"Du hast nur diese eine Chance" Selbstverteidigung: Slowmotion Kampfsystem

Selbstverteidigung in Zeitlupe – in einer Privatstunde sensibilisiert Trainer Viktor urbanite für den Kampf im Ernstfall.

Distanz. Das erste ist das Wahren der Distanz. „Wenn du kannst, halte dich fern. Der reale Angriff ist der letzte Ausweg.“ Verstehe ich gut als nicht gerade groß gewachsene Frau, deren spontane Verteidigungs- / und auch Angriffsstrategie bisher wohl eher aussieht, wie ein Hundepaddeln im Wasser …

© Jonny Arnold

Viktor begrüßt uns zur Einzelstunde in seinem Studio. Der 46-Jährige hat schon viele Kampfsportmodelle ausprobiert und schließlich zum Slowmotion-Entwickler Perry Otte gefunden, bei dem er gelernt hat, sich als relativ kleiner und leichter Mann in Notfallsituationen auch gegen scheinbar überlegene Gegner durchzusetzen. 

Viktors Art zu sprechen ist auch die seines Kampfes: direkt, ehrlich, klar. „Ich gebe dir hier keine Kampfkunst, keine Bewegungen zum Auswendiglernen. Bei mir bekommst du klares Wasser, die reine Realität. Mehr Straße kann man nicht nachbilden.“ Das merken wir schnell am eigenen Leib. Der erste Kontakt besteht darin, dass Viktor meinem überraschten Kollegen sanft in die Eier tritt – reicht ihm schon. „Du musst eine Ahnung davon haben, wie unangenehm es im Ernstfall werden kann – damit du weißt, dass du das niemals willst.“

In seinem Frauenverteidigungskurs ist der Tritt in die Eier das A und O. Und auch das will gelernt sein! Nicht Kraft oder Größe, sondern die Technik und der richtige Moment machen den „perfekten Tritt“ aus. „Das üben wir bis zum Umfallen. Es muss automatisiert sein. Denn du hast nur diese eine Chance.“ Überall kommt das Slowmotion-Prinzip zum Einsatz: Alle Bewegungsabläufe werden zunächst zeitlupenmäßig mit und ohne Kontakt zum Gegner trainiert, damit der Teilnehmer ein individuelles Gefühl für Distanz, Timing und Präzision bekommt. Und dann? „Dann wird aus langsam schnell.“ Und wie! Viktor bewegt sich unglaublich flink und flüssig, er selbst sagt „wie ein Wasserläufer.“ Oft stehen wir da und fragen uns: „Was ist da gerade passiert?“

 „Genau so am Kehlkopf, und das war‘s.“ 

© Jonny Arnold
Ein bisschen einstecken muss ich dann auch noch, als wir an unseren Bauchdecken Schlagkraft und -technik üben. Mein Kollege haut sich also die Hand an Viktors Bauch blutig, dieser verpasst mir einen ordentlichen Schlag (allerdings weiß er genau, wie viel Kraft er anwenden kann) und zunächst zögerlich haue ich meinem mutigen Kollegen mehrfach in den Bauch, bis Viktor meint: „Genau so am Kehlkopf, und das war‘s.“ Die Verteidigungsstrategien, die hier trainiert werden, betreffen Hoden, Kehlkopf und Nase – das, was wir nicht anspannen können, um es zu schützen. Derzeit lernt Viktor Isabell an, die in der Probestunde assistiert und später den Frauenkurs übernehmen soll. „Bei mir könnte man sagen: ,Der macht das schon so lange, klar, dass er gut ist.‘ Aber Isabell lernt auch gerade erst und wird es bald weitergeben können.“

© Jonny Arnold

Natürlich reicht eine Stunde nicht, um sich schon auf der Straße anders zu bewegen, aber man fühlt sich bereits nach Kurzem ein Stück weit sensibilisiert für Situationen, die auftreten können. Und Viktors ungeschönte Art, die Dinge beim Namen zu nennen, ist letztlich genau das, was auch zum Schutz des eigenen Lebens angebracht ist – reines, klares Wasser eben.       

INFOS & KONTAKT:

slowmotion-kampfsystem.de 

Studio für Selbstverteidigung Leipzig: Scharnhorststr. 22 

Selbstverteidungskurs für Frauen ab dem 8. September 2016: 12 Wochen, 210€

Einzeltraining nach Vereinbarung (Einzelstunde 50€)