Interview mit Comedian Rick Kavanian Rick Kavanian über Klischee-Tugenden, Ronaldo-Freistoßhaltung & Religion

Rick Kavanian sprach mit uns über sein komisches Deutschsein, was der Schlüssel zur Integration ist und den ungleichen Kampf zwischen der besten Pointe der Welt und einer geladenen Waffe.

Rick Kavanian, bekannt aus der Bullyparade und seinen alter Egos Dimitri Stoupakis und Jens Maul, geht mit seinem neuen Stand-Up-Comedy-Programm „OFFROAD“ auf Tour. Dabei will der 44-Jährige zurück zu seinen Wurzeln – und die sind mit Armenien, Bukarest, New York und München ganz schön vielfältig. Mit uns sprach er über sein komisches Deutschsein, was der Schlüssel zur Integration ist und den ungleichen Kampf zwischen der besten Pointe der Welt und einer geladenen Waffe.

Du bist mit deinem neuen Programm OFFROAD unterwegs. Es heißt, du gehst zurück zu deinen Wurzeln: Armenien, Bukarest, New York oder München. Dein Background ist oft Thema bei dir. 

© Manfred Baumann
Es beschäftigt mich deshalb, weil ich es interessant finde, was das alles mit einem Menschen so macht, wenn man so viele verschiedene Einflüsse hat. Menschen haben ja immer verschiedene Einflüsse. Und das ist ja auch so ein bisschen dieser Nährboden für mein Interesse für verschiedene Sprachen und Dialekte.

Prägt dich das sehr? Auch im Alltag?
Im Alltag kann ich das gar nicht so genau sagen. Ich glaube schon. Es ist jetzt nicht so, dass ich ständig in einer anderen Sprache spreche. Aber gestern saß ich z.B. an einem Flughafen in Frankfurt. Ich habe da kein Wort verstanden. Ich glaube, ich habe Schwedisch gehört, dann Russisch, dann natürlich Englisch – dann plötzlich Hessisch (lacht) – und auch da verstehe ich nichts. Ich liebe das einfach. Und jetzt sitze ich gerade in Halle – und da klingt auch alles anders … ich mag das total gerne.

Geworben wird mit deinem Programm: „Ist das Rick gegen Rick? Diesmal muss Rick endgültig vor Rick die Hosen runterlassen. Es gilt nicht mehr die Ausrede: Schizophrenie – jetzt oder nie!“ Was heißt das?
In den früheren Bühnenprogrammen war das eher so ein Ein-Mann-Theaterstück. Da bin ich der Rick, der mit dir gerade spricht. Dann gibt es Dimitri Stoupakis oder Jens Maul und wie sie alle heißen. Jetzt gibt es nur noch mich. Natürlich wird es auch noch den Dimitri geben … aber im Grunde geht es mehr um mich. Ich bin da auch direkt mit dem Publikum verbunden. Während bei den anderen Programmen meine Gäste eher nur Zuseher waren, unterhalte ich mich jetzt auch gerne mal mit meinen Gästen, wenn sich was ergibt. Aber eben nicht als Dimitri oder Jens Maul, sondern als Rick. Es ist offener. Es ist mehr StandupComedyals ein Ein-Mann-Theaterstück. 

Du sagst von dir selbst, du seist typisch Deutsch, aber komisch Deutsch. Was meinst du damit?
(lacht) Wenn man diese vier Anteile nimmt, die sehr stark ausgeprägt sind: Armenisch, Rumänisch, Amerikanisch und das Deutsche, bin ich schon eher Deutsch. Ich bin in Deutschland geboren, also in München. Ich bin natürlich stark von dem Bayerisch-Münchnerischen beeinflusst. Ich sage mal so: Wenn man diese Klischee-Tugenden nimmt wie Zuverlässigkeit, Treue und Pünktlichkeit, dann habe ich die quasi erfunden (lacht). Und ich schätze diese Eigenschaften auch sehr bei anderen Menschen – gerade wenn es um Treue und Zuverlässigkeit geht. Das sind ganz tolle Eigenschaften finde ich. Und mit komisch meine ich: Man muss aber auch in der Lage sein, über diese Tugenden oder das vermeintlich Deutsche lachen zu können. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Man sollte sich nicht zu ernst nehmen. Das geht mir ganz oft so, dass ich mir denke: „Entschuldigung, jetzt kannst du aber auch mal ein bisschen lockerer sein.“ Aber ich arbeite daran. Das ist mir auch wichtig. Es ist völlig egal, ob man Deutsch ist oder nicht. Diese Sachen wie Herkunft und Sprache sind wichtig und es ist auch schön, dass es irgendwo gehegt und kultiviert wird. Aber ich glaube, man darf das alles nicht zu ernst nehmen. 

In welchen Situationen sagst du zu dir selbst: Bleib mal locker?
Zum Beispiel rege ich mich im Straßenverkehr jedes mal über die Leute auf, die mich schneiden oder die mir komische Handgesten zeigen. Komische Handgesten … da müsste man echt mal eine Nummer draus machen. Das ist ja Wahnsinn, was es da alles gibt. Ich dachte mir immer, die Italiener sind die Leute mit den meisten komischen Handgesten. Aber die Deutschen halten da echt gut mit. 

Du sagtest zum Thema Integration, dass der Schlüssel die Sprache sei.
Ja. Wenn ich jetzt ganz vereinfacht für mich zurückdenke: Ich war als Kind mit meinen Eltern im Urlaub in Spanien und Frankreich. Wenn man da Bonjour sagt, freuen sich die Einheimischen. Klar merkt der Spanier und der Franzose, dass man die Sprache nicht perfekt spricht, aber sie denken sich: „Hey, der hat sich bemüht, der kommt hierher und ist erstmal ein Gast.“ Und ich finde das auch nicht verkehrt, dass man Gast ist. Man sollte die Gepflogenheiten des Landes einfach schätzen und respektieren. So mache ich das auch: Wenn ich irgendwo hinkomme, stelle ich mich nicht erst mal in breiter Ronaldo-Freistoßhaltung hin, sondern ich schaue erstmal, wie die Leute so drauf sind. Ich versuche schon, meinen Teil zu leisten. Für mich ist die Sprache nach wie vor die Eintrittskarte. 

Die Angst vor dem Islam hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Steht diese Angst der Integration im Weg?
Bestimmt. Aber wenn man von der Angst spricht, dann muss man auch von dem radikalen Islamismus sprechen. Das sind Leute, die ihren Glauben so uminterpretieren, dass sie ihre Aggressionen rechtfertigen können. Ich bin sicher, dass in keiner Religion – egal ob Katholiken, Juden, Moslems … – in deren Namen Unheil geschieht. Und diese radikalen Islamisten sind sehr bitter für die Religion. 

Die Angst der Menschen davor steht sicherlich auch einer Integration im Weg. PEGIDA hat bspw. Angst vor einer Islamisierung des Abendlandes, was angesichts der Zahl der Muslime in Sachsen gerade zu absurd ist.
Ja, das ist absurd – aber es ist auch irgendwie verständlich. Ein guter Bekannter von mir kommt aus der Gegend um Dresden. Der lebt mittlerweile seit 15 Jahren in München. Interessant ist: Er hat mir erzählt, dass er, als er in Dresden oder in der Umgebung gelebt hat, früher eher tendenziell auf der rechten Seite gestanden hat. Er hat gesagt, er kannte nichts anderes, als das, was er als Kind dort gesehen hat. Er ist nie rausgekommen, er hat nie andere Kulturen kennengelernt, er hat nie andere Länder gesehen. Für ihn war das alles fremd. Und dann kommt noch eine ganz große mediale Macht dazu. Und diese Bilder, die im Fernsehen und Internet in der Presse erzeugt werden, können natürlich Angst machen. Wenn man die für bare Münze nimmt, wenn man sich nicht selbst hinterfragt oder die Möglichkeit hat, dort rauszukommen, wird es schwierig. Ich glaube, das ist ein ureigenes Phänomen: Die Dinge, die man nicht kennt, machen einem Angst. Und in dem Fall ist es nicht wirklich die Religion, sondern das Fremde.
Ich beobachte das mit Bauchschmerzen, seit ich die ersten Bilder gesehen habe. Darum finde ich es auch so wichtig, dass man mit der Berichterstattung differenziert berichtet. Es ist ja sehr undurchsichtig. Unser ganzes Leben ist wahnsinnig undurchsichtig und vielschichtig.
Doch ich frage mich auch immer: Wovor haben die Menschen Angst? Geht es darum, dass der Fremde ihnen das Leben wegnimmt? Die Arbeit? Das interessiert mich wirklich. 

Wie empfindest du die Entwicklung zwischen Deutsche und Migranten?
Ich kann das nur in meiner Umgebung beurteilen, und dort ist es zum Glück wahnsinnig bunt. Ich habe auch noch Familie in Frankfurt – da ist es ja noch bunter. Da habe ich das Gefühl, da ist noch alles beim Alten und niemand wundert es, dass der Obststand von einem Türken geleitet wird und der Araber nebenan in die Moschee geht und betet und dass da hinten jemand an der Synagoge steht. Und dann kommen noch Franzosen, die Englisch sprechen wollen und Katholiken sind … das finde ich schön. Das hat für mich Anflüge von New York. Ich habe da mal gelebt, und da geht es um ganz andere Dinge. Natürlich gibt es auch dort Strömungen. Aber am Ende des Tages geht’s da nicht um die Hautfarbe, welcher Religion du angehörst oder welche Sprache du sprichst, sondern ob du in der Lage bist, zu überleben. Ich sage nicht, dass es in Deutschland solche Ausmaße annehmen muss und dass es nur noch ums Überleben geht. Aber da stehen andere Dinge im Vordergrund. Das ist ganz interessant, wenn die vermeintlich wichtigen Dinge im Vordergrund stehen, dann spielen so formale Dinge wie Glaube, Hautfarbe, Herkunft oder Sprache keine Rolle mehr. 

Du warst im Ensemble der Satiresendung „Die Klugscheisser“. Was sagst du, darf Satire alles?
Im Rahmen einer Satiresendung muss es erlaubt sein, über alles zu sprechen. Es ist klar, dass es Leute gibt, die sich auf den Schlips getreten fühlen, aber ich finde grundsätzlich richtig, dass man über alles reden kann. Und das ist auch ganz wichtig. Dafür haben wir die schlimmste Zeit hier in Deutschland mit dem Dritten Reich hinter uns bringen müssen, um das in einem Grundgesetz zu manifestieren. Und dafür müssen wir gerade stehen. Das ist ganz wichtig.

Es ist leider auch wahr, dass diese Menschen, die sich über sowas aufregen, leider keinen Spaß verstehen. Die sprechen einfach eine andere Sprache – deren Sprache ist die Sprache der Gewalt. Da kannst du natürlich nur über eine Pointe nicht viel ausrichten. Wenn dir jemand eine Waffe an den Kopf hält, kannst du den besten Witz der Welt machen – wenn der abdrückt, ist der halt im Recht. Das ist ein ungleicher Kampf. Aber nichtsdestotrotz müssen wir uns bewusst machen, was es bedeutet, eine freie Meinungsäußerung zu haben und wie wichtig es ist, dafür einzustehen. Dafür sprechen wir von einer Freiheit mit einer demokratischen Grundordnung. 

Reden wir nun über weniger schwere Kost: Du bist nun 44 Jahre alt.
Ahhhhhhh … lass uns wieder über Satire reden. 

Was bedeutet das Alter für dich? Denkst du über das Älterwerden nach?
Ja, ich denke schon drüber nach. Aber ich habe momentan noch das Glück, dass 44 nicht 88 ist. Man macht so seine Scherze, es knackst mal hier und mal dort, die Haare … Aber es wäre jetzt total blöd, zu behaupten, dass mich das total negativ beeinflusst. Im Gegenteil, ich habe das Glück, dass meine besten Freunde im selben Alter sind und man dann gegenseitig übereinander lacht und gemeinsam Scherze macht. Solange man gesund ist, ist alles halb so wild. 

WAS: Rick Kavanian mit seinem Programm „OFFROAD“
WANN: 18. Juni 2015
WO: Im Blauen Salon im Central Kabarett

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