"Schlechte Texte sind einfach scheiße" OK KID im Interview: Ängste, harter Tobak und Doppelmoral

Wir plauderten mit Sänger und Texter Jonas über den „Scheißmonat“ Februar, die Doppelmoral in der Gesellschaft und Lügen in der deutschen Popmusik.

Bevor OK KID am 23. April 2016 ins Täubchenthal kommen, ist am 8. April ihr neues Album „Zwei“ erschienen. Wir plauderten mit Sänger und Texter Jonas im Vorfeld über den „Scheißmonat“ Februar, die Doppelmoral in der Gesellschaft und Lügen in der deutschen Popmusik.                                                                           

Hi Jonas. Der Februar liegt hinter uns. Erleichtert? Oder habt ihr euch, wie es auf dem neuen Album klingt, wirklich mit dem Monat versöhnt?

© Stefan Braunbarth
Tatsächlich, ja. Das heißt aber nicht, dass er schöner ist als davor. Der Februar ist einfach ein Scheißmonat. Er steht für uns für alles Schlechte, für unangenehme Lebensphasen.Es wird nicht wärmer, man wartet auf den Frühling, aber der Monat geht zu Ende, wie er angefangen hat. Irgendwie sehr hoffnungslos. Auf der anderen Seite ist er aber auch sehr inspirierend. In Phasen, in denen es mir nicht gut geht, schreibe ich häufig die besten Sachen. Deshalb ist es schon eine Aussöhnung, weil die negativen Seiten einen Menschen auch auszeichnen. Man muss die schlechten Phasen akzeptieren und sich damit auseinandersetzen, sonst kann es ganz schnell in Ignoranz ausarten. Auf der EP gab es ja einen Track namens Februar. Da hatte man die krasse Abneigung und hat es sich vielleicht etwas zu leicht gemacht. Traurig sein ist ja total okay. Auf dem neuen Februar-Song ist es nun die Umkehrung. Das Schlechte wird wahrscheinlich wieder kommen, aber damit umzugehen und das richtig einzuordnen, ist die Kunst. Das ist wichtig, um auch das Schöne dann genießen zu können.

Den Song „Gute Menschen“ habt ihr schon vor einem halben Jahr veröffentlicht. Viel geändert hat sich seitdem nicht, der Text passt besser denn je. Frustriert euch das?

Ja, definitiv. Das sollte gar kein typischer Anti-Rechts-Song werden. Uns ging es darum, zu zeigen, welche Argumentationsmuster Leute verwenden, um ihre absolut intolerante Weltsicht darzulegen. Damit habt ihr in Leipzig ja auch eure Erfahrungen gemacht. Ich habe diese ersten Pegida/Legida-Sachen damals sehr verfolgt. Da sah man, wie auf den Plakaten Symbole wie das Hakenkreuz und das Antifa-Logo in die Tonne gekloppt werden und gegen extreme Strömungen und die Islamisierung demonstriert wurde. Wenn man sich das naiv anguckt, kann man denken, dass das eine bürgerliche Bewegung aus der Mitte ist, die für diese Forderungen eintritt. Diese Argumentationsmuster unter dem Deckmantel der guten Menschen haben letztendlich natürlich nichts damit zu tun, was sie eigentlich wollen. Hinter dieser Fassade sind Ängste, aber auch eine sehr zähflüssige braune Suppe. In „Gute Menschen“ geht es darüber hinaus aber auch um Homophobie und generell darum, wie man über Themen redet, wie man sich nach außen darstellt, aber im Umkehrschluss genau anders verhält. Im Video ist das zum Beispiel der Bürgermeister, der erst einen Scheck für das Flüchtlingsheim überreicht und seinen guten Willen zeigt, sich anschließend aber die Hände wäscht und seine Tochter zusammenschreit, weil sie mit einem Farbigen zusammen ist. Das ist diese Doppelmoral, die man in allen Gesellschaftsschichten erkennen kann und die leider aktuell auch nicht weniger zu werden scheint.

Gute Menschen – 16.10.2015

Während es hier noch Minderheiten sind, sind in anderen Ländern extreme Meinungen bereits in der Regierung angekommen. Auch in den USA könnte es bald soweit sein.

Ja, die USA sind ja nochmal etwas ganz anderes. Bei diesem ganzen Lobbyismus steige ich zum Beispiel auch gar nicht durch. Obama sollte ja der große Heilsbringer sein und ich glaube, er würde auch gerne sehr viel mehr gute Sachen umsetzen, aber auch einem Präsidenten sind die Hände gebunden. Die Entscheidungen hängen von so vielen Menschen ab. 

Auf uns wirkt Donald Trump natürlich wie eine große Witzfigur. In Deutschland wäre es auch gar nicht möglich, diese Sprüche rauszuhauen, ohne sich damit komplett lächerlich zu machen. In den USA scheint es irgendwie zu funktionieren. Das ist erschreckend. Noch lacht man über ihn, aber falls er wirklich an die Macht kommt, wird einigen das Lachen vergehen.

Im Song „Borderline“ gibt es die Zeile „OK KID, kurz vorm Hit links abgebogen“. Glaubst du, dass politische Positionen dem kommerziellen Erfolg in der Musikbranche schaden können?

Darüber machen wir uns beim Albumschreiben keinen Kopf. Wir versuchen, sehr autark und so unkalkuliert wie möglich Songs zu schreiben. Ich finde es schlimm, wenn Künstler zwanghaft Pseudo-Haltungen einnehmen, um auf sich aufmerksam zu machen, was eigentlich nur der eigenen Promo dient. Deshalb war es für uns auch wichtig, dass „Gute Menschen“ für sich steht. Deswegen haben wir ihn auch ein halbes Jahr vor dem Album veröffentlicht, ohne darauf hinzuweisen, dass das Album so gut wie fertig ist. Wir wollten das nicht im Rahmen der Album-Promo nutzen, um Laute zu fangen.

Borderline – 14.05.2014

Steckt daraus folgernd hinter euren immer wiederkehrenden Schlagworten wie Februar, Kaffee oder Gin auch keine Absicht, sich in den Köpfen der Hörer festzusetzen?

Ja, wobei ich es schon schön finde, dass die Hörer zwischen erstem Album, EP und der neuen Scheibe Anknüpfungspunkte haben und es neue Sichtweisen gibt. Wenn man zum Beispiel die „Kaffee Warm“-Reihe anschaut, sieht man sehr gut, was sich bei uns verändert hat. Jetzt gibt es die Zeile „Ich will nur, dass du weißt, dass ich weiß, was ich will“, während es im ersten Teil „Ich will nicht, dass du weißt, dass ich nicht weiß, was ich will“ hieß. Also eine komplette Unsicherheit und Haltungslosigkeit damals. Das war zu dieser Zeit für OK KID auch durchaus ein Satz, den man so stehen lassen konnte. Unsere Zukunft war überhaupt nicht klar, wir hatten keinen Job und wir wussten nicht, wo wir mit unserer Musik hinkommen. Das war als Thema des ersten Albums auch so angelegt. Jetzt haben wir eine gewisse Selbstsicherheit, die wir in den letzten Jahren gewonnen haben. Es ist einfach schön, dass man Songs weiterspinnen und ein Thema auch anders bearbeiten kann. Das hat bei uns auch immer sehr eng mit der jeweiligen Lebenssituation zu tun.

Hat es euch genervt, dass ihr oft als Stellvertreter der planlosen Generation Y dargestellt wurdet?

© Stefan Braunbarth
Diese Thematiken wie der hippste Stadtteil, der coolste Job oder dieses „Ich bin der Geilste, weil ich drei Tage wach war“ interessieren uns nicht mehr. Zu der Zeit, als diese Vergleiche aufkamen, hat das ganz gut gepasst. Es gab einfach dieses Melancholische oder den Hang zum Selbstzerstörerischen in unserer Musik. Da war definitiv harter Tobak dabei, den ich jetzt erst im Nachhinein wirklich checke. Der Song „Borderline“ zum Beispiel ist tatsächlich ein Soundtrack für Borderline-Patienten. Wir kriegen viele Zuschriften von Menschen, die sich etwas antun und sich durch den Song verstanden fühlen. Das war gar nicht unsere Intention, aber es wurde wohl so wahrgenommen. Wir haben uns auch nie als Sprecher einer Generation gesehen, wir können halt nur erzählen, was uns selbst betrifft. Wenn das dann auch andere Menschen betrifft, ist es positiv, aber das wird einem eher angedichtet, als dass man sich selbst so sieht.

Für eure Musik ist deine Lyrik essenziell, wie siehst du das bei anderen Künstlern? Kann Musik gut sein, wenn der Text schlecht oder nichtssagend ist?

Schlechte Texte sind einfach scheiße. Während man auf Englisch eher Drüberhören kann, funktioniert das auf Deutsch einfach nicht. Ich mag es bei deutscher Musik nicht, wenn mich jemand anlügt. Mich lügt dann jemand an, wenn er Sachen in Phrasen verpackt, die ich schon tausendmal gehört habe. Da denke ich mir: „Ey, wer bist du eigentlich? Ich will doch etwas von dir hören.“ Und wenn ich in der deutschen Popmusik dann immer wieder die gleichen Phrasen höre, kann ich den Interpreten auch einfach nicht ernst nehmen. Dann schalte ich ab.

Textet ihr auch gemeinsam oder ist das definitiv dein Metier?

Es ist schon so, dass ich texte, aber die Jungs können natürlich mitreden. Es gibt da keine Zensur bei uns. Wenn Raffi und Moritz mir Instrumentale geben, ist es auch schon sehr nah an dem, wie ich es geil finde und wie es am Ende dann klingt. Und das ist andererseits textlich genauso. Wir kennen uns schon so gut und arbeiten so gut zusammen, dass am Ende alles miteinander verknüpft ist.

Mit Megaloh und Frank Spilker von „Die Sterne“ habt ihr zwei großartige Features auf dem Album. Wenn du dir für die Zukunft eine beliebige Zusammenarbeit aussuchen dürftest, wer wäre es?

Das können wir als Band eigentlich erst sagen, wenn wir einen fertigen Song haben und dann überlegen, wer den Song noch besser machen könnte. Wir haben unsere Features nie nach Namen ausgewählt und es geht auch nicht um Namedropping, auch wenn wir mit Megaloh und Frank Spilker jetzt megageile Namen auf dem Album haben. Da gibt es tatsächlich kein Traumfeature, man muss anhand der fertigen Songs entscheiden, wer zu uns passt. 

Vielen Dank für das Interview und viel Spaß im Täubchenthal am 23. April!

Wir verlosen für das Konzert 2×2 Tickets