfolgreiche Weinwahl.

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Ortsbezeichnung besser als Rebsorte 

Da Handys noch keinen Wein ausschenken und es uns an Erfahrung mangelt, greifen wir auf den Scharfsinn einer Kennerin zurück und treffen Frau Schloter in ihrem Tastingstore auf der Könneritzstraße in Schleußig. Sie erklärt uns, dass die viele deutsche Winzer auf das Prädikatssystem zurückgreifen: „Je höher die Stufe des Prädikats ist, desto weniger darf dem Wein zugesetzt werden. Zudem haben die einfachen Weine meist nur die Rebsorte auf dem Etikett. Präziser sind Ortsweine. Dabei handelt es sich um Weine, die mit Lagenbezeichnungen versehen sind.“ Viel lieber ist Frau Schloter jedoch die Einteilung in: Wein, der schmeckt, Wein, der nicht schmeckt und Wein, der von Glas zu Glas besser wird, weil man sich darauf eintrinkt. Auf der Suche nach einem leckeren Wein kommt ihr also nicht umhin, ein wenig über eure Vorlieben und Geschmacksvorstellungen zu sprechen und ihn natürlich zu probieren. Aus diesem Grund begrüßt uns die Inhaberin, die quasi im Wein-Hain geboren wurde, auch gleich mit einer leckeren Perlweinprobe aus ihrer Heimat, dem Odenwald. Mit 6% Vol, ein durchaus leichter Wein, ideal bei sommerlich heißen Temperaturen und auch sonst ein optimaler Einstiegswein, perfekt als Aperitif oder zum Brunchen geeignet und definitiv Kategorie: Wein, der schmeckt.

Konstante Temperatur wichtig bei Weinlagerung 

Während wir das erste Glas leeren, erklärt uns Frau Schloter, dass das Alter eines Weines schon entscheidend ist, da ein zu junger Wein, wie der sogenannte Primeur, der schnell gekeltert und sofort abgefüllt wird, selten ausgereift ist. Ob ein Wein längerfristig eingelagert werden kann, hängt vor allem von dessen Inhaltstoffen und dem Verhältnis von Säure- und Restzuckergehalt aber auch von der Lagertemperatur ab. Die Faustregel „Rotwein schmeckt nur bei Zimmertemperatur“ stammt aus Zeiten, in denen die Speisezimmer unbeheizt waren und eine durchschnittliche Temperatur von 16 bis 18 Grad hatten. Die gilt zwar auch heute noch als ideale Temperatur für Rotwein, allerdings nicht für Zimmer. Ihr dürft den Wein also ruhig im Kühlschrank lagern, der hält das aus. Wichtig ist, bei konstanter Temperatur. Optimal wäre natürlich ein Weinkeller. Mindestens genauso wichtig wie der Jahrgang eines Weins sei aber die Wertschätzung, hebt die Weinkennerin hervor: „Schließlich hat sich ein Winzer dafür mindestens ein ganzes Jahr lang Zeit genommen. Ich vergleiche den Genuss daher gerne mit einem Theaterbesuch. Man zieht sich schön an, verabredet sich und nimmt sich Zeit, um die Arbeit des anderen zu genießen und angemessen Wert zu schätzen.“

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Das Glas als Geschmacksfaktor 

  

Die Weine, die Christine Schloter in ihrem gemütlichen Tastingstore anbietet, kennt sie genauso gut, wie die Winzer selbst. Das eigene Weinbewusstsein lässt sich bei Weinproben und Sensorik- Seminaren allein oder mit Freunden unter ihrer Anleitung und in ihren extra dafür eingerichteten Räumlichkeiten wunderbar erweitern. Denn nicht nur der Wein ist entscheidend, sondern auch das Licht, betont sie: „Ich schule zwar gerne auch außerhalb, den besonderen Aha-Effekt, Wein in ganz neuem Licht zu entdecken, können meine Gäste aber am besten vor Ort erleben.“ Zu einem dieser Erlebnisse zählt die Erfahrung, dass Geschmack im Kopf entsteht. „Denn der Geschmack von Wein ist nicht nur vom Wein selbst oder vom Glas abhängig. Der Geschmack wird auch durch Lichtverhältnisse und die damit verbundenen Erinnerungen, Gefühle und Stimmungen beeinflusst.“ Anhand einer Vielzahl von Gläserformen veranschaulicht uns Christine Schloter eindrucksvoll, wie sehr unterschiedlichste Glastypen die Charaktereigenschaften eines Weins hervorheben. Für Einsteiger wie uns, ist es da nicht immer leicht, den Überblick zu behalten. „Je spitzer ein Glas nach unten zuläuft, desto stärker wird die Säure betont“, gibt uns Frau Schloter als Faustregel mit auf den Weg, bevor sie uns in das zweite Verkostungszimmer führt.

Käse + Rotwein = Kopfschmerzen!

Dort erwarten uns neben weiteren leckeren Weinproben auch süße und herzhafte Appetithäppchen. Generell lässt sich feststellen, dass nicht etwa die Farbe des Fleisches den Wein bestimmt, sondern die Art der Zubereitung. Eine große Rolle spielt die Soße: „Je dicker und kräftiger die Soße und die Art der Zubereitung, desto kräftiger sollte der Wein sein. Wer also experimentieren mag, nur zu.“ Christine Schloter reicht uns kräftigen Käse zu einem süßen, aber sehr leckeren Eiswein, der in gefrorenem Zustand am Stock bei -7° C gelesen wurde und mit seiner Aprikosen-Honig- Note vortrefflich mit dem gereiften Käse harmoniert. „Es heißt zwar, Käse und Rotwein passen zusammen, dennoch kann die Kombination Kopfschmerzen verstärken. Weißwein ist zu Käse in der Regel verträglicher. Daher keine Angst vor dem Kombinieren! Am Ende gilt: Der beste Wein zum Käse ist der, der einem am besten dazu schmeckt!“ Fest steht auch, beim Weintrinken sind und sollten alle Sinne aktiv sein, denn nicht jeder Wein, den wir serviert bekommen, ist zwangsläufig genießbar. Vor allem der Geruch kann vor dem Verzehr auf Weinfehler hindeuten. „Der Wein hat seine große Zukunft dann bereits hinter sich“, lacht Frau Schloter, deren Begehrlichkeit auf einen zweiten Schluck in dem Fall meist begrenzt ist. Riecht der Wein muffig, handelt es sich um einen Korkfehler. Weggegossen werden muss er deshalb aber nicht, da er sich dennoch gut zum Kochen verwenden lässt.

© Anne Gahlbeck

Lieber seltener, dafür besseren Wein trinken  

Der mit Abstand häufigste Weinfehler ist auf den Korken zurückzuführen, sodass viele erstklassige Weine inzwischen auf Schraubverschluss umgestellt haben: „Der ist günstiger, praktischer und bei Weinen, die eh jung getrunken werden, absolut ausreichend. Da anstatt Naturkork häufig auch Kunst- oder Presskork verwendet wird, der Weichmacher und Klebstoffe enthält, die definitiv auf Dauer den Geschmack beeinflussen, ist Kork allein kein Qualitätsmerkmal.“ Weine mit Schraubverschlüssen sind also keine Billigweine. „Weine hingegen die unter fünf Euro verkauft werden, schon eher. Wenn man berücksichtigt, dass sowohl die Flaschen-, Kork-, und Etikettenpreise den kompletten Verkaufspreis ausmachen, kann der Flascheninhalt nicht mehr viel wert sein.“ Erntehelfer, die die Weinlese herkömmlicherweise per Hand durchführen, damit nur geeignete Beeren den Weg in den Wein finden, können von solchen Flaschenpreise nicht bezahlt werden. Maschinen erhöhen zwar die Produktivität, machen aber eine qualitativere, manuelle Auslese im Weinberg unmöglich. Auch aus diesem Grund lohnt es sich, lieber seltener, dafür aber auf einen edleren Wein aus einem Weingeschäft wie Frau Schloters zurückzugreifen. Und so verlassen wir den Tastingstore nicht nur reich an Erfahrung, sondern auch mit viel mehr Selbstbewusstsein bei der Suche nach der richtigen Flasche Wein. Und beim bewussten Umgang damit, garantiert uns Christine Schloter zum Abschied, sei auch garantiert: „Je höher die Qualität des Weins, desto geringer der Kopfschmerz am Morgen danach.“

Info:

Für Weinseminare und Erleuchtungen mit der Weinkönnerin Christine Schloter könnt ihr euch ab 29€ online anmelden.