Auf einer Bühne vor unserer Zeit Oper Leipzig: Führung Technisches Kabinett

Auf einer Führung durch das Technische Kabinett der Oper Leipzig haben wir Bühnen- und Beleuchtungstechnik aus über 150 Jahren Theatergeschichte begutachtet.

Seit Ende letzten Jahres lädt die Oper Leipzig regelmäßig zu Führungen durch das Technische Kabinett ein. Hier wird Bühnen- und Beleuchtungstechnik aus über 150 Jahren Theatergeschichte gesammelt und liebevoll restauriert. Bloß was für Historien-Freaks oder Technikzeitreise für Jedermann? Wir haben den ungewöhnlichen Museumstrip ausprobiert.

© Max Hunger

Wir betreten die Oper durch den Seiteneingang und begeben uns etwas ehrfürchtig in die Katakomben unter der Oper. Unser Weg führt vorbei an pragmatischen Metalltüren und kahlen Steinmauern. Dann sind sie da, die Lichter am Ende des Tunnels. Wir finden uns schließlich in einem bis zur Decke mit technischen Geräten voll gestopften Raum wieder – so haben wir uns das vorgestellt.

„Wir saßen auf dem alten Zeug und haben uns gefragt: Was machen wir nur damit?“, erklärt Beleuchtungsinspektor Michael Röger mit einer erheiternd trockenen Selbstironie. Das ist natürlich mehr als tiefgestapelt: 1984 als Ausbildungsraum für angehende Bühnenhandwerker und Beleuchter gegründet, ist das Technische Kabinett heute die größte Sammlung historischer Beleuchtungstechnik in ganz Deutschland. Über 300 Exponate aus verschiedenen Theatern können hier beschnuppert werden.

Die faszinierende Welt der Lichter und Regenbogenmaschinen 

© Max Hunger
„Ja, und!?“, mögen manche gelangweilt fragen. Michael Röger aber weiß den Wert des „alten Zeugs“ auch für die Gegenwart anschaulich zu machen: „An den alten Stücken kann man die mechanischen Vorgänge viel besser verstehen.“ Quecksilberdampflampen, Regeltrafos, Widerstände, Magnetverstärker, Transduktoren – Schritt für Schritt werden wir in die Welt der Lichttechnik eingeführt. Dann ist Mitdenken angesagt. Dafür wissen wir nun auch, wie der Dimmer für unsere Wohnzimmerlampe funktioniert.

Eine kleine historische Sensation sind die Erfindungen Hugo Bärs. Der um 1900 wirkende Maler entwarf transparente Effektscheiben für die Bühnenbeleuchtung. Nebel, Wolken und Blitze konnten so imitiert werden. Damals einzigartig: Seine Regenbogenmaschine aus zwei Prismen für die Aufführung von Wagners Rheingold. Vor Bärs Erfindung konnte das Lichtspektakel nur als Malerei dargestellt werden.

Besonders haben es uns aber die Kohlebogenscheinwerfer angetan, die im Zweiten Weltkrieg sogar als Flakscheinwerfer eingesetzt wurden. Die sind so hell, dass wir der Anweisung, bei der Demonstration nicht hineinzusehen, eifrig Folge leisten. „Da können auch viele moderne Scheinwerfer nicht mithalten“, sagt Röger mit spürbarer Begeisterung. Das Problem der Lichtmonster: Die Hitze der offenen Flamme im Gehäuse lässt bei längerer Beleuchtung mühelos Papier entflammen. Das freut den TÜV …

Wolkenprojektor aus dem 19. Jahrhundert

© Max Hunger
Wir gehen an einem noch unfertigen Ausstellungsraum vorbei. Röger beginnt die Planung für die Zukunft des Raumes zu erklären und … – bricht plötzlich ab: „Ach was soll’s, ich zeig’s Ihnen trotzdem.“ Sympathischer Typ. Im Zentrum des hohen schmalen Raumes hängt ein an eine Mondlandekapsel erinnerndes Gerät – der Wolkenprojektor! Sobald er wieder funktionstüchtig ist, projiziert er „echte“ ziehende Wolken. Ein erneuter Besuch lohnt also.

Das Technische Kabinett ist als langfristiges Projekt angelegt und entwickelt sich stetig weiter. Mittlerweile genießt es große Wertschätzung seitens der Opernleitung. Das war nicht immer so. „Am Anfang war es ein Kampf“, erzählt Röger. Dessen eigentliche Arbeit ist immer noch die Bühne, das Kabinett sein Herzensprojekt.

Will man die Führung in vollen Zügen genießen, sollte man eine gewisse Affinität mitbringen; entweder zu den technischen Details oder zur Entwicklung und Geschichte des Bühnenhandwerks generell. Wenn ihr zusätzlich – so wie wir – der Retro-Ästhetik „alten Zeugs“ erlegen seid, umso besser. Eine große Bereicherung ist der trockene Humor Michael Rögers. Dieser verrät uns im Anschluss: „Ich will ja gar keine professionelle Führung machen.“ Und das ist auch gut so! Warum immer alles so bierernst nehmen? Es ist eben kein typischer Museumsbesuch.

NÄCHSTE FÜHRUNG am 26. Mai, 14 Uhr | 8 €