"Es muss jedem gestattet sein, zu versuchen, seinen Weg zu gehen." Red Bull Salzburg-Trainer Marco Rose über Erwartungen, Champions League & RB Leipzig

Seit diesem Sommer ist Marco Rose Cheftrainer von Red Bull Salzburg. Wir sprachen mit dem sympathischen Leipziger u.a. über den Wechsel nach Salzburg, die Schadenfreude über das erneute Ausscheiden in der Champions League und RB Leipzig.

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Der ehemalige Bundesligaprofi war in der Saison 2012/2013 Cheftrainer des Regionalligisten Lok Leipzig. Er zog die Aufmerksamkeit seines jetzigen Vereins v.a. durch die Stadtderbys gegen RB Leipzig auf sich. Der 41-Jährige ging als Nachwuchstrainer zu Red Bull Salzburg. Seit dem Sommer 2017 ist er Cheftrainer der ersten Mannschaft. Wir sprachen mit dem sympathischen Leipziger u.a. über den Wechsel nach Salzburg, die Schadenfreude über das erneute Ausscheiden in der Champions League und RB Leipzig.         

Steckbrief Marco Rose

Geburtstag: 11. September 1976 in Leipzig

Spieler: VfB Leipzig, Hannover 96, FSV Mainz 05 

Trainerstationen: 1. FC Lok Leipzig, Red Bull Salzburg

 

Salzburg ist deine erste Station als Cheftrainer bei einem Erstligisten. Wie erging es dir bisher mit dieser Aufgabe?

Gut. Es ist natürlich viel zu tun. Wir hatten eine kurze Vorbereitung und schon acht Spiele in den ersten drei Wochen. Es ist ein sehr ambitionierter Verein, bei dem ich Cheftrainer geworden bin. Ich weiß, dass ein gewisser Druck da ist. Aber mir macht es riesig Spaß. 

Du sagst selbst: Der Club ist sehr ambitioniert. Ziele sind das Double und, nach dem Aus der Champions-League-Qualifizierung, das Erreichen der Europa League. Wie gehst du mit dem Druck um?

Zum einen weiß ich, worauf ich mich eingelassen habe. Ich bin auch ein ambitionierter Mensch. Ich habe gerne große Ziele. Ich weiß aber auch, dass harte Arbeit dahintersteckt. Und die sind wir bereit, zu leisten. Zum anderen werden einem die Ziele in Österreich auch gerne mal in den Mund gelegt. Aber ich glaube, dass jeder, der lange im Profisport unterwegs war, weiß, dass vor Titeln immer auch Leistung steht, die man erbringen muss. Und dass es nie eine Selbstverständlichkeit ist, diese Titel zu holen. 

Hast du Strategien, die du anwendest, um abends abzuschalten?

Ich baue mir insgesamt gar nicht so viel Druck auf. Wie in jedem anderen Job ist es wichtig, dass wenn man nach Hause kommt, die Arbeit einfach mal Arbeit sein lässt, abschaltet und sich wirklich auch mal um andere wichtige Dinge im Leben kümmert. 

War es für dich überraschend, dass man dir den Cheftrainer-Posten angeboten hat? 

Ich glaube zu wissen, dass ich mich in den letzten vier Jahren in Salzburg als Trainer gut entwickelt habe, dass ich Ergebnisse geliefert und Spieler vorangebracht habe. Und wir haben auch im Nachwuchs etliche Erfolge feiern können. 

Ich habe schon kommuniziert, dass ich als Trainer gerne den nächsten Schritt machen möchte. Dass es dann so schnell ging, war schon ein bisschen überraschend. Es war nicht unbedingt abzusehen, dass der erfolgreiche alte Cheftrainer Óscar García den Verein verlässt. Ich freue mich über das Vertrauen vom Verein.  


Du bist im Sommer 2013 von Lok Leipzig zu Salzburg als Nachwuchstrainer. Viele haben erwartet, dass du irgendwann nach Leipzig zu RBL zurückkommst. War das der eigentliche Plan?

Nein, ganz und gar nicht. Ich hatte mich bewusst für Red Bull Salzburg entschieden, weil sich der Verein einfach auch bemüht hat. Da gab es eigentlich keinen konkreten Plan dahinter. Ich bin aus Leipzig weggegangen, weil ich zwar ein tolles Jahr bei Lok mit einer tollen Mannschaft hatte, aber aufgrund der Gesamtsituation im Verein nicht die Perspektive gesehen habe, dort erfolgreich weiterzuarbeiten. Ich wollte mich als Trainer auch entwickeln. Das war in Leipzig unter den nicht einfachen Bedingungen relativ schwierig. Hier in Salzburg wusste ich, dass ich in ein professionelles Umfeld mit Top-Bedingungen und einem großen Trainerteam komme, von dem ich auch noch Input bekomme. Aus diesem Grund bin ich hierher gegangen.   

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 Gab es damals viel Kritik, dass du von Lok zum Quasi-Klubrivalen gewechselt bist? 

Red Bull Salzburg ist ja kein Klubrivale von Lok Leipzig. Ich glaube, dass viele Leute gesehen haben, dass wir bei Lok Leipzig in dem Jahr einen richtig guten Job gemacht haben. Als dann der Wechsel nach Salzburg bekannt wurde, habe ich mir sicherlich nicht nur Freunde gemacht – das Thema Red Bull polarisiert – das war mir klar. Und mit Kritik muss man immer umgehen und auch leben können, vor allem wenn man in einem Bereich arbeitet, bei dem die Öffentlichkeit auch Teil deiner Arbeit ist. Fußball hat viel mit Emotionen zu tun. Aber es muss auch jedem gestattet sein, zu versuchen, seinen Weg zu gehen. Für mich ist es einfach wichtig, dass ich mich mit dem Verein, für den ich arbeite, identifiziere.  

Wie empfindest du die Niederlagenserie von Salzburg bei Champions-League-Quali?

Das ist natürlich ein Thema, was immer wieder groß gemacht und von Weitem auch mit viel Halbwissen gewertet wird. Es ist Fakt, dass wir in den letzten 10 Jahren acht Mal Meister waren und uns immer wieder selbst die Möglichkeit geschaffen hatten, in die Champions League zu kommen. Es war hier und da relativ knapp – jetzt auch wieder. Wenn man die Chance hat und dabei ist, möchte man natürlich gerne in die Champions League kommen – das war unser Ziel. Wir können schon einschätzen, was wir für eine Mannschaft haben: nämlich ein junges, talentiertes Team, auch mit guten Einzelspielern. Aber wir wissen, wo wir hingehören. 

Die Schadenfreude bei eurem erneuten Ausscheiden ist aber schon auffallend und ungewöhnlich.

Absolut. Und es ist genau das richtige Wort dafür. Es geht dabei oft gar nicht um sachliche Wahrnehmung, sondern um Schadenfreude und darum, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen – ohne sich wirklich mit dem Kern der Materie auseinanderzusetzen. Wir haben mannschaftsintern auch nie versucht, Alibis zu finden oder Ausreden für das Ausscheiden vorzuschieben, sondern versucht, das Ziel anzugehen und es eben nicht geschafft. Jetzt versuchen wir, damit sachlich umzugehen und wieder Meister zu werden, um nächstes Jahr erneut die Chance zu haben dabei zu sein.  

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 Viele sprechen vom Salzburg-Fluch. Ist das langsam zu einer Art Trauma geworden? Freut man sich noch auf die Quali-Spiele oder ist der Druck größer als die Freude?

Na klar freuen wir uns darauf. Es sind vielleicht noch zwei bis drei Spieler bei uns, die das bisher mehrfach miterlebt haben. Ansonsten war das auch für viele Jungs das erste Mal, es steckt wohl kein Fluch dahinter. 

Du als Leipziger und Salzburg-Trainer verfolgst sicherlich auch RB Leipzig. Wie bewertest du den Erfolg von RBL für die Stadt und den deutschen Fußball allgemein?

Leipzig ist meine Heimatstadt und ich komme immer richtig gerne wieder nach Hause, weil auch meine Familie in Leipzig lebt. Ich freue mich für die Leipziger, dass sie die Möglichkeit haben, Champions-League-Fußball zu sehen. Und so, wie sich das in den letzten Jahren entwickelt hat – auch der Zuspruch für den Verein – kann man nur gratulieren und ich freue mich für die Menschen, dass sie großen Fußball geboten bekommen.  

Dein Vorgänger Óscar García hat sich mal darüber beschwert, dass RB Leipzig die Leistungsträger von Salzburg wegholt. Wie siehst du das?

Fakt ist, dass wir in Österreich eine Liga haben, bei der wir damit rechnen müssen, dass sehr gute Spieler und Top-Talente, die wir auch bei Red Bull Salzburg ausbilden, irgendwann den nächsten Schritt machen wollen. Und da geht es ja gar nicht nur um Leipzig. Wir haben jetzt zum Beispiel Valentino Lazaro zu Hertha Berlin abgegeben. Ich glaube, dass das einfach auch so ein bisschen unser Los in Österreich ist. Wir beschäftigen uns eher damit, unseren Verein und vielleicht auch die Liga ein Stück weit interessanter zu machen, damit man die guten Jungs so lange wie möglich bei uns behalten kann.  

Du kennst Ralf Rangnick noch von der Aufstiegssaison 2001/2002 bei Hannover 96. Wie hast du ihn als Trainer und wie als Sportdirektor erlebt? 

Ralf Rangnick ist ein absoluter Fachmann. Ich verbinde mit ihm den Aufstieg von Hannover, allerdings auch die Begebenheit, dass er mir damals nach dem Aufstieg mitgeteilt hat, dass es für mich schwierig werden könnte, in der Bundesliga auch Spiele zu bekommen. Darum bin ich dann nach Mainz gewechselt. Was im Nachhinein natürlich ein großer Glücksfall für mich war, weil ich dort tolle 10 Jahre hatte. An ihm habe ich immer seine direkte, klare Art geschätzt. Es war für mich ein ganz wichtiger Faktor, dass er nicht rumgeeiert hat, sondern mir damals ehrlich gesagt hat, was geht und was nicht geht. Das finde ich wichtig, und das habe ich auch für mich für meine Trainerarbeit mitgenommen.  

Gibt es ein Trainer-Vorbild für dich?

Man nimmt von allen Trainern immer wieder etwas mit. Ob es Jürgen Klopp war, Thomas Tuchel und andere. Bei Martin Schmidt habe ich meine erste Trainererfahrung sammeln können, wofür ich auch sehr dankbar bin. Aber ein Vorbild habe ich nicht. Man hat Erfahrungswerte und schaut sich gerne überall etwas ab. Aber ich glaube, das Wichtigste ist, dass man seinen eigenen Weg findet und dass man authentisch ist. Das ist für mich der entscheidende Faktor. 

Was ist für dich aufregender: Der Bundesligaaufstieg als Spieler oder der Erfolg als Trainer wie z.B. Titelgewinn in der UEFA Youth League?

© GEPA pictures/ Felix Roittner
Beides ist cool (lacht). Sich als Spieler mit seinem Team eine Saison abzurackern, auf dem Platz zu stehen und so einen großartigen Erfolg zu feiern und von vielen tausenden Menschen auf dem Rathausplatz gefeiert zu werden, sind natürlich einschneidende Erlebnisse.  Aber durch die Youth League zu marschieren und die Top-Teams aus Europa wie Manchester City, Barcelona und Paris Saint-Germain reihenweise rauszuhauen, ist auch ein tolles Erlebnis. Spieler und Trainer zu sein, sind unterschiedliche Dinge. Als Trainer hast du Verantwortung fürs große Ganze und dann ist man natürlich auch sehr stolz, wenn man gemeinsam mit seinem Team so etwas Großes erreicht.
 

Du sagst von dir selbst, dass du ab und an etwas Jähzorn entwickeln kannst oder auch cholerisch reagierst. Was sind das für Situationen?

Ach, ganz unterschiedliche. Das passiert mir immer wieder im Alltag, z.B. beim Autofahren. Ich würde sagen, ich bin manchmal ein bisschen ungeduldig. Und die Ungeduld schlägt dann manchmal auch in Jähzorn oder in kleine, leichte cholerische Anfälle über (lacht). Mit den Jahren bin ich aber schon ruhiger geworden.

Dabei wirkst du eigentlich eher entspannt …

Ja, bin ich ja eigentlich auch. Aber ich bin schon auch sehr emotional und bringe die Dinge gerne auf den Weg. Und wenn ich das Gefühl habe, es ist jetzt nicht gerade die Richtung, die ich einschlagen will – selbst wenn ich falsch liege –, dann kann es schon mal sein, dass ich auch unangenehm werde. Aber auf der anderen Seite realisiere ich das schnell und habe kein Problem damit, mich zu entschuldigen oder wieder zurückzurudern. 

Wie stehen die Chancen, dich irgendwann am Cottaweg als Trainer zu sehen?

(lacht) Damit beschäftige ich mich gar nicht. Ich bin mit meiner Aufgabe in Salzburg total ausgelastet und ich mache das auch richtig gerne. Ich kümmere mich um das Hier und Jetzt. Und man muss auch ehrlich sagen, dass es noch viele andere Vereine auf diesem Planeten gibt, die durchaus interessant sind. Aber im Moment ist es wichtig, mich auf meine Aufgabe hier zu konzentrieren. Und die macht mir richtig Spaß.

INFOS EUROPA LEAGUE

Heute, den 14. September 2017 startet die Gruppenphase der Europa League. Die Salzburger treffen in Portugal auf Vitoria Guimaraes. Anpfiff ist 21:05 Uhr. Weitere Gegner der Gruppe I sind: Olympique Marseille und Atiker Konyaspor.